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Eva-Maria Hintringer | News | 06.05.2020

Stellt die Verlegung einer Elektroleitung samt Errichtung einer Wallbox eine Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG 2002 dar?

Die Errichtung von Stromleitungen stellt gem § 16 Abs 2 Z 2 zweiter Satz grundsätzlich eine privilegierte Änderung dar. Die Maßnahme muss jedoch den Erfordernissen der Haushaltsführung und einer normalen Ausstattung entsprechen.

Geschäftszahl

OGH 18.12.2019, 5 Ob 173/19f

Norm

§ 16 WEG 2002

Leitsatz

Quintessenz:

Die Errichtung von Stromleitungen stellt nach dem Wortlaut des § 16 Abs 2 Z 2 zweiter Satz grundsätzlich eine privilegierte Änderung dar. Das gilt nur dann nicht, wenn die Ausführung der geplanten Maßnahme nicht den Erfordernissen der Haushaltsführung dient und das technisch übliche Maß übersteigt. Die Maßnahme ist einheitlich zu betrachten: eine getrennte Beurteilung der Errichtung der Elektroleitung einerseits und des Stromauslasses (hier mittels Wallbox) andererseits hat zu unterbleiben.

OGH: Im Anlassfall sind die Parteien Mit- und Wohnungseigentümer einer Wohnungseigentumsanlage mit Tiefgarage. Der Antragsteller begehrte von der Gemeinschaft die Duldung der Verlegung einer Elektroleitung zu den in seinem Eigentum stehenden KFZ-Abstellplätzen in der Tiefgarage sowie die Duldung der Montage einer Wandladestation („Wallbox“) für Elektrofahrzeuge zwischen diesen KFZ-Abstellplätzen.

Bereits aus dem Wortlaut des § 16 Abs 2 Z 2 zweiter Satz WEG 2002 ergibt sich, dass die Errichtung von Stromleitungen und ähnlichen Einrichtungen als privilegiert gilt. Die Gesetzesmaterialien lassen keinen davon abweichenden Willen des historischen Gesetzgebers des WEG 1975 und des WEG 2002 zu. Aus logisch-systematischer Sicht ist der Katalog in § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 mit dem der privilegierten Mieterinvestitionen in § 9 Abs 2 Z 1, 4 und 5 MRG vergleichbar, wobei dem dinglich berechtigten Wohnungseigentümer in Bezug auf derartige Veränderungen gegenüber dem bloß schuldrechtlich berechtigten Mieter eine bessere Rechtsstellung zukommt. In der Lehre wird dazu zutreffend ausgeführt, dass nach § 9 Abs 2 MRG nicht nur die eigentliche Errichtung, sondern auch die den Erfordernissen der Haushaltsführung dienende Umgestaltung von Versorgungsleitungen unter die Privilegierung falle. Diese Änderungsmöglichkeit kommt daher jedenfalls auch dem Wohnungseigentümer zu. Für die Frage, in welchem Umfang elektrische Leitungen errichtet oder umgestaltet werden dürfen, um noch als privilegiert zu gelten, ist nach der überzeugenden Lehre aus § 4 Abs 2 Z 1 MRG abzuleiten, dass jedenfalls Leitungen in „normaler“ Ausstattung unproblematisch sind. 

Im Anlassfall soll der Stromauslass nicht mittels einer üblichen Steckdose, sondern einer einphasiges Laden ermöglichenden Wallbox erfolgen, die in dieser technisch einfachen Ausführung einer Steckdose gleichgehalten werden kann. Damit dient diese Maßnahme den Erfordernissen der Haushaltsführung und entspricht einer normalen Ausstattung.

Die Verlegung einer Elektroleitung samt Errichtung einer technisch einfachen Wallbox ist daher als privilegierte Verlegung einer Stromleitung iSd § 16 Abs 2 Z 2 zweiter Satz WEG 2002 anzusehen. Eine Aufspaltung in eine Änderung der Stromleitung einerseits und des Stromauslasses (hier in Form der Wallbox) andererseits ist zu unterlassen.

Entspricht die geplante Wallbox nicht mehr einer technisch einfachen Ausführung und übersteigt sie die Erfordernisse üblicher „Haushaltsführung“ in Bezug auf einen KFZ-Abstellplatz, gilt die Privilegierung nicht. In einem solchen Fall ist die Verkehrsüblichkeit der Maßnahme oder aber das wichtige Interesse daran iSd § 16 Abs 2 Z 2 erster Satz WEG 2002 nachzuweisen. In jedem Fall müssen auch privilegierte Änderungen den Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 1 WEG 2002 entsprechen.