Dokument-ID: 1028082

Eva-Maria Hintringer | News | 06.06.2019

Unleidliches Verhalten bei psychisch kranker Mieterin – ist der Kündigungsgrund gem § 30 Abs 2 Z 3 MRG gerechtfertigt?

Ist das Verhalten des Mieters objektiv betrachtet grob ungehörig und das Zusammenwohnen verleidend, ist der Kündigungsgrund auch dann verwirklicht, wenn der Mieter dieses Verhalten lediglich aufgrund einer psychischen Krankheit setzt.

Geschäftszahl

OGH 26.03.2019, 10 Ob 19/19w

Norm

§ 30 Abs 2 Z 3 MRG

Leitsatz

Quintessenz:

Das Vorliegen des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 3 MRG setzt kein Verschulden des gekündigten Mieters voraus. Ist das Verhalten des Mieters objektiv betrachtet grob ungehörig und das Zusammenwohnen verleidend, ist der Kündigungsgrund daher auch dann verwirklicht, wenn der Mieter dieses Verhalten lediglich aufgrund einer psychischen Krankheit setzt und keine günstige Zukunftsprognose besteht.

OGH: Nach ständiger Rechtsprechung setzt der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG kein Verschulden des gekündigten Mieters voraus. Entscheidend ist, ob das objektiv in Erscheinung tretende Verhalten als grob ungehörig und das Zusammenwohnen verleidend angesehen werden muss. Auch ein auf einer (geistigen) Erkrankung basierendes Verhalten erfüllt daher die Voraussetzungen.

Kommt es nach Zustellung der Aufkündigung an den gekündigten Mieter zu einer Verhaltensänderung und stellt der Mieter sein unleidliches Verhalten ein, ist dieser Umstand bei der Beurteilung nach ständiger Rechtsprechung mit zu berücksichtigen. Bei Vorliegen einer positiven Zukunftsprognose, der zufolge eine Wiederholung des bisherigen Benehmens ausgeschlossen werden kann, kann die Klage abgewiesen werden.

Im Anlassfall beschimpfte und beleidigte die gekündigte Mieterin andere Bewohner der Wohnhausanlage regelmäßig und ohne Anlass derart intensiv, dass einige Bewohner sogar ausziehen wollten. Einen Nachbarn zeigte die gekündigte Mieterin grundlos wegen sexueller Belästigung an. Sie entfernte mehrmals die Stromsicherungen der unmittelbar benachbarten Wohnung und verursachte immer wieder Wasserschäden an der unterhalb gelegenen Wohnung. In ihrer eigenen Wohnung schraubte sie die außerhalb des Wandverputzes liegenden Gasleitungen ab, sodass Gas austreten konnte. Sie sperrte die Zufahrt zur Liegenschaft und beschädigte absichtlich das Auto eines Hausbewohners. In einer Klinik wurde sie stationär sechs Monate lang psychiatrisch behandelt. Die Entwicklung ihres Gesundheitszustands ist nicht vorhersehbar. Eine Wiederholung ihrer Verhaltensweisen kann nicht ausgeschlossen werden. Unter diesen Gesichtspunkten entspricht es den Grundsätzen der Rechtsprechung, den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 als verwirklicht anzusehen.