Dokument-ID: 831253

WEKA (vpa) | News | 10.05.2016

Unwirksame Überwälzung der Erhaltungspflicht bei erheblichen Gesundheitsgefährdungen auf den Mieter in Altverträgen

Vereinbarungen in Altverträgen, die die Erhaltungspflicht des Vermieters zur Beseitigung erheblicher Gesundheitsgefährdungen auf den Mieter überwälzen, sind seit der WRN 2006 aufgrund der Rückwirkungsanordnung in § 49e Abs 9 MRG unwirksam.

Geschäftszahl

OGH 16.03.2016, 3 Ob 85/15v

Norm

§ 3 MRG, § 49e Abs 9 MRG, § 1096 ABGB

Leitsatz

Quintessenz:

Vereinbarungen in Altverträgen, die die Erhaltungspflicht des Vermieters zur Beseitigung erheblicher Gesundheitsgefährdungen iSd § 3 Abs 2 Z 2 MRG auf den Mieter überwälzen, sind seit 01.10.2006 (WRN 2006) aufgrund der Rückwirkungsanordnung in § 49e Abs 9 MRG unwirksam. Der Mieter kann gem § 1096 ABGB Zinsminderung für die Dauer der Unbenützbarkeit begehren.

OGH: Durch die WRN 2006 wurde § 3 Abs 2 Z 2 MRG dahingehend novelliert, dass die Erhaltungspflichten des Vermieters um die Beseitigung einer vom Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung erweitert wurden. Diese Änderung gilt ab dem 1. Oktober 2006 auch für Altverträge, die eine diesbezügliche Erhaltungspflicht auf den Mieter überwälzen wollen. Eine gegenteilige Erhaltungsvereinbarung ist folglich unwirksam geworden.

Der OGH begründet dies in Übereinstimmung mit der hL mit der Rückwirkungsanordnung des § 49e Abs 9 MRG, die die Anwendbarkeit der WRN 2006 auch auf Mietverträge, die vor dem 1. Oktober 2006 geschlossen wurden, normiert. Da hier eine dem § 43 Abs 2 MRG entsprechende spezielle Übergangsvorschrift fehlt, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Beseitigung erheblicher Gesundheitsgefährdungen auch dann in die dem Vermieter zwingend zugewiesen Erhaltungspflichten einreihen wollte, wenn zunächst zulässigerweise anderes vereinbart worden war (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch MRG³ § 49e Rz 9; Pletzer, Erhaltungspflicht des Vermieters bei erheblicher Gesundheitsgefährdung, Zak 2011, 82 [83]; Hausmann/Riss in Hausmann/Vonkilch MRG³ § 3 Rz 17a; ua).

Der OGH sieht dies auch im zwingenden Charakter der Erhaltungspflicht des Vermieters gem § 3 MRG begründet, der im Zusammenspiel der §§ 3 bis 6 MRG erkennen lässt: Der Gesetzgeber wollte nicht nur eine eindeutige Zuständigkeit des Vermieters klar festlegen, sondern auch deren effiziente und rasche Durchsetzung sicherstellen. Da die Beseitigung erheblicher Gesundheitsgefährdungen dem Schutz des Rechtsgutes der körperlichen Unversehrtheit dient, soll ihre Behebung nicht von einer Vereinbarung bezüglich der Erhaltungspflicht als Teil der Mietzinsvereinbarung abhängen. Folglich ist auch ein nachträglicher Eingriff in die Äquivalenz der beiderseitigen Leistung durch den Gesetzgeber gerechtfertigt.

Explosionsgefahr, die von undichten Gasleitungen sowie Stromschlaggefahr, die von Elektroinstallationen ausgeht, stellen eine Gesundheitsgefährdung dar, die Erhaltungsarbeiten iSd § 3 MRG notwendig machen. Sie fallen in die zwingende Erhaltungspflicht des Vermieters, selbst wenn die Erhaltung/Renovierung dieser Installationen (damals zulässigerweise) vertraglich auf den Mieter überwälzt wurde.

§ 1096 Abs 1 zweiter Satz ABGB befreit den Bestandnehmer im Ausmaß der Mangelhaftigkeit für deren Dauer von der Zahlung des Mietzinses, wenn das Bestandobjekt ohne Schuld des Bestandnehmers derart mangelhaft ist, dass es zum bedungenen Gebrauch nicht taugt. Verschulden des Bestandgebers ist nicht Voraussetzung. Der Mietzinsminderungsanspruch besteht ab Beginn der Unbrauchbarkeit bist zu deren Behebung.

Stellt eine Wohnung nach Abschluss der „eigentlichen“ Erhaltungsarbeiten (Erneuerung von Elektro- und Gasinstallationen) eine nicht abgeschlossene Baustelle dar, so ist sie zum bedungenen Gebrauch in keiner Weise tauglich. Dies hat eine Mietzinsminderung von 100 % zur Folge (Stabentheiner Mietrecht³ Rz 62; Pesek in Schwimann/Kodek ABGB4 § 1096 Rz 122). Die Mietzinsminderungsansprüche bestehen für die Dauer der Arbeiten einschließlich viel später erfolgter Abschlussarbeiten durch den Vermieter fort.

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