Dokument-ID: 1068548

Eva-Maria Hintringer | News | 13.07.2020

Zum Unterlassungsanspruch von ortsunüblichen Lichtimmissionen: Beispiel Pool-Beleuchtung

Für den Unterlassungsanspruch des § 364 ABGB müssen die Immissionen kumulativ sowohl das ortsübliche Maß überschreiten als auch die ortsübliche Benutzung des eigenen Grundstücks wesentlich beeinträchtigen.

Geschäftszahl

OGH 23.04.2020, 6 Ob 60/20x

Norm

§ 364 ABGB

Leitsatz

Quintessenz:

Für den Unterlassungsanspruch des § 364 ABGB müssen die Immissionen kumulativ sowohl das ortsübliche Maß überschreiten als auch die ortsübliche Benutzung des eigenen Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Lichtimmissionen, die zwar das ortsübliche Maß überschreiten, aber nur selten auftreten (hier: sechs Abende im Jahr für zwei Stunden) und durch das Herunterlassen der bereits vorhandenen Jalousien vermieden werden können, sind im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens der Nachbarn zu dulden.

OGH: Im Anlassfall sind die Streitteile Eigentümer benachbarter Liegenschaften. Auf der Liegenschaft der Beklagten befindet sich ein Swimmingpool mit unterhalb der Wasseroberfläche installierter Poolbeleuchtung. Die Lichtimmission betrifft das Obergeschoss des Hauses der Klägerin, insbesondere das Schlafzimmer. Ist die Beleuchtung eingeschaltet, ist es in den betroffenen Räumen nur dann vollständig dunkel, wenn die Rollläden zur Gänze geschlossen sind. Wenn die Poolbeleuchtung in den Dunkelstunden eingeschaltet und das Wasser zusätzlich in Bewegung ist, wird die maximal zulässige Lichtstärke nach der ÖNORM O1052 überschritten und eine Blendwirkung erzeugt. Vor Sonnenuntergang ist eine Blendung nicht oder kaum wahrnehmbar. Die Beklagten schalteten aus Rücksichtnahme auf die Klägerin die Beleuchtung nur noch sehr selten, nämlich ca sechs Mal innerhalb eines Sommerhalbjahres, jeweils von ca 20:30 Uhr bis 22:30 Uhr, ein.

Nach § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen.

Da beide Kriterien – Überschreitung der Ortsüblichkeit der Störung und die wesentliche Beeinträchtigung der ortsübliche Benützung des Grundstücks – kumulativ vorliegen müssen, sind Immissionen nach der Rechtsprechung zu dulden, wenn sie zwar übermäßig sind, aber die ortsübliche Nutzung des Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigen bzw wenn sie die ortsübliche Nutzung des Grundstücks zwar wesentlich beeinträchtigen, aber das ortsübliche Maß nicht übersteigen.

§ 364 Abs 2 ABGB umfasst nach der Rechtsprechung auch Lichtimmissionen. Im Anlassfall handelt es sich zwar um Immissionen, die das ortsübliche Ausmaß überschreiten, zumal die Werte der relevanten Ö NORM überschritten werden. Allerdings ist das Kriterium der wesentlichen Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung der Liegenschaft nicht erfüllt. Dass die Klägerin gezwungen ist, zur Vermeidung der Lichtimmissionen die – bereits vorhandenen – Jalousien herunterzulassen, stellt angesichts der seltenen Inbetriebnahme der Beleuchtung keine wesentliche Beeinträchtigung dar und ist in den Abendstunden nach dem Maßstab des § 364 ABGB jedenfalls zumutbar. Es ist zudem allgemein üblich, Rollläden in der Nacht zur Verdunkelung zu verwenden. Im Sinne eines im Interesse eines friedlichen Zusammenlebens der Nachbarn angestrebten Interessensausgleichs hat die Klägerin diese Immissionen zu dulden, zumal auch ein nachvollziehbares Interesse der Beklagten an der Beleuchtung ihres Pools anerkannt werden kann.