Dokument-ID: 1032567

Daniela Kostal | News | 20.08.2019

Zur Frage nach der Haftbarkeit eines Sturzes auf einem Einkaufsparkplatz

Den Kunden im Zusammenhang mit seinen Kaufabsichten vor drohenden Gefahren zu schützen, ist nicht nur Aufgabe des Geschäftsinhabers, sondern auch des Bestandgebers. Die Haftung bleibt daher auch für den Bestandgeber aufrecht.

Geschäftszahl

OGH 28.05.2019, 4 Ob 13/19v

Norm

§ 1096 ABGB, § 1293ff ABGB

Leitsatz

Quintessenz:

Zwischen ehemaligen Vertragsparteien bestehen Schutz- und Sorgfaltspflichten. Selbst dann, wenn im Zeitpunkt der schädigenden Handlung/Unterlassung die sich aus dem Vertrag ergebende Hauptleistungspflicht bereits vollständig erloschen ist. Auf Eigentumsverhältnisse kommt es dabei nicht an. Den Kunden im Zusammenhang mit seinen Kaufabsichten daher vor drohenden Gefahren zu schützen, ist somit nicht nur Aufgabe des Geschäftsinhabers, sondern auch des Bestandgebers und bleibt die Haftung daher in jedem Fall auch für den Bestandgeber aufrecht.

OGH: Der Oberste Gerichtshof erkennt Schutz- und Sorgfaltspflichten zwischen ehemaligen Vertragsparteien an, auch wenn im Zeitpunkt der schädigenden Handlung die Hauptleistungspflichten aus dem vorangegangenen Vertrag bereits zur Gänze erloschen sind. Daraus lässt sich im weiteren Sinn folgern, dass, sofern ein potentieller Kunde ein Geschäft mit dem Geschäftsinhaber anbahnt, diesen sowohl allgemeine Verkehrssicherungspflichten als auch vorvertragliche Schutzpflichten treffen.

Aus diesem Grundsatz lässt sich also ableiten, dass es Aufgabe des Geschäftsinhabers ist, den oder die Kunden beim Betreten oder Verlassen ihres Geschäftes vor einer drohenden Gefahr zu schützen.

Da der Bestandgeber (trat in der Rolle des Nebenintervenienten auf) das Geschäftslokal dem Geschäftsinhaber vermietete und dieser sich dazu verpflichtete, Sorge für die Schneeräumung zu tragen, wurde im gegenständlichen Fall die Frage aufgeworfen, wer zur Haftung herangezogen werden darf. Für diese sich aus dem Vertrag ergebende Pflicht des Geschäftsinhabers, den Kunden vor drohenden Gefahren zu schützen und ihn somit in seinem absolut geschützten Rechtsgut nicht zu beeinträchtigen, sind die Eigentumsverhältnisse oder die rechtliche Verfügungsmöglichkeit des zum Areal befindlichen Gehsteiges unerheblich. Eine Haftung des Geschäftsinhabers ist daher jedenfalls nicht ausgeschlossen – schon allein deshalb nicht, weil die Abstellplätze nicht einzelnen Geschäften zugeordnet sind, sondern mehrere Geschäftsbetreiber gemeinsam den Kundenparklatz ihren Kunden zur Verfügung stellen. Der Bestandgeber ist in diesem Fall Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 1313a ABGB. Das mit der Schneeräumung betraute Unternehmen ist wiederum Erfüllungsgehilfin der Bestandgeberin. Aus diesem Grund besteht eine Haftung des Schuldners für Verschulden des von seinem Erfüllungsgehilfen verwendeten weiteren Gehilfen – es liegt eine so genannte „Erfüllungsgehilfenkette“ vor.

In diesem Sinne ist somit § 1313a ABGB auch dann anwendbar, wenn die Erfüllung von Schutz- und Sorgfaltspflichten auf einen anderen übertragen wird. Unter Berücksichtigung der Erfüllungsgehilfenkette, ist eine Haftung sowohl des Bestandgebers als auch des Bestandnehmers, sowie jeder weiteren dritten Person, derer sich zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes bedient wird, zu bejahen. Auch nach Erfüllung aller Hauptleistungspflichten (in diesem Fall der Einkauf) haben die Vertragspartner dafür Sorge zu tragen, dass dem Vertragspartner keine Nachteile in seinem absolut geschützten Gut entstehen –solange dieser das Areal noch nicht verlassen hat.