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Zur Sicherstellung bei Bauverträgen
Gastautor Mag. Reßler erläutert in seinem Beitrag eine aktuelle OGH-Entscheidung zum Thema, die für Bauherren weitreichende Konsequenzen haben kann, wenn sie bei Baumängeln keine Sicherstellung leisten.
Bei Bauverträgen stehen ein Bauherr als Werkbesteller und eine Firma als Werkunternehmer einander gegenüber. Dabei kann ein Unternehmer eines Bauwerkes, einer Außenanlage zu einem Bauwerk oder eines Teils hiervon vom Besteller ab Vertragsabschluss für das noch ausstehende Entgelt eine Sicherstellung bis zur Höhe eines Fünftels des vereinbarten Entgeltes (Werklohn) verlangen. Bei Verträgen, die innerhalb von drei Monaten zu erfüllen sind, können zwei Fünftel des vereinbarten Entgeltes als Sicherstellung vereinbart werden. Dieses Recht kann vertraglich nicht abbedungen werden. Als Sicherstellung können Bargeld, Bareinlagen, Sparbücher, Bankgarantien oder Versicherungen dienen. Die Kosten der Sicherstellung hat der Sicherungsnehmer zu tragen (§ 1170b ABGB). Sicherstellungen sind binnen angemessener, vom Unternehmer festzusetzender, Frist zu leisten. Kommt der Besteller dem Verlangen des Unternehmers auf Leistung einer Sicherstellung nicht, nicht ausreichend oder nicht rechtzeitig nach, so kann der Unternehmer seine Leistung verweigern und unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung erklären (§1170 b Abs 2 ABGB).
Sachverhalt
Der Entscheidung 1 Ob 107/16s vom 27.09.2016 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im gegenständlichen Verfahren war die beklagte Partei Eigentümerin (Auftraggeberin) einer Liegenschaft mit einem darauf errichteten Bürogebäude, welches saniert werden sollte. Sie beauftragte eine als Arbeitsgemeinschaft (ARGE) auftretende Verbindung von Gesellschaften zur Durchführung von Heizungs-, Klima-, Lüftungs- und Sanitärarbeiten.
Zu erheblichen Problemen kam es, als die Auftragnehmerin eine Teilschlussrechnung legte. Diese wurde zwar von einem technischen Büro fachlich und rechnerisch geprüft und freigegeben, jedoch von der Auftraggeberin nicht bezahlt. Mit Schreiben vom 15.10.2013 erhoben die klagenden Gesellschaften gegenüber der beklagten Eigentümerin ein Sicherstellungsbegehren gemäß § 1170b ABGB. Als Sicherstellung begehrten die Gesellschaften als Werkunternehmer ein Fünftel der Auftragssumme, somit einen Betrag von EUR 689.114,36 mit einer Zahlungsfrist bis 11.11.2013. Die beklagte Eigentümerin entsprach diesem Sicherstellungsbegehren ebenfalls nicht. Daraufhin setzten die klagenden Gesellschaften der Beklagten eine weitere Nachfrist bis 19.11.2013 und gaben der Werkbestellerin bekannt, dass sie bei nicht fristgerechter Leistung der Sicherstellung die Vertragsaufhebung erklären. Die Beklagte leistete die begehrte Sicherstellung auch nicht innerhalb der ihr gesetzten Nachfrist, sodass am 27.11.2013 die Werkunternehmer gegenüber der Eigentümerin die Aufhebung des abgeschlossenen Werkvertrages erklärten, wobei diese auch sämtliche Nachtragsaufträge umfasste.
Die klagenden Gesellschaften begehrten im erstinstanzlichen Verfahren den ausstehenden Werklohn in der Höhe von EUR 1,435.744,34 auch unter Berücksichtigung der Zusatzaufträge. Sie begründeten ihren Klagsanspruch im Wesentlichen damit, dass die Beklagte ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen sei und sie daher gemäß § 1170b Abs 2 ABGB ihren Rücktritt vom Hauptvertrag und den Zusatzaufträgen erklärt haben. Bis zum Vertragsrücktritt hätten sie sämtliche Arbeiten und Leistungen ordnungsgemäß und mängelfrei erbracht. Die beklagte Eigentümerin wandte dagegen ein, dass die Gesellschaften das Sicherstellungsbegehren rechtsmissbräuchlich erhoben hätten, um sich ihrer Verpflichtung zur vollständigen Erfüllung des Vertrages und der Haftung für mangelhafte Vertragserfüllung zu entledigen. Die von ihnen errichtete Anlage funktioniere nach wie vor nicht ordnungsgemäß, und Mängelbehebungsversuche seien erfolglos gewesen.
Das Erstgericht verpflichtete mit Teilurteil die Beklagte zur Zahlung von EUR 401.828,43. Es erkannte darüber hinaus, dass eine missbräuchliche Rechtsausübung gemäß § 1295 Abs 2 ABGB im Zusammenhang mit der Sicherstellung nicht vorliegt, was nicht zur Unwirksamkeit der Vertragsaufhebung nach § 1170b Abs 2 ABGB durch die Gesellschaften führt, sondern allenfalls eine Haftung nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen bewirke. Jedenfalls ist ein Werkunternehmer nach Aufhebung des Vertrages nicht verpflichtet das Werk fertig zu stellen.
Das Berufungsgericht bestätigte im Wesentlichen das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Zur rechtlichen Beurteilung
§ 1170b ABGB sieht eine gesetzliche, vertraglich nicht abdingbare Sicherstellungspflicht des Werkbestellers (Bauherrn) vor. Diese Sicherstellung nach dieser Gesetzesstelle kann nur bei Werkverträgen verlangt werden, in denen es um die Herstellung oder die Bearbeitung eines Bauwerkes selbst, seiner Außenanlagen oder eines Teiles davon geht. Kommt der Werkbesteller (Bauherr) dem Sicherstellungsverlangen des Werkunternehmers nicht, nicht rechtzeitig oder unzureichend nach, so kann dieser die Erbringung seiner Leistung verweigern (§ 1170b Abs 2 Satz 2 ABGB). Darüber hinaus kann dieser unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung erklären. Unterbleibt eine zur Ausführung des Werkes erforderliche Mitwirkung des Bestellers (Bauherrn), so ist der Unternehmer auch berechtigt nach fruchtlosem Verstreichen einer Frist vom Vertrag zurückzutreten. Die Obliegenheit des Werkbestellers, eine Sicherstellung zu geben, wird mit dem Vertragsabschluss begründet und besteht bis zur vollständigen Bezahlung des Entgelts.
Das Recht Sicherstellung zu begehren, soll dem Werkunternehmer auch bei mangelhafter Bauleistung zustehen und diese vom Werkbesteller nicht unter Berufung auf die Mangelhaftigkeit verweigert werden können. Dies bewirkt, dass der Werkunternehmer die Vertragsaufhebung auch bei mangelhafter Leistungserbringung erklären kann. § 1168 Abs 2 ABGB gibt dem Unternehmer die Möglichkeit zur Vertragsaufhebung, wenn der Werkbesteller (Bauherr) seine Mitwirkungspflicht verletzt. Mit der vorzeitigen Auflösungsmöglichkeit des Vertrages durch den Werkunternehmer entfällt dessen Herstellungspflicht und er behält darüber hinaus auch einen eingeschränkten Entgeltanspruch, weil ja die Verhinderung in der Ausführung des Werkes dem Besteller zuzurechnen ist (§ 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB). Dem Werkunternehmer gebührt somit das vereinbarte Entgelt, jedoch mit Abzügen. Mit der vorzeitigen Auflösungserklärung des Unternehmers entfallen auch die Erfüllungsanspruche des Werkbestellers auf Übergabe eines vollendeten und mangelfreien Werkes.
Fazit
Die gegenständliche Entscheidung ist für Bauherren weitreichend. Der Bauherr ist künftig also gut beraten, dem Sicherstellungsbegehren eines Auftragnehmers zu folgen. Leistet der Bauherr nämlich keine Sicherstellung, so trägt er das Risiko, dass der Werkunternehmer vom Vertrag zurücktritt und er damit trotz vorhandener Mängel einen, wenn auch reduzierten Werklohn zu entrichten hat.
Autor
Mag. Roman Reßler ist Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum. Schon während seines Studiums war er als Eigentümer von Liegenschaften mit Fragen des Miet- und Wohnrechts beschäftigt. Nach Absolvierung des rechtswissenschaftlichen Studiums und des Gerichtsjahres mit dem Schwerpunkt „Wohnrecht“ sammelte er weitere praktische Erfahrungen in einer Hausverwaltung. Im Jahre 2001 begann er seine Tätigkeit als Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum, wo er für die persönliche Mitgliederberatung verantwortlich ist.
Neben seiner Tätigkeit als Rechtsberater verfasst er auch juristische Fachartikel in der monatlich erscheinenden Mitgliederzeitung „Haus & Eigentum“.