Dokument-ID: 844800

WEKA (vpa) | News | 05.07.2016

Zur Zulässigkeit der Widmung eines Wohnungseigentumsobjektes sowohl zu Wohn- als auch zu Geschäftszwecken

Die Bezeichnung eines gesamten Objektes als „Wohnung“ schließt eine gemischte Nutzung nicht aus, wenn Raumbezeichnung und -ausstattung laut Nutzwertgutachten auf eine Verwendung auch zu geschäftlichen Zwecken schließt und das Vertragsbestandteil ist.

Geschäftszahl

OGH 20. April 2016, 5 Ob 224/15z

Norm

§ 16 WEG 2002

Leitsatz

Quintessenz:

Die Widmung eines Wohnungseigentumsobjektes sowohl zu Wohn- als auch zu Geschäftszwecken ist zulässig, weil sich aus dem Gesetz nichts Gegenteiliges ergibt und dem auch kein nachvollziehbarer sachlicher Grund widerspricht. Die Bezeichnung eines gesamten Objektes als „Wohnung“ schließt die gemischte Nutzung nicht aus, wenn Raumbezeichnung und -ausstattung laut Nutzwertgutachten auf eine Verwendung auch zu geschäftlichen Zwecken schließen lassen und dieses Vertragsbestandteil geworden ist.

OGH: Unter Widmung ist die zwischen den Wohnungseigentümern vereinbarte Art der Nutzung eines Wohnungseigentumsobjektes zu verstehen (vgl Hausmann in Hausmann/Vonkilch, WEG³ § 3 WEG Rz 14c).

Eine Widmungsänderung fällt unter den Änderungsbegriff des § 16 Abs 2 WEG 2002 und setzt daher, wenn sie eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer mit sich bringen könnte, die (konkludente) Zustimmung aller Wohnungseigentümer oder eine Genehmigung durch das Gericht (im Außerstreitverfahren) voraus. Es kommt auf den objektiven Erklärungswert der Willensäußerungen an.

Nach der stRspr des OGH ist für die Widmung eines Wohnungseigentumsobjektes die privatrechtliche Einigung zwischen den Wohnungseigentümern maßgeblich. Die Auslegung erfolgt nach den §§ 914 f ABGB, wobei es wegen des notwendigen Vertrauensschutzes für neue Mitglieder sowie aufgrund von Schwierigkeiten, den Parteiwillen beim erstmaligen historischen Widmungsakt festzustellen, auf eine objektive Betrachtungsweise ankommt.

Eine (eigenmächtige) Widmungsänderung liegt vor, wenn die beabsichtigte (tatsächliche) Verwendung mit der gültigen Widmung nicht übereinstimmt.

Verweist der Wohnungseigentumsvertrag zur Beschreibung ausdrücklich auf das Nutzwertgutachten, so ist dessen Inhalt Vertragsbestandteil. Die Einzelraumbezeichnung des Nutzwertgutachtens ist dabei nicht isoliert zu betrachten sondern fließt in die Gesamtwidmung ein, sodass die Bezeichnung des gesamten Objektes als „Wohnung“ eine gemischte Nutzung zu Wohn- und Geschäftszwecken nicht ausschließt, wenn sich aus der Bezeichnung eines Raumes und seiner Ausstattung dessen Verwendung für geschäftliche Zwecke ergibt. Die Miteigentümer und Partner des Wohnungseigentumsvertrages müssen daraus auf eine entsprechende teilweise Verwendung des Wohnungseigentumsobjektes für geschäftliche Zwecke schließen und haben sich mit Vertragsabschluss damit einverstanden erklärt.

Das WEG unterscheidet in seinem § 2 Abs 2 zwar zwischen Wohnungen und sonstigen selbstständigen Räumlichkeiten, daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass ein wohnungseigentumstaugliches Objekt entweder als Wohnung oder als sonstige selbstständige Räumlichkeit gewidmet werden muss. Dies findet weder im Gesetz Deckung noch gibt es dafür einen nachvollziehbaren sachlichen Grund. Auch knüpft das WEG keine Rechtsfolgen an diese Unterscheidung (Hausmann in Hausmann/Vonkilch § 2 WEG Rz 13). Gesetzliche Beschränkungen für Widmungsvereinbarungen sind ebenfalls nicht ableitbar.

In seiner Rspr hat der OGH auch bereits mehrmals die Widmung eines Objektes zur gemischten Nutzung zu Wohn- und Geschäftszwecken implizit bejaht, was auch von der Lehre nicht in Zweifel gezogen wurde. Daher ist die Widmung eines Wohnungseigentumsobjektes sowohl zu Wohn- als auch zu Geschäftszwecken zulässig.

Weitere Leitsätze sowie OGH-Entscheidungen im Volltext finden Sie am Portal unter https://www.weka.at/wohnrecht/Judikatur.

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