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Dokument-ID: 607684

Judikatur | Entscheidung

1 Ob 53/13w; OGH; 29. April 2013

GZ: 1 Ob 53/13w | Gericht: OGH vom 29.04.2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragsteller 1. M***** M*****, und 2. A***** M*****, beide vertreten durch Dr. Andrea Peter, Rechtsanwältin in Deutschlandsberg, gegen die Antragsgegner 1. F***** H*****, 2. A***** H*****, beide vertreten durch Dr. Klaus Herunter, Rechtsanwalt in Köflach, 3. Gemeinnützige G***** reg. Genossenschaft mbH, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Konrad & Schröttner OG in Graz, 4. E***** S*****, 5. Dr. R***** B*****, 6. E***** B*****, 7. C***** K*****, vertreten durch Dr. Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in Graz, 8. H***** T*****, 9. B***** T*****, 10. K***** S*****, Acht- bis Zehntantragsgegner vertreten durch Dr. Peter Fürnschuß, Rechtsanwalt in Stainz, 11. R***** S*****, vertreten durch Mag. Dr. Marlies Folger, Rechtsanwältin in Deutschlandsberg, 12. W***** S*****, 13. E***** L*****, 14. C***** L*****, und 15. A***** R*****, wegen Einräumung eines Notwegs, über die Revisionsrekurse der Drittantragsgegnerin, der Siebtantragsgegnerin, des Achtantragsgegners, der Neuntantragsgegnerin, des Zehntantragsgegners und der Elftantragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 22. März 2012, GZ 5 R 212/11z-88, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Stainz vom 30. September 2011, GZ 1 Nc 56/08g-79, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekurse der Drittantragsgegnerin und der Siebt- bis Elftantragsgegner wird der Endentscheidung vorbehalten.

Der Antrag der Antragsteller, ihnen die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortungen zu ersetzen, wird abgewiesen.

Begründung

Die Antragsteller sind Miteigentümer der Grundstücke 225, 226 und 227 desselben Grundbuchs. Im Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde L***** ist das Grundstück 225 als Freiland und das Grundstück 227 als Bauland der Kategorie Allgemeines Wohngebiet mit einer Bebauungsdichte von 0,2 bis 0,4 ausgewiesen. Das Grundstück 226 liegt teilweise ebenfalls im Bauland dieser Kategorie, teilweise ist es als Freiland ausgewiesen.

Der Erstantragsgegner und die Zweitantragsgegnerin sind Miteigentümer des Grundstücks 833/1 und waren auch Miteigentümer der Grundstücke 833/3 und 833/9 (jeweils eines anderen Grundbuchs), die sie während des erstinstanzlichen Verfahrens an die Drittantragsgegnerin verkauften. Das Grundstück 841/1 steht im Miteigentum der Drittantragsgegnerin, der Viertantragsgegnerin, des Fünftantragsgegners und der Sechstantragsgegnerin. Zu Gunsten einer Liegenschaft, die im Alleineigentum der Elftantragsgegnerin steht, besteht die Grunddienstbarkeit des Fahrens zu Lasten des Grundstücks 841/1 (wie auch 841/2).

Im Verfahren 1 C 77/08v des Erstgerichts wurde rechtskräftig festgestellt, dass zu Gunsten des Grundstücks 227 der Antragsteller keine Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art über die Grundstücke 834/2 und 833/1 des Erstantragsgegners und der Zweitantragsgegnerin besteht.

Mit Schreiben vom (richtig:) 08.04.2008 suchten die Antragsteller um die Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Bauplatz auf ihren Grundstücken 226 und 227 bei der Marktgemeinde an. Diese forderte sie mit Schreiben vom 09.04.2008 auf, den für die Erledigung ihres Ansuchens noch fehlenden Nachweis einer rechtlich gesicherten Zufahrt binnen 14 Tagen vorzulegen.

Die Grundstücke 225, 226, 227 und 232 der Antragsteller (letzteres im Flächenwidmungsplan als Freiland ausgewiesen) haben einen Verkehrswert von EUR 48.000,–. Unter der Voraussetzung der Einräumung einer rechtlich gesicherten Zufahrt, die eine Baulandnutzung des derzeit schon als Bauland ausgewiesenen „nördlichen Grundstücksteils“ ermöglicht, beträgt der Verkehrswert dieser vier Grundstücke EUR 86.000,–.

Der von den Antragstellern begehrte Notweg führt von der zum öffentlichen Gut gehörenden Hauptstraße über den E*****-Weg in Richtung Südwesten (Grundstücke 833/3 sowie 841/1) und dann im rechten Winkel über das Grundstück 833/9 in Richtung Nordwesten, bis er dann beim südlichen Eck des Grundstücks 833/1 zum Grundstück 227 der Antragsteller führt.

Das Grundstück 833/9 liegt im Regelungsbereich eines Bebauungsplans („H*****“), nach dem die Errichtung einer Verkehrsfläche entlang der südwestlichen Grundstücksgrenze, wo der beantragte Notweg verlaufen würde, nicht vorgesehen ist. Dieser Bereich ist im Bebauungsplan als Freifläche [privat] ausgewiesen. Die Nutzung des Grundstücks 833/9 teils als Zufahrtsstraße stünde im Widerspruch zum Bebauungsplan. Ein Antrag auf Änderung des rechtskräftig verordneten Bebauungsplans wurde nicht gestellt.

Die Antragsteller begehrten nach Modifikation ihres Antrags, ihnen zur Verbindung der Grundstücke 225, 226 und 227 mit dem öffentlichen Straßennetz einen Notweg bestehend in der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art über die Grundstücke 833/3, 841/1, 833/9 (entlang der südwestlichen Grenze) und 833/1 einzuräumen. Der Erstantragsteller verfüge über keine rechtlich gesicherte, grundbücherlich eingetragene Zufahrt zu den im Flächenwidmungsplan als Bauland ausgewiesenen Grundstücken 226 und 227, weshalb er sein Vorhaben – Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Bauplatz dieser Grundstücke – mangels Erhalts einer Baubewilligung vorerst nicht realisieren könne. Der beantragte Notweg sei die einzige Möglichkeit, zu ihren Grundstücken zu kommen, um diese ordentlich benützen zu können. Sie nutzten seit mehr als dreißig Jahren einen im Eigentum des Erstantragsgegners und der Zweitantragsgegnerin stehenden, über deren Grundstücke führenden Zufahrtsweg und seien immer der Überzeugung gewesen, dass ihr Geh- und Fahrrecht über diesen Zufahrtsweg zu Recht bestehe. Mit der sich insbesondere aus dem Verfahren 1 C 77/08v des Erstgerichts ergebenden Eskalation hinsichtlich dieses Wegerechts hätten sie nicht rechnen können und müssen, sodass keine besonderen Umstände vorlägen, welche auf ihre auffallende Sorglosigkeit schließen ließen und der Einräumung eines Notwegs entgegenstünden. Eine andere Zufahrtsmöglichkeit bestehe nicht; sie hätten daher keine gesicherte Anbindung an das öffentliche Straßennetz. Überdies sei die beantragte Verbindung für die Liegenschaft des Erstantragsgegners und der Zweitantragsgegnerin am wenigsten belastend.

Der Erstantragsgegner und die Zweitantragsgegnerin sprachen sich unter Bekanntgabe des Umstands, dass außerbücherliche Eigentümerin des Grundstücks 833/1 nunmehr die Drittantragsgegnerin sei, gegen die Einräumung des von den Antragstellern begehrten Notwegs aus. Diese hätten nicht berücksichtigt, dass zur Erreichung des Grundstücks 833/1 über die Grundstücke 833/3 und 841/4, den so genannten E*****-Weg, zugefahren werden müsse. Diese Grundstücke stünden im Eigentum der Drittantragsgegnerin, die nicht bereit sei, den Antragstellern ein Servitutsrecht über diese Grundstücke einzuräumen. Mangels Berechtigung zur Befahrung des E*****-Wegs gebe der begehrte Notweg den Antragstellern nicht die Möglichkeit, zu ihrem Grundstück zuzufahren. Darüber hinaus hätten diese eine Zufahrtsmöglichkeit über eigenen Grund, weshalb ihnen schon deshalb ein Notwegerecht nicht zustehe.

Die Drittantragsgegnerin und die Siebt- bis Elftantragsgegner beantragten ebenfalls die Abweisung des Antrags auf Einräumung eines Notwegs.

Das Erstgericht wies das Begehren der Antragsteller auf Einräumung des begehrten Notwegs ab. Sollte in diesem Bereich eine Verkehrsfläche geschaffen werden, dann müsste der verordnete Bebauungsplan einem Änderungsverfahren unterzogen werden. Die beantragte Wegvariante sei daher undurchführbar, weil sie mit dem rechtskräftigen Bebauungsplan der Gemeinde im Widerspruch stehe, womit auch bei Einräumung eines Notwegs durch das Gericht ein Vorteil für die Antragsteller nicht erzielt werde, weil ihnen auch dann die Anlage eines solchen Wegs durch die Gemeinde verwehrt würde. Ein – mit dieser Wegvariante für die Antragsteller nicht erzielbarer – Vorteil sei nach § 2 NWG jedoch Voraussetzung für die Zuerkennung eines Notwegs. Das Erstgericht beurteilte (als nicht zum Vorteil der Antragsteller gereichend) auch noch zwei Notwegvarianten, die von den Antragstellern im erstgerichtlichen Verfahren aber nicht begehrt wurden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller Folge, hob den erstinstanzlichen Beschluss auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Rechtlich führte es – soweit für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz – aus, zwar möge der rechtskräftig verordnete Bebauungsplan bezüglich des Grundstücks 833/9, über das der beantragte Notweg verlaufen solle, derzeit eine Verkehrsfläche nicht vorsehen – und dies derzeit der Errichtung des beantragten Notwegs entgegenstehen –, jedoch könne „keineswegs jetzt schon davon ausgegangen werden, dass dieser Bebauungsplan bei entsprechender Antragstellung nicht im Sinne der Aufnahme einer dem Verkehr dienenden Fläche abgeändert würde“. Die von den Antragstellern gewählte Variante könne daher nicht schon jetzt abschließend als rechtlich unmöglich angesehen werden. Eine „solche Möglichkeit und Entscheidung der Marktgemeinde“ noch vor jeder Antragstellung zu einem Zeitpunkt, zu dem noch nicht beurteilbar sei, ob eine Abänderung nicht doch bewilligt würde, vorweg auszuschließen, müsste „zur ... unrichtigen rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes ... führen“. Im fortzusetzenden Verfahren habe das Erstgericht unter Befassung des gerichtlichen Sachverständigen eine neuerliche Entscheidung darüber zu treffen, „ob nicht allenfalls der Notwegvariante der Antragsteller, als den Bestimmungen der §§ 1 f NWG entsprechend, stattzugeben“ sei.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 iVm § 64 Abs 1 AußStrG zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, inwieweit ein rechtskräftig verordneter, keine Verkehrsflächen für „allenfalls“ von einem Notweg betroffene Grundstücke vorsehender Bebauungsplan der gerichtlichen Einräumung eines Notwegs entgegenstehe, nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Drittantragsgegnerin und den Siebt- bis Elftantragsgegnern erhobenen Revisionsrekurse, die jeweils von den Antragstellern beantwortet wurden, sind zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

1. Voranzustellen ist – nach Durchführung der mit dem Beschluss 1 Ob 156/12s aufgetragenen Erhebungen (Einvernahme des Zustellers und der Siebtantragsgegnerin) –, dass der von dieser am 29.05.2012 erhobene Revisionsrekurs rechtzeitig ist. Der zweitinstanzliche Beschluss wurde der Siebtantragsgegnerin am 10.05.2012 durch Hinterlegung zugestellt, weil sie an ihrer Wohnadresse nicht anzutreffen war. Die Siebtantragsgegnerin hielt sich zu dieser Zeit für rund drei Wochen durchgehend an ihrem Zweitwohnsitz auf, kehrte erst am 13.05.2012, einem Sonntag, an die Zustelladresse zurück und übernahm den Beschluss am darauffolgenden Tag.

Gemäß § 17 Abs 3 vierter Satz ZustG gelten hinterlegte Dokumente als nicht zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger (oder dessen Vertreter) wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte. Die Heilung bewirkt, dass die Rechtsmittelfrist erst mit dem Tag in Gang gesetzt wird, an dem nach Rückkehr an die Abgabestelle die Abholung des Schriftstücks möglich war, wobei es genügt, wenn ein voller Tag der Abholfrist übrig ist (RIS-Justiz RS0083966 [T4]; 8 Ob 12/12s). Die Siebtantragsgegnerin hat den hinterlegten Beschluss am 14. 5. 2012, dem erstmöglichen Termin behoben. An diesem Tag wurde die Zustellung wirksam und der Lauf der Revisionsrekursfrist in Gang gesetzt. Da der 28.05.2012 ein Feiertag (Pfingstmontag) war, hat sie den Revisionsrekurs am 29.05.2012 rechtzeitig erhoben (§ 9 Abs 3 NWG iVm § 23 Abs 1 AußStrG und § 126 Abs 2 ZPO).

Den von der Elftantragsgegnerin fristgerecht zur Post gegebenen Revisionsrekurs brachte ihre Rechtsvertreterin nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens durch das Erstgericht im Elektronischen Rechtsverkehr neuerlich ein.

2. Das über einen Notwegeantrag entscheidende Gericht ist nach § 12 Abs 2 NWG an den Antrag nicht gebunden, als es auch andere Liegenschaften in die Entscheidung einbeziehen kann, sofern sich dies als zweckmäßig erweist (RIS-Justiz RS0087835 [T2]). In diesem Fall kommt den Eigentümern jener Liegenschaften, die vom Gericht in das Notwegeverfahren einbezogen werden, Beteiligtenstellung zu. Die Verpflichtung des Gerichts zur amtswegigen Erhebung der für die Frage der Notwendigkeit des Notwegs und dessen Gestaltung maßgebenden Verhältnisse entfällt jedoch dann, wenn die Antragsteller eine in das Verfahren einbezogene, naheliegende Notwegvariante nicht berücksichtigen und auch nachträglich nicht in ihren Antrag aufnehmen (8 Ob 23/10f mwN = RIS-Justiz RS0087835 [T3]). Die Antragsteller haben zwei vom Erstgericht geprüfte Notwegvarianten nicht in ihren Antrag einbezogen, sondern den ursprünglich beantragten Verlauf beibehalten. Demnach kann (auch im Revisionsrekursverfahren) auf diese beiden Varianten selbst mit Rücksicht auf § 12 Abs 2 NWG nicht mehr Bedacht genommen werden (8 Ob 23/10f).

3.1. Nach dem materiellrechtlichen Verbot des § 4 Abs 3 NWG ist die Einräumung eines Notwegs ua über solche Grundstücke ausgeschlossen, „welche aus öffentlichen Rücksichten die Benützung als Notweg nicht gestatten“, und daher unzulässig (Hofmann in Rummel³ § 480 ABGB Rz 8).

3.2. Gemäß § 11 Abs 3 NWG hat das Gericht zur Frage, ob und inwieweit der Einräumung eines Notwegs öffentliche Rücksichten entgegenstehen (§ 4 Abs 3), eine Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Sprengel sich die notleidende Liegenschaft befindet, einzuholen und diese zur mündlichen Verhandlung zu laden. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat, wenn sie nicht selbst zur Wahrung der öffentlichen Rücksichten berufen ist, unverzüglich die zuständige Verwaltungsbehörde zu verständigen.

Der Verwaltungsbehörde obliegt eine Sachbeurteilung nach allen verwaltungsrechtlichen Gesichtspunkten, deren amtswegige Wahrung nach den Verfahrensregeln und Vollzugsklauseln der einzelnen Verwaltungsgesetze ihr selbst zugewiesen ist. Soweit sie nach ihrem Amtswissen den Verdacht hegt, die Belastung eines bestimmten, vom geltend gemachten Notwegeanspruch betroffenen Grundstücks könnte verwaltungsrechtliche Gesichtspunkte berühren, deren amtswegige Wahrnehmung nach den Verfahrensregeln und den Vollzugsklausen der einzelnen Verwaltungsgesetze anderen Behörden zugewiesen ist, hat sie diesen Behörden unverzüglich eine entsprechende Mitteilung zu machen (6 Ob 525/85 = RIS-Justiz RS0071300).

Entgegen der Ansicht der Antragsteller hat das Erstgericht die Vorgangsweise nach § 11 Abs 3 NWG eingehalten. Es stellte den verfahrenseinleitenden Antrag der Bezirkshauptmannschaft zu, ersuchte um eine Stellungnahme und lud sie zur nächsten Tagsatzung. Ein Mitarbeiter dieser Behörde erklärte daraufhin telefonisch, dass im vorliegenden Fall keine öffentlichen Rücksichten berührt erschienen. Zudem beauftragte das Erstgericht den gerichtlichen Sachverständigen mit der Einholung einer Auskunft der Gemeinde. Der Sachverständige fragte bei dieser an, ob die Errichtung einer privaten Zufahrtsstraße unmittelbar entlang der südwestlichen Grundstücksgrenze des Grundstücks 833/9 zulässig sei. Der Bürgermeister teilte daraufhin mit Schreiben vom 21.10.2010 mit, dass das Grundstück 833/9 im Regelungsbereich eines Bebauungsplans und die Errichtung einer Verkehrsfläche entlang der südwestlichen Grundstücksgrenze im Plan nicht vorgesehen sei; dementsprechend müsste bei Berücksichtigung einer Verkehrsfläche der Bebauungsplan einem Änderungsverfahren unterzogen werden. Diese Stellungnahme sowie die Anfrage des Sachverständigen sind Bestandteil des gerichtlichen Gutachtens, das den Parteien zugestellt wurde.

3.3. Die Erklärung der Bezirksverwaltungsbehörde oder einer anderen Verwaltungsbehörde ist für die Gerichtsentscheidung nicht bindend (6 Ob 525/85; 7 Ob 66/06s; RIS-Justiz RS0071303; ähnlich 4 Ob 214/99w = RIS-Justiz RS0054053 [T3]). Daraus folgt, dass das Vorliegen des Hindernisses öffentlicher Rücksichten iSd § 4 Abs 3 NWG im Notwegeverfahren vom Gericht selbstständig zu beurteilen ist.

3.4. Der erkennende Senat kann sich der Auffassung der zweiten Instanz, allein der Umstand, dass durch einen gültigen Bebauungsplan eine mit dem geplanten Notweg (anscheinend) nicht im Einklang stehende Widmung der dafür beanspruchten Grundstücke verordnet wurde, verwirkliche „öffentliche Rücksichten“ im Sinn des § 4 Abs 3 NWG, die deren Benützung als Notweg nicht gestatten, nicht anschließen. Zwar wird auch vertreten, dass zu den (nach der Entscheidung 6 Ob 525/85) von der Verwaltungsbehörde zu prüfenden verwaltungsrechtlichen Gesichtspunkten auch solche der Raumplanung zählten (Egglmeier-Schmolke in Schwimann/Kodek, ABGB4 zu § 8 NWG [Verfahren] Rz 4, allerdings ohne nähere Ausführungen dazu). Derartige „öffentliche Rücksichten“ könnten einem Notweg beispielsweise entgegenstehen, wenn er über Grundstücke mit einem erhaltungswürdigen Biotop verliefe oder deren Benützung als Kinderspielplatz oder Park beeinträchtigte, wenn solche im Interesse der Öffentlichkeit gelegenen Einrichtungen nicht an eine andere Stelle in der Nähe verlegt werden könnten. Die bloße Festlegung der beanspruchten Flächen als „Freifläche“ (und nicht als „Verkehrsanlage“) im Bebauungsplan bedeutet dagegen noch kein Hindernis nach § 4 Abs 3 NWG. Bebauungspläne sind ja keineswegs unabänderlich (s Punkt 3.6.). Davon gehen zu Recht sowohl die Gemeinde in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Sachverständigen als auch das Rekursgericht aus. Daher ist es für die Entscheidung nicht wesentlich, ob der aktuelle Bebauungsplan einer Nutzung der beanspruchten Flächen als Notweg entgegensteht.

3.5. Der maßgebliche Bebauungsplan wurde von der Gemeinde im Jahr 2005 auf der Grundlage des damals geltenden Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl 1974/127 idgF (Stmk ROG 1974), erlassen. Nach § 27 Abs 1 und 6 leg cit hatte jede Gemeinde nach Inkrafttreten des Flächenwidmungsplans mit der Bebauungsplanung zu beginnen und durch Verordnung für die Teile des Baulands, für die sie erforderlich sind, Bebauungspläne zu erlassen. Mit der Bebauungsplanung war eine den Raumordnungsgrundsätzen entsprechende Entwicklung der Struktur und Gestaltung des im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes anzustreben (§ 28 Abs 1 Stmk ROG 1974). Nach § 28 Abs 2 leg cit waren in den Bebauungsplänen jedenfalls 1. die Bebauung mit den Bebauungsweisen und dem Maß der baulichen Nutzung, 2. die Verkehrsanlagen, 3. die öffentlichen Flächen und Anlagen und 4. die Freiflächen festzulegen.

Im genannten Bebauungsplan ist nun die Fläche entlang der südwestlichen Grundstücksgrenze des Grundstücks 833/9, über die der beantragte Notweg führen soll, als Freifläche [privat] ausgewiesen. Das Stmk ROG 1974 enthielt - ebenso wie das am 1. 7. 2010 in Kraft getretene Steiermärkische Raumordnungsgesetz 2010, LGBl 2010/49 idgF [StROG] - keine Definition des Begriffs „Freifläche“ (vgl Hauer/Trippl, Steiermärkisches Baurecht4 [2004] § 28 ROG Anm 4). Nach § 28 Abs 2 Z 4 Stmk ROG 1974 sind Freiflächen jedenfalls von der „Bebauung“, den Verkehrsanlagen und den öffentlichen Flächen zu unterscheiden. Im StROG werden die Freiflächen insbesondere den privaten Verkehrsflächen und Grundstückszufahrten gegenübergestellt und damit von diesen abgegrenzt (§ 41 Abs 1 Z 2 lit d und e; § 41 Abs 2 Z 1 und 8). Klar scheint, dass Bebauungspläne durch die Festlegung von Freiflächen die Bebaubarkeit ausschließen können (Kanonier, Naturgefahren und Gefährdungsbereiche in den Raumordnungsgesetzen der Bundesländer, bbl 2005, 51 [66 FN 84]; Kleewein, Das Steiermärkische Raumordnungsgesetz 2010, bbl 2011, 1 [16]).

3.6. Ein Anlassfall für die Änderung des Bebauungsplans liegt nach § 40 Abs 8 StROG etwa schon bei einem Ansuchen um Erstellung eines Bebauungsplans vor, allerdings nur, nachdem alle „Vorfragen“ geklärt sind. Die Erläuternden Bemerkungen zu diesem Gesetz (Frank/Fischer/Teschinegg/Skalicki, Raumordnungsrecht und Bauvorschriften für das Land Steiermark² [2011], 100; proLibris Verlagsgesellschaft, Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 2010 [2011], 107 f) führen zwar nicht aus, welche „Vorfragen“ geklärt sein müssten, damit die 18-monatige Frist zur Erstellung oder Änderung des Bebauungsplans zu laufen beginnt. Für die zu lösende Rechtsfrage reicht es aber aus festzuhalten, dass jeder Bebauungsplan auch wieder geändert werden kann (vgl auch § 27 Abs 3 Stmk ROG 1974).

3.7. Von Bedeutung ist weiters, dass es allein Sache der Baubehörden ist, zu prüfen, ob es einer Baubewilligung für die von den Antragstellern geplante, im vorliegenden Verfahren gar nicht näher beschriebene Ausgestaltung des angestrebten Notwegs (in Form einer „zu errichtenden Weganlage“) bedarf und ob eine solche zu erteilen ist. Die Verwaltungsbehörden sind dabei an die (rein privatrechtliche: VfGH 15. 6. 1993 VfSlg 13.440 [„bürgerlich-rechtlicher Anspruch“]) Einräumung eines Notwegs keinesfalls in dem Sinn gebunden, dass sie auf jeden Fall eine (erforderliche) Baubewilligung für die bauliche Gestaltung des Notwegs erteilen müssten. Ob die Erteilung einer Baubewilligung (sofern nötig) wahrscheinlich ist, ist andererseits keine Vorfrage, die vom Gericht im Notwegverfahren nach § 4 Abs 3 vierter Fall NWG zu prüfen wäre. Ob ein Antrag jedenfalls abzuweisen wäre, stünde bereits fest, dass ein vom Antragsteller in einer baulich bestimmten Form (etwa als asphaltierte Straße) angestrebter Bau eines Notwegs aufgrund nachvollziehbarer Erwägungen der zuständigen Baubehörde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die nach den baurechtlichen Normen erforderliche Bewilligung nicht erhalten würde, ist nicht zu prüfen, weil ein solcher Fall hier nicht vorliegt.

Es bedarf daher keiner weiteren Überlegungen darüber, ob rechtskräftig erlassene (Flächenwidmungs- oder Bebauungs-)Pläne für die Bürger unmittelbar geltende Verhaltensregeln setzen oder ob aus dem (hier maßgeblichen) Stmk ROG 1974 abzuleiten ist, dass diese Pläne direkt nur die Gemeindebehörden binden. Schließlich ordnet § 32 Abs 1 Stmk ROG 1974 nur an, dass Verordnungen und Bescheide der Gemeinde aufgrund von Landesgesetzen (nach Hauer/Trippl aaO,§ 32 Anm 2 insbesondere Baubewilligungen) einem Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan oder Bebauungsrichtlinien nicht widersprechen dürfen (vgl jetzt auch § 8 Abs 2 StROG). Ausdrückliche Verhaltensregeln (insbesondere Benützungsverbote) für Einzelne enthalten Bebauungspläne nach dem stmk Raumordnungsrecht (abgesehen von der für die zu beurteilenden Fragen nicht maßgeblichen Anordnung des § 40 Abs 3 iVm zB § 41 Abs 2 Z 8 [Pflanzgebot] StROG) nicht.

3.8. Entgegen der Ansicht der zweiten Instanz ist es daher für die zu fällende Entscheidung nicht wesentlich, ob bis dahin bereits eine Änderung des verordneten Bebauungsplans erfolgt ist. Damit kann dahinstehen, ob die Antragsteller lediglich die Änderung des Bebauungsplans anregen können oder auch – noch dazu hinsichtlich eines fremden Grundstücks – ein Antragsrecht haben.

Zusammengefasst ergibt sich demnach, dass die Einräumung eines Notwegs nicht schon dann nach § 4 Abs 3 4. Fall NWG zu versagen ist, wenn der geltende Bebauungsplan für ein betroffenes Grundstück keine einem solchen Weg ausdrücklich entsprechende Festlegung vorsieht.

3.9. Ist demnach vom Vorliegen eines Hindernisses im Sinn des § 4 Abs 3 vierter Fall NWG nicht auszugehen, wurde aber das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für die Einräumung des beantragten Notwegs nach den §§ 1 ff NWG bisher nicht geprüft, so hat das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichts im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Da der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren nicht Tatsacheninstanz ist (RIS-Justiz RS0007236 [T2]) und er die Ansicht des Rekursgericht insofern teilt, kann er dessen Aufträgen an die erste Instanz nicht entgegentreten (RIS-Justiz RS0006737; RS0043414 [T7, T13, T15]).

4. Aus den zu 3. dargestellten Erwägungen kann somit den Revisionsrekursen kein Erfolg beschieden sein.

5. Die Entscheidung über die Kosten der Antragsteller im Revisionsrekursverfahren gründet sich auf § 25 Abs 1 NWG idF des AußStr-BegleitG, der Kostenvorbehalt in Ansehung der Revisionsrekurse auf § 78 Abs 1 zweiter Satz AußStrG. In Verfahren über die Einräumung (oder Erweiterung) von Notwegen kommt ausnahmslos nur noch eine Kostenersatzpflicht der Eigentümer des notleidenden Grundstücks, hier also der Antragsteller, in Betracht (RIS-Justiz RS0071335 [T3]; zuletzt 1 Ob 156/12s). Ein Kostenzuspruch an diese ist somit generell ausgeschlossen (3 Ob 76/08k; 1 Ob 156/12s).

Leitsätze