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WEKA (aga) | News | 28.02.2012

Unterhaltsbemessungsgrundlage: Privatentnahmen eines Unternehmers

Privatentnahmen eines Unternehmers sind in der Regel bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen. Eine Hinzurechnung kann aber nur dann erfolgen, wenn tatsächlich Vermögen vorhanden ist.

Bemessungsgrundlage für die Unterhaltsverpflichtung

Bemessungsgrundlage für die Unterhaltsverpflichtung ist die Summe aller tatsächlichen in Geld oder geldwerten Leistungen erzielten Einkünfte, über die der Unterhaltspflichtige verfügen kann. Beim selbstständig Erwerbstätigen ist daher nicht der steuerliche Reingewinn maßgebend, sondern der tatsächlich verbleibende (6 Ob 119/98p).

Privatentnahmen

Bezieht der Unterhaltspflichtige sein Einkommen teilweise aus Einkünften aus selbstständiger und teilweise aus unselbständiger Tätigkeit und erhöht er das aus dem Reingewinn seines Unternehmens resultierende Einkommen durch Privatentnahmen, liegt darin eine Gestaltung der Lebensverhältnisse, an der auch seine Unterhaltspflichten zu messen sind.

Privatentnahmen sind daher bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen (1 Ob 257/09i). Ein solches Verhalten zur Befriedigung eigener Bedürfnisse stellt eine privatautonome Gestaltung der Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen dar, an denen auch die angemessenen Bedürfnisse seiner Kinder zu messen sind.

Eine Hinzurechnung zur Unterhaltsbemessungsgrundlage kann aber grundsätzlich nur dann erfolgen, wenn tatsächlich Vermögen vorhanden ist, das „flüssig“ gemacht werden kann, nicht aber dann, wenn die Erhöhung der liquiden Mittel für die Bestreitung des Lebensbedarfs durch das Eingehen von Schulden finanziert wird.

Sicherung und Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz

Werden Privatentnahmen der privaten Lebensführung zugeführt, sind sie der Unterhaltsbemessung zugrundezulegen. Soweit sie dagegen der Sicherung und Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz des Unterhaltspflichtigen dienen oder sonstige betriebliche Aufwendungen darstellen, vermindern sie wie sonstige Betriebsausgaben die Unterhaltsbemessungsgrundlage (6 Ob 119/98p).
Greift der Unterhaltspflichtige sein Vermögen an, um damit die Kosten der von ihm gewählten Lebensführung zu decken, ist insoweit auch das Vermögen in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.

Kontoüberziehung, Privatkredit

Aus der Überziehung eines Girokontos oder aus einem Privatkredit „lukrierte“ Einnahmen eines Unselbstständigen sind aber nicht mit Privatentnahmen eines selbstständig Erwerbstätigen gleichzusetzen, mit denen der Stamm des Vermögens (nämlich die Unternehmenssubstanz) angegriffen wird (2 Ob 224/08t).

Beträge aus einer solchen Kontoüberziehung bzw einem Privatkredit sind daher grundsätzlich ebenso wenig in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, wie die spätere Rückführung dieser Beträge eine die Unterhaltsbemessungsgrundlage verringernde Abzugspost darstellt.

Auch Privatentnahmen eines selbständig Erwerbstätigen aus seinem Unternehmen, die durch eine Erhöhung der Bankverbindlichkeiten des Unternehmens finanziert werden, sind nur solange ein Eingriff in die Vermögenssubstanz des Unternehmens, als der Erhöhung der Bankverbindlichkeiten ein Vermögen gegenübersteht. Ist dies nicht (mehr) der Fall, ist die Situation gleich wie jene des (vermögenslosen) unselbständig Erwerbstätigen, der seinen Lebensunterhalt durch Überziehung seines Girokontos oder Aufnahme eines Privatkredits finanziert. In beiden Fällen ist mangels gegenüberstehenden Vermögens ein Eingriff in die Vermögenssubstanz nicht (mehr) möglich.
Umgekehrt wird auch beim unselbständig Erwerbstätigen, der über Vermögen verfügt, aber statt dieses anzugreifen einen Privatkredit aufnimmt, in unterhaltsrechtlicher Sicht ein Eingriff in seine Vermögenssubstanz vorliegen und daher ein derartiger Mittelzufluss der Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzuzurechnen sein (OGH 2Ob115/11t, 29.09.2011)