17.10.2022 | Arbeitssicherheit & Brandschutz | ID: 1124649

Nachtarbeit – eine besondere Belastung für Arbeitnehmer/innen

Johann Schöffthaler

Gastautor Johann Schöffthaler, BA MA, erläutert die rechtlichen Rahmenbedingungen für Nachtarbeit gemäß der EU-Richtline und dem Arbeitszeitgesetz sowie die Probleme dazu in der Praxis.

Rechtliche Bestimmungen

Für Nachtarbeit gelten Großteils dieselben Arbeitszeitbestimmungen wie für Arbeit am Tag, insbesondere die Aufzeichnung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit. Nachtarbeit erfolgt naturgemäß oft in Schichtbetrieben.

Nachtarbeit stellt eine besondere Belastung dar, deshalb gibt es viele Regelungen in Kollektivverträgen wie zB Zuschläge, weitere Erholungsmöglichkeiten, etc., aber ebenso gesetzliche wie zB Versetzungsschutz, Recht auf Information, Recht auf Untersuchung, usw.

Die Rechtsgrundlage bildet hier die Charta der Grundrechte der europäischen Union gemäß Artikel 31, wonach gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen folgend definiert sind:

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen.

(2) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub.

EU-Richtlinie – Regelungen zur Nachtarbeit

Die Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist eine Richtlinie der europäischen Gemeinschaft, die die Arbeitszeitgestaltung innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes regelt. Folgend die Regelungen bzgl Nachtarbeit:

Art 8 („Dauer der Nachtarbeit“) der Richtlinie 2003/88 lautet:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit:

  1. die normale Arbeitszeit für Nachtarbeiter im Durchschnitt acht Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum nicht überschreitet;
  2. Nachtarbeiter, deren Arbeit mit besonderen Gefahren oder einer erheblichen körperlichen oder geistigen Anspannung verbunden ist, in einem 24-Stunden-Zeitraum, während dessen sie Nachtarbeit verrichten, nicht mehr als acht Stunden arbeiten.

Zum Zweck von Buchstabe b) wird im Rahmen von einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten oder von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern festgelegt, welche Arbeit unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Nachtarbeit und der ihr eigenen Risiken mit besonderen Gefahren oder einer erheblichen körperlichen und geistigen Anspannung verbunden ist.“

Art 10 („Garantien für Arbeit während der Nachtzeit“) der Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten können die Arbeit bestimmter Gruppen von Nachtarbeitern, die im Zusammenhang mit der Arbeit während der Nachtzeit einem Sicherheits- oder Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind, nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten von bestimmten Garantien abhängig machen.“

Art 11 („Unterrichtung bei regelmäßiger Inanspruchnahme von Nachtarbeitern“) der Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit der Arbeitgeber bei regelmäßiger Inanspruchnahme von Nachtarbeitern die zuständigen Behörden auf Ersuchen davon in Kenntnis setzt.“

Art 12 („Sicherheits- und Gesundheitsschutz“) der Richtlinie 2003/88 lautet:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit:

  1. Nacht- und Schichtarbeitern hinsichtlich Sicherheit und Gesundheit in einem Maß Schutz zuteil wird, dass der Art ihrer Arbeit Rechnung trägt;
  2. die zur Sicherheit und zum Schutz der Gesundheit von Nacht- und Schichtarbeitern gebotenen Schutz- und Vorsorgeleistungen oder ‑mittel denen für die übrigen Arbeitnehmer entsprechen und jederzeit vorhanden sind.“

Art 13 („Arbeitsrhythmus“) dieser Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit ein Arbeitgeber, der beabsichtigt, die Arbeit nach einem bestimmten Rhythmus zu gestalten, dem allgemeinen Grundsatz Rechnung trägt, dass die Arbeitsgestaltung dem Menschen angepasst sein muss, insbesondere im Hinblick auf die Verringerung der eintönigen Arbeit und des maschinenbestimmten Arbeitsrhythmus, nach Maßgabe der Art der Tätigkeit und der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes, insbesondere was die Pausen während der Arbeitszeit betrifft.“

Regelungen in Ö im Arbeitszeitgesetz

Im Arbeitszeitgesetz wird bzgl Nachtarbeit folgend vorgeschrieben:

§ 12a. (1) Als Nacht im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt die Zeit zwischen 22.00 Uhr und 05.00 Uhr.

(2) Nachtarbeitnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Arbeitnehmer, die

  1. regelmäßig oder
  2. sofern der Kollektivvertrag nicht anderes vorsieht, in mindestens 48 Nächten im Kalenderjahr während der Nacht mindestens drei Stunden arbeiten.

(3) Nachtschwerarbeiter im Sinne dieses Abschnittes sind Nachtarbeitnehmer, die Nachtarbeit im Sinne des Abs 1 unter den in Art VII Abs 2 oder 4, einer Verordnung nach Art VII Abs 3 oder eines Kollektivvertrages gemäß Art VII Abs 6 NSchG genannten Bedingungen leisten.

(4) Beträgt in den Fällen der Arbeitsbereitschaft gemäß § 5 die durchschnittliche tägliche Normalarbeitszeit der Nachtarbeitnehmer innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 26 Wochen mehr als acht Stunden, so gebühren zusätzliche Ruhezeiten. Von der Summe aller Überschreitungen abzüglich der Summe aller Unterschreitungen der täglichen Normalarbeitszeit von acht Stunden im Durchrechnungszeitraum sind insgesamt zwei Drittel als zusätzliche Ruhezeiten zu gewähren.

(5) Soweit nach diesem Bundesgesetz eine Tagesarbeitszeit von mehr als acht Stunden zulässig ist, darf für Nachtschwerarbeiter die durchschnittliche Arbeitszeit an Nachtarbeitstagen innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 26 Wochen einschließlich der Überstunden acht Stunden nur dann überschreiten, wenn dies durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung zugelassen wird. In diesen Fällen gebühren zusätzliche Ruhezeiten im Gesamtausmaß der Summe aller Überschreitungen abzüglich der Summe aller Unterschreitungen der Tagesarbeitszeit von acht Stunden an Nachtarbeitstagen im Durchrechnungszeitraum.

(6) Soweit die zusätzlichen Ruhezeiten nach Abs 4 und 5 nicht bereits während des Durchrechnungszeitraumes gewährt werden, sind die zusätzlichen Ruhezeiten bis zum Ablauf von vier Kalenderwochen nach Ende des Durchrechnungszeitraumes, bei Schichtarbeit bis zum Ende des nächstfolgenden Schichtturnusses, zu gewähren. Jede zusätzliche Ruhezeit hat mindestens zwölf Stunden zu betragen und kann in Zusammenhang mit einer täglichen Ruhezeit nach § 12 oder einer wöchentlichen Ruhezeit nach dem Arbeitsruhegesetz, BGBl Nr 144/1983, gewährt werden.

Regelmäßigkeit gemäß § 12a Abs 2 Z 1 AZG bedeutet, dass im Rahmen der Arbeitszeiteinteilung Nachtarbeit gleichsam zur Normalität gehört, das heißt, dass sie wenn auch in nicht gleichen, so doch in nicht allzu langen Abständen immer wieder auftritt.

Probleme in der Praxis

Probleme, die in der Vergangenheit immer wieder schlagend werden, sind:

  1. dass ein Schichtplan die tatsächlich geleistete Arbeitszeit darstellen kann, in 90 % der Betriebe dies aber nicht der Fall ist (Stichwort „Weg- und Umziehzeiten“). Somit kommt es oft zu systematischen Überschreitungen der Arbeitszeitgrenzen, welche hinsichtlich der Nachtarbeit strenger auszulegen sind, da es hier um eine besondere Belastung geht.
  2. Nachtarbeitnehmer/innen unterschätzen – gerade in jungen Jahren – häufig die negativen Einflüsse der regelmäßigen Nachtarbeit auf ihre weitere gesundheitliche Entwicklung und würden sich dementsprechend in vielen Fällen – weil sie sich zB gerade in der Phase der Existenzgründung die zusätzliche Verdienstmöglichkeit der Überstundenarbeit nicht nehmen lassen wollen – gegen ein Verbot regelmäßiger oder häufiger Überstundenarbeit für Nachtarbeitnehmer/innen wehren. Aber auch ohne Überstundenarbeit gibt es Arbeitszeitmodelle, die der europäischen Vorgabe des durchschnittlichen 8-Stunden-Tages für Nachtarbeitnehmer/innen im Normalfall nicht entsprechen. Bei einer regelmäßigen Verteilung der Normalarbeitszeit auf vier 10-Stunden-Tage pro Woche dauert der durchschnittliche Arbeitstag des oder der Nachtarbeitnehmerin 10 und nicht 8 Stunden. Die Verdichtung der Arbeitszeit auf eine 4-Tage-Woche entspricht aufgrund der 3-tägigen Wochenfreizeit einem Bedürfnis der Arbeitnehmer/innen, weshalb auch hier massive Arbeitnehmer/inneninteressen in Konflikt mit der Vorgabe der Richtlinie stehen.

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