04.09.2020 | Arbeitssicherheit & Brandschutz | ID: 1071562

Wann sind Erfrierungen ein Unfall? - Aktuelle OGH-Entscheidung

WEKA (asc)

Erfrierungen an den Händen nach einer mehrstündigen Schicht mit ungeeigneter Schutzkleidung - ein Unfall? Lesen Sie in unserem Beitrag, wie der OGH dazu entschieden hat (7 Ob 66/20m vom 24. April 2020).

Der Kläger arbeitete als Kommissionierer in einer Tiefkühlanlage. Er erlitt während einer fünfstündigen Nachtschicht im Jänner 2018 Erfrierungen an den Fingern. Er trug zwar unbeschädigte Schutzkleidung, diese sei seiner Meinung nach allerdings ungeeignet gewesen. Nun forderte er von seiner privaten Unfallversicherung eine Leistung, da es sich nach seiner Auffassung um einen Unfall gehandelt habe.

Der Unfallbegriff

Ein Unfall wird in den Versicherungsbedingungen als plötzlich von außen auf den Körper des Versicherten wirkendes Ereignis definiert, durch das dieser unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.

Um einen Unfall zu erleiden, gehöre das Unerwartete und Unentrinnbare, so der OGH in seiner rechtlichen Beurteilung. Der Vorfall müsse in einem sehr kurzen Zeitraum unerwartet auftreten, so dass sich das Opfer den Folgen nicht mehr entziehen kann.

Zwar können auch allmählich eintretende Ereignisse unter den Begriff „Unfall“ fallen, so der OGH, jedoch vorausgesetzt, dass sie für den Versicherungsnehmer unerwartet und unvorhergesehen waren, er demnach objektiv keinen Grund hatte, damit zu rechnen und ihnen nicht entgehen konnte.

Grundsätzlich gehöre auch eine zumindest geringfügige Verletzung des Versicherten (Beeinträchtigung der körperlichen Integrität) zum Vorliegen eines Unfalls.

Ein plötzlich von außen einwirkendes Ereignis das zwar nicht direkt zu einer Verletzung führe, den Versicherungsnehmer aber in eine hilflose Lage versetze, die zumindest mitursächlich für einen relevanten Gesundheitsschaden sei, wäre ebenfalls als Unfall zu werten.

Erfrierungen als Unfall?

Da Erfrierungen nicht plötzlich auftreten, stellten sie zwar Gesundheitsschädigungen dar, normalerweise aber keine Unfallereignisse, so der OGH. Sie könnten nur dann unter Versicherungsschutz fallen, wenn sie durch ein Unfallereignis verursacht wurden.

Die Vorinstanzen hatten die Erfrierungen des Klägers aufgrund der mehrstündigen Einwirkungen der Kälte auf seinen Körper als Gesundheitsschädigung, nicht aber als Unfall bewertet; dies wurde von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung bestätigt.

Da keine Verletzung des Klägers vorlag, habe es sich auch nicht um ein Unfallereignis gehandelt, das die Erfrierungen verursachte. Außerdem habe er sich auch nicht in einer unentrinnbaren Lage befunden, die zumindest mitursächlich für den Gesundheitsschaden wäre. Der OGH wies somit die Revision zurück.

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