01.02.2021 | Bau & Immobilien | ID: 1082760

Raumdesinfektion gegen Corona-Viren?

Dieter Werner

Immer öfter liest man in den Medien über innovative Unternehmen, die im Kampf gegen die mit SARS-CoV-2 belastete Raumluft vernebelnde Raumdesinfektion mit neu entwickelten – manchmal sogar biologisch abbaubaren – Produkten anbieten. Was ist da dran?

Waren vor der Corona-Pandemie einige wenige Anbieter*innen von Vernebelungsmethoden in Österreich unterwegs, so wuchsen in den letzten Monaten Firmen und Expert*innen zur Raumdesinfektion als Schutz vor Corona-Viren wie die berühmten Schwammerl (keine Schimmelpilze!) aus dem Boden. Manche desinfizieren Raumluft mit keimtötenden Chemikalien, wobei dazu oft Substanzen wie Ozon oder Wasserstoffperoxid herhalten müssen, andere bestrahlen Räume mit UV-Licht, weitere rüsten alle Oberflächen im Raum mit so genannten „aktiven“ Metallen aus.

Vorsicht bei Raumdesinfektionen

Die wichtigste Botschaft vorweg: Raumdesinfektionen sind im Zusammenhang mit Corona-Viren außerhalb spezieller Bereiche wie zum Beispiel in Krankenhäusern oder in sensiblen Labors nicht nur bedeutungslos, sie haben oft das Potenzial die in den Räumen lebenden/arbeitenden Menschen zu schädigen.

Warum? 

  • Eine homogene Durchmischung von Raumluft sowie eine Desinfektion bis zum letzten Raumwinkel ist nicht gesichert.
  • Selbst wenn das verwendete Desinfektionsmittel in ausreichender Menge in die Luft abgegeben wird, ist noch lange nicht gesichert, dass auch bei den Viren die ausreichende Menge ankommt, da etwa Schmutz, Staub, Oberflächen die Chemikalien absorbieren.
  • Die Desinfektionswirkung in der Raumluft ist nicht normativ und belastbar zu überprüfen.
  • Nicht zuletzt: Die eingesetzten Chemikalien wirken nicht nur auf Viren, sondern auch auf uns Menschen. Reichern sich die Chemikalien in der Raumluft an und werden von Menschen eingeatmet, so ist eine Schädigung der Atemwege nicht auszuschließen.

Praxistipp

Für eine erste Einschätzung, ob ein Ihnen angebotenes Produkt auch das hält, was von ihm versprochen wird, hilft in Österreich ein Blick in das Expertisenverzeichnis der Österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin (ÖGHMP). Es enthält Stoffe und Verfahren, die hygienischen und mikrobiologischen Zwecken des Infektionsschutzes im Gesundheitswesen, aber auch in öffentlichen Bereichen (z.B. Bildungseinrichtungen, Lebensmittelbereich) dienen. Derzeit ist in dieser Liste kein einziges Produkt oder Verfahren für den Bereich der „Raumdesinfektion“ gelistet!

Anmerkung: Es besteht für Hersteller*innen keine gesetzliche Verpflichtung, sich in diese Liste eintragen zu lassen.

Fazit

Das Resümee somit: Finger weg vom permanenten Versprühen und Vernebeln von Räumen, in denen sich Menschen aufhalten. Die Risiken überwiegen ganz klar den Nutzen. Auch wenn es schon niemand mehr hören oder lesen kann: Die besten Ratschläge zur Risikoverminderung einer Virenübertragung in Innenräumen bei hoher Personenbelegung sind immer noch jene: Abstand halten – vermehrtes Händewaschen – Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes – vermehrte Oberflächenreinigung mit handelsüblichen Mitteln – vermehrtes Lüften von Räumen.

Weiterführende Informationen bieten beispielsweise:

Arbeitskreis Innenraumluft im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK)

Österreichische Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin