30.10.2020 | Ehe- und Familienrecht | ID: 1076583

Anerkennung und Vollstreckungserklärung ausländischer Obsorge- oder Kontaktrechtsentscheidungen

Barbara Briefer - Stanislava Doganova

Bei der Anerkennung von ausländischen Entscheidungen ist in der Beratungspraxis va darauf zu achten, aus welchem Land eine derart zu vollstreckende Entscheidung stammt. In diesem Beitrag erhalten Sie wichtige rechtliche Informationen zum Thema.

Grundsätzliches 

Wie auch bei der Anerkennung von ausländischen Entscheidungen über den Bestand einer Ehe ist in Zusammenhang mit der Vollstreckbarerklärung von ausländischen Entscheidungen über die Regelung der Obsorge und das Recht auf persönlichen Kontakt in der Beratungspraxis zunächst va darauf zu achten, aus welchem Land eine derart zu vollstreckende Entscheidung überhaupt stammt, da auch hier unterschiedliche rechtliche Grundlagen infrage kommen können. In Anbetracht der größeren Zahl an infrage kommenden multilateralen Abkommen und deren Verhältnis zueinander erweist sich die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Entscheidungen über die Obsorge und das Kontaktrecht als kasuistischer und leider als schwieriger zu überschauen als die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen.

Zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks) kommt jedenfalls eine Vollstreckbarerklärung wie auch in Zusammenhang mit der Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen (nur) auf Basis der Brüssel IIa-VO infrage.

Darüber hinaus sind für Österreich das Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 05.10.1961 (MSA), das Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996 (KSÜ) und das Europäische (Luxemburger) Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses vom 20.05.1980 (ESÜ) maßgeblich.

Bilaterale Abkommen bestehen darüber hinaus mit Liechtenstein, der Schweiz, Tunesien und der Türkei.

So eine Vollstreckung nicht auf diesen Grundlagen infrage kommt, ist auf §§ 112–114 AußStrG abzustellen (§ 116 AußStrG), welche die Vollstreckbarerklärung nach autonomem österreichischen Recht regeln.

Die (fakultative) Anerkennung oder Nichtanerkennung von gerichtlichen Entscheidungen über die Regelung der Obsorge und des Rechts auf persönliche Kontakte erfolgt unter sinngemäßer Anwendung der §§ 112–114 AußStrG (§ 115 AußStrG).

Anerkennung und Vollstreckung nach der Brüssel IIa-VO

Räumlich umfasst sind von der Brüssel IIa-VO auch, was Entscheidungen über die Obsorge und Kontaktrechte anlangt, solche aus sämtlichen Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme Dänemarks. Dänemark gilt auch hier iSd Brüssel IIa-VO als Drittstaat.

Umfasst sind weiters auch die französischen Überseegebiete (Guadeloupe, Französisch-Guyana, Martinique, Réunion, Saint Barthélmy, Saint Martin und Mayotte), die Azoren und Madeira, die Kanarischen Inseln, die Balearen sowie die afrikanischen Enklaven Ceuta und Mellila, Gibraltar und die Alandinseln sowie auch der türkisch besetze Teil Zyperns. Andere Überseegebiete oder Territorien sind nicht einbezogen.

Was den zeitlichen Anwendungsbereich anlangt, so ist die VO jedenfalls anzuwenden, wenn das Verfahren nach dem 01.03.2005 (bzw 01.01.2007 für Rumänien und Bulgarien sowie 01.07.2013 für Kroatien) eingeleitet wurde. In Ansehung von Verfahren, die vor dem 01.03.2005 eingeleitet wurden, gelten bestimmte Übergangsvorschriften (vgl Art 64 Brüssel IIa-VO).

Zudem ist zu berücksichtigen, dass nur solche Entscheidungen nach der Brüssel IIa-VO für vollstreckbar erklärt bzw anerkannt werden können, die nach dem Beitritt des Mitgliedstaates, aus dem sie stammt, ergangen sind. Vor diesem Zeitpunkt ergangene Entscheidungen können nicht unter die Brüssel IIa-VO fallen (6 Ob 96/11b) und kann eine Vollstreckbarerklärung und Anerkennung nur nach einem allenfalls bestehenden völkerrechtlichen Vertrag oder nach §§ 112–115 AußStrG erfolgen.

Anerkennung und Vollstreckung nach dem KSÜ 

Das Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (KSÜ) ist für Österreich am 01.04.2011 in Kraft getreten und ist auf Maßnahmen anzuwenden, die in einem Staat getroffen werden, nachdem das Übereinkommen für diesen Staat in Kraft getreten ist (Art 53 Abs 2 KSÜ).

Auf Maßnahmen, welche vor dem Inkrafttreten des KSÜ zwischen Österreich und anderen Vertragsstaaten ergangen sind, können nach Art 51 iVm Art 53 KSÜ die Bestimmungen über die Anerkennung nach dem MSA herangezogen werden (Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht 2017² Rz 08.116).

Die vom KSÜ umfassten Maßnahmen beziehen sich insbesondere auf die Zuweisung, die Ausübung und die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Verantwortung sowie deren Übertragung, das Sorgerecht sowie das Recht auf persönlichen Kontakt oder die Vormundschaft (vgl Art 3 KSÜ).

Anerkennung und Vollstreckung nach dem MSA 

Für Österreich ist das Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (MSA) mit 11.05.1975 in Kraft getreten, hat jedoch nur noch einen äußerst eingeschränkten Anwendungsbereich, nachdem es zwischen den Mitgliedstaaten der EU von der Brüssel IIa-VO und darüber hinaus auch vom KSÜ verdrängt wird.

IdS kommt eine Anwendung der Anerkennungsvorschriften nach dem MSA nur noch für Macao sowie für Maßnahmen infrage, die nach seinem Inkrafttreten (Art 17 MSA) und vor dem Inkrafttreten des KSÜ zu anderen Vertragsstaaten ergangen sind (Art 51 iVm Art 53 KSÜ).

Gem Art 7 S 1 MSA sind die Maßnahmen, welche die nach den Vorschriften des MSA zuständigen Behörden getroffen haben, grundsätzlich in allen Vertragsstaaten anzuerkennen.

Anerkennung und Vollstreckung nach dem ESÜ 

Das Europäische (Luxemburger) Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses (ESÜ) ist für Österreich am 01.08.1985 in Kraft getreten, hat jedoch gleichfalls nur noch einen sehr eingeschränkten Anwendungsbereich, nachdem es von der Brüssel IIa-VO grundsätzlich verdrängt wird (Art 60 lit d Brüssel IIa-VO). Die Bestimmungen des MSA werden durch das ESÜ an sich ergänzt (Fuchs in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG §§ 112–116 Rz 86), zwischen ESÜ und KSÜ besteht eine Parallelität (vgl Frohner in Schneider/Verweijen, AußStrG §§ 112–116 Rz 131).

Zu berücksichtigen ist das ESÜ daher im Ergebnis insbesondere im Verhältnis zu jenen Staaten, die nicht auch Mitgliedstaaten des KSÜ sind, nämlich Andorra, Island, Liechtenstein, Mazedonien und Moldau. Auch was die französischen Überseegebiete (Mayotte, Saint-Pierre-et-Miquelon, Französisch Polynesien, Neukaledonien, Wallis und Futuna sowie die Französischen Süd- und Antarktisgebiete; (vgl Fuchs in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG §§ 112–116 Rz 87) und in Ansehung des Vereinigten Königreiches Aguilla, Bailiwick of Jersey, die Falkland-Inseln, die Cayman Islands, Montserrat und die Isle of Man anlangt, ist eine Anwendung des ESÜ möglich.

Sorgerechtsentscheidungen, die in einem Vertragsstaat ergangen sind, werden grundsätzlich in jedem anderen Vertragsstaat anerkannt und, wenn sie im Ursprungsstaat vollstreckbar sind, für vollstreckbar erklärt (Art 7 ESÜ).

Bilaterale Verträge

Auf folgende bilaterale Verträge ist in Zusammenhang mit der Vollstreckbarerklärung von gerichtlichen Entscheidungen über die Regelung der Obsorge und des Rechts auf persönliche Kontakte bzw der Anerkennung derselben Bedacht zu nehmen, welche jeweils detaillierte Regelungen zu den Voraussetzungen und dem diesbezüglichen Verfahren enthalten:

  • Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen (BGBl 125/1962)
  • Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden (BGBl 114/1975)
  • Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik über die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden auf dem Gebiet des Zivil- und Handelsrechts (BGBl 305/1980)
  • Abkommen vom 23.05.1989 zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkei über die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen in Zivil- und Handelssachen (BGBl 571/1992)

Anerkennung nach autonomem Recht (§§ 112-115 AußStrG)

Soweit eine Vollstreckbarerklärung und Anerkennung auf Basis der vorgenannten Rechtsgrundlagen nicht infrage kommen, ist auf §§ 112–115 AußStrG zurückzugreifen.

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