29.01.2024 | Gesellschaftsrecht | ID: 1160692

Gesellschaftsrecht Reloaded: neue Gesellschaftsform und Digitalisierung

Georg Streit

Der Gesetzgeber flexibilisiert das Gesellschaftsrecht: von der Herabsetzung des Stammkapitals bis zur Disqualifikation der Geschäftsführer. Lesen Sie mehr zu den Änderungen durch das GesRÄG 2023 und GesDiG 2023 im Beitrag von Mag. Georg Streit.

Der Gesetzgeber ist im Gesellschaftsrecht in letzter Zeit sehr umtriebig. Die Schaffung einer neuen Gesellschaftsform, der flexiblen Kapitalgesellschaft (FlexKapG) soll der Startup-Szene weiteren oder neuen Schwung verleihen. Nach den Gesetzesmaterialien verspricht sich die Regierung davon „eine internationale wettbewerbsfähige Option“. Pünktlich zum Jahreswechsel ist die gesetzliche Grundlage im BGBl veröffentlicht worden, sodass seit Jahresbeginn die Gründung von flexiblen Kapitalgesellschaften möglich ist. Und im Firmenbuch findet sich tatsächlich auch schon die erste FlexCo. • [Fußnote: Unter der Firmenbuchnummer 614643m – die Gesellschaft ging im Wege der Umwandlung in eine FlexCo aus einer „normalen“ GmbH hervor.

Das ist aber nicht alles, auch im Bereich der Digitalisierung war der Gesetzgeber aktiv. Das GesDig 2023 soll bislang noch nicht aus dem Unionsrecht übernommene Bestimmungen der Digitalisierungs-Richtline in nationales Gesetz übernehmen. Im Wesentlichen geht es um die „Disqualifikation“ von Geschäftsführern.

Das Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2023

Das GesRÄG 2023 wurde mit BGBL I Nr 179/2023 vom 20.12.2023 veröffentlicht und umfasst acht Artikel, die jeweils eigene Gesetzesvorhaben darstellen. Artikel 1 enthält das schon erwähnte FlexKapGG. Die übrigen sieben Artikel betreffen die notwendigen flankierenden Maßnahmen, konkret die Änderungen anderer gesellschaftsrechtliche Bedingungen, vom Firmenbuchgesetz über das GmbHG bis hin zum Gerichtsgebührengesetz.

GmbH – Senkung des Stammkapitals, Aus für Gründungsprivilegierung

Das gesetzliche Mindeststammkapital der GmbH wurde von EUR 35.000,– auf EUR 10.000,– gesenkt. Der mindestens einzuzahlende Betrag reduziert sich von EUR 17.500,– auf EUR 5.000,–.

Durch diese Änderungen wird die gründungsprivilegierte GmbH hinfällig und aus dem GmbHG gestrichen. Gründungsprivilegierte GmbHs, die am 1. Jänner 2024 im Firmenbuch eingetragen sind, können diese aber weiterhin in Anspruch nehmen. Die Inanspruchnahme der Gründungsprivilegierung bei diesen Gesellschaften bleibt weiterhin im Firmenbuch eingetragen. Es kommt jedoch nicht zu einer Beendigung der Gründungsprivilegierung durch Zeitablauf (10 Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft im Firmenbuch; § 10b Abs 5 GmbHG). Um die betreffenden Gesellschaften dennoch mittelfristig dazu zu bringen, ihre Gründungsprivilegierung zu beenden, gilt ab 1. Jänner 2025 eine Eintragungssperre für geänderte Gesellschaftsverträge im Firmenbuch, die keine Beendigung der Gründungsprivilegierung umfassen.

Flexible Kapitalgesellschaft – Firma

Flexibilität beweist der Gesetzgeber schon beim möglichen Rechtsformzusatz für die neue Gesellschaft. Zur Wahl stehen flexible Kapitalgesellschaft, die englischsprachige Variante davon, flexible Company oder auch deren Abkürzungen, nämlich FlexKapG oder FlexCo. Für die GmbH oder andere Gesellschaftsformen besteht diese Möglichkeit, einem Unternehmen schon vom Namen her einen internationalen Anstrich zu geben, weiterhin nicht.

Mischform

Inhaltlich blieb der Gesellschaftsgeber flexibel, verknüpft dabei aber Bestandteile des GmbH-Rechts mit jenem aus dem Aktienrecht und schafft so ein gesellschaftsrechtliches Mischwesen, man könnte es auch HybriCo nennen, das nach dem Wunsch des Gesetzgebers zur Trägerrakete für die Startup-Szene werden soll.

Geringes Stammkapital und reduzierte KöSt

Die Hürde zum Abheben wird dabei gleich einmal kräftig herabgesetzt. Im Gegensatz zu einer GmbH ist der Kapitalbedarf einer FlexKapG bei der Gründung schon mit EUR 10.000,00 gedeckt. Und davon muss auch nur die Hälfte einbezahlt werden. Mit EUR 5.000,00 ist man also schon flexibel dabei. Dieses von der Gründungsprivilegierung bekannte Modell wurde auch gleich adaptiert. Der zweite Teilbetrag von EUR 5.000,00 muss im Idealfall gar nicht mehr einbezahlt werden. Eine Einzahlungspflicht binnen 10 Jahren nach Gründung wie bei der gründungsprivilegierten GmbH besteht nicht mehr (auch nicht mehr für die „altmodischen“ Gesellschaften mit beschränkter Haftung).

Ein attraktiver steuerlicher Nebeneffekt davon ist die damit verbundene Reaktion der Mindestkörperschaftsteuer. Und das führt auch schon zu einem Aspekt der flexiblen Einsatzmöglichkeit der Gesellschaft: Die FlexCo kann damit recht kostengünstig auch als Holding eingesetzt werden.

Teilung der Anteile

Anders als bei der GmbH ermöglicht die FlexKapG die Stückelung der Anteile der Gesellschafter. Jeder Anteil ist mit einer Stimme verbunden, wobei der Mindestnennbetrag EUR 1,00 beträgt. Jeder Gesellschafter kann aber unterschiedliche Anteile halten und über diese auch getrennte verfügen (und auch unterschiedlich abstimmen). Explizit meint der Gesetzgeber, dass Gesellschafter, denen mehr als eine Stimme zusteht, ihr Stimmrecht auch uneinheitlich ausüben können. Das ermöglicht etwa höhere Flexibilität bei treuhändig gehaltenen Geschäftsanteilen.

GmbHG subsidiär

Die Verwandtschaft zur GmbH ergibt sich aus der subsidiären Geltung, da das GmbHG insoweit anzuwenden ist, als im FlexKapGG keine abweichenden Regelungen vorgesehen werden. Durch die subsidiäre Geltung des GmbHG sollen die Qualitätsmerkmale der GmbH erhalten bleiben und gleichzeitig Rechtssicherheit, durch die Regelungen der sich bereits bewährten GmbH sichergestellt werden. Na immerhin.

Um die Attraktivität der Innovation nicht zu verwässern, soll die subsidiäre Geltung des GmbHG aber nicht als ein allgemeiner indirekter Verweis auf die GmbH und dessen gesamte Judikatur verstanden werden. Die FlexKapG soll als eigenständige Rechtsform neben den anderen Kapitalgesellschaften etabliert werden.

Flexible Möglichkeiten

Einige (wenige) dieser Abweichungen vom Altbekannten stellen auch einen Bezug zum AktG dar. Jedoch sieht die Gesellschaftsform zusätzliche individuelle und flexible Ausgestaltungsmöglichkeiten vor und trifft damit auf gesellschaftsrechtliches Neuland. Besonders folgende Neuerungen bringt das FlexKapGG mit sich:

  • verschiedenen Anteilskategorien
  • Unternehmenswert-Anteile mit steuerlicher Begünstigung

Eine bemerkenswerte Innovation ist die Schaffung so genannter Unternehmenswert-Anteile. Diese dürfen im Ausmaß von bis zu 25 % des Stammkapitals ausgegeben werden. Ganz grob vereinfacht ermöglicht die Ausgabe von Unternehmenswert-Anteilen reine Gewinnbeteiligungen, ohne dass auf den Geschäftsgang der Gesellschaft durch Stimmrechte durch die Mitwirkung an Entscheidungsfindung Einfluss genommen werden kann. Unternehmenswertbeteiligte haben nur Anspruch am Bilanzgewinn und am Liquidationserlös entsprechend ihrer eingezahlten Stammeinlage. Abweichungen im Gesellschaftsvertrag von dieser Regelung sind nur in geringem Ausmaß zulässig.

Der Einsatzzweck solcher Unternehmenswert-Anteile wird wohl in der einfacheren Mitarbeiterbeteiligung liegen. Dies umso mehr als für Mitarbeiterbeteiligungen auch Steuererleichterungen geschaffen werden. Damit halten also die Phantom Shares auch formell Einzug in das österreichische Gesellschaftsrecht.

Im Firmenbuch eingetragen werden die Inhaber von Unternehmenswert-Anteilen konsequenterweise nicht namentlich. Die Geschäftsführer haben allerdings ein Anteilsbuch über die Unternehmensanteile zu führen, in dem der Name und das Geburtsdatum/die Firmenbuchnummer sowie die Stammeinlage und die darauf geleistete Einzahlung der unternehmenswert-beteiligten Personen einzutragen sind. Die Umwandlung von Unternehmenswert-Anteilen in (altbekannte) Geschäftsanteile ist auch möglich.

Der Gesellschaftsvertrag kann darüber hinaus Mitverkaufsrechte der Unternehmenswert-Beteiligten und besondere Bestimmungen für Unternehmenswert-Anteile von Mitarbeitern vorsehen.

• Übertragung von Anteilen ohne Notariatsakt

Entsprechend dem vorgegebenen Motto der Flexibilisierung des Gesellschaftsrechts wird an Grundfesten des Rechts der Kapitalgesellschaft gerüttelt. Unternehmenswert-Anteile (und nur diese) können nach Belehrung der Beteiligten auch ohne Notariatsakt übertragen werden. Ausreichend ist eine einfache schriftliche Urkunde. Zumindest die Schriftform ist dem Gesetzgeber wichtig genug gewesen, um die Übertragung von Geschäftsanteilen an einer Kapitalgesellschaft zuzulassen.

Auch (altbekannte) Geschäftsanteile können ohne Notariatsakt übertragen werden. Erforderlich ist aber eine schriftliche Urkunde, die von einem Notar oder Rechtsanwalt errichtet wurde. Ganz wesentlich ist dabei die Belehrung der Beteiligten über die Rechtsfolgen, die aus dieser Urkunde für sie erfließen.

Im Übrigen darf die Gesellschaft sogar eigene Gesellschaftsanteile erwerben, dafür müssen die Voraussetzungen gemäß § 15 FlexKapGG eingehalten werden.

• die einfachere Möglichkeit schriftlicher Umlaufbeschlüsse

Die bisher schon häufigste Form für Beschlussfassungen von Gesellschaftern, der Umlaufbeschluss, wird bei einer FlexKapG nun als Standard etabliert und selbstverständlich so flexibel, wie es der Gesetzgeber für möglich hielt, ausgestaltet. Konnte ein Gesellschafter einer GmbH schriftliche Umlaufbeschlüsse dadurch verhindern, dass er schlicht dieser Form der Beschlussfassung nicht zustimmte, ist das bei der FlexKapG nicht mehr möglich. Wenn der Gesellschaftsvertrag vorsieht, dass schriftliche Umlaufbeschlüsse immer zulässig sind, können Gesellschafter die Abstimmung auf diesem Weg nicht mehr verhindern. Und um den Flexibilisierungsgrad noch zu erhöhen, kann der Gesellschaftsvertrag vorsehen, dass Beschlüsse per E-Mail, also ohne Unterschrift und daher nicht „schriftlich“, gefasst werden können. Nicht einmal ein Mindestteilnehmerquorum muss es mehr geben.

Ausblick

Durch diese Möglichkeiten werden die bisher bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen (GmbHG, AktG) zu einem gewissen Grad aufgebrochen und flexibleren Lösungen und individuellen Rahmenbedingungen der Vorrang eingeräumt. Der Gesetzgeber will damit die Wettbewerbsfähigkeit einheimischer Unternehmen stärken und diese auf internationaler Ebene positionieren. Jedoch wird sich die FlexKap in der Praxis bewähren und die in sie gesetzten Erwartungen einlösen müssen. Erst die nächsten Jahre werden zeigen, ob diese Gesellschaftsform in der Wirtschaft Akzeptanz findet und sich als echte Alternative zur klassischen GmbH oder AG etablieren kann. Vermutlich wird eine stetige praxisorientierte Weiterentwicklung des FlexKapGG erforderlich sein, um es der FlexCo zu ermöglichen, sich in der Praxis zu bewähren.

GesDiG 2023: Disqualifikation von Geschäftsführern

Mit BGBl I Nr 178/2023 bescherte uns der Gesetzgeber auch das gesellschaftsrechtliche Digitalisierungsgesetz 2023, kurz GesDiG 2023. Dieses greift in das GmbHG, das Aktiengesetz, das Genossenschaftsgesetz, das SE-Gesetz, das SCE-Gesetz und das FBG ein. Es dient der Umsetzung der Digitalisierungs-Richtline. • [Fußnote: EU 2017/1132 in der Fassung der RL-EU 2019/1151. Der Gesetzgeber will in Umsetzung des EU-Rechts ein Instrument schaffen, betrügerisches oder anderweitig missbräuchliches Verhalten zu verhindern und damit den Schutz aller Personen sicherzustellen, die mit Gesellschaften interagieren.

Um dieses Ziel zu erreichen, können Personen, die zum Geschäftsführer einer GmbH oder zum Vorstandsmitglied einer AG bestellt werden, disqualifiziert werden. Personen, die rechtskräftig zu Freiheitsstrafen von mehr als sechs Monaten verurteilt wurden, sind von der Übernahme der Geschäftsführung von einer GmbH ausgeschlossen. Die Verurteilung muss dabei nach bestimmten Straftatbeständen erfolgt sein, die für den Gesetzgeber im Zusammenhang mit Gesellschaften besonders relevant sind, nämlich Betrug, Untreue, verbotene Geschenkannahme, organisierte Schwarzarbeit, Geldwäscherei und ähnlichen Strafnormen. Vergleichbare Bestimmungen werden auch in den anderen oben genannten Gesetzen eingefügt. Diese Disqualifikationswirkung gilt auch bei Verurteilungen durch ausländische Gerichte (soweit die Delikte vergleichbar sind, vermutlich). Disqualifizierte Geschäftsführer dürfen nicht in das Firmenbuch eingetragen werden. Eine nachträgliche Disqualifikation verpflichtet den Geschäftsführer zum unverzüglichen Rücktritt.

Dieser Automatismus kann sich in der Praxis als zweckmäßig und durchaus brauchbar erweisen. Wir berichten an dieser Stelle weiter. Stay tuned!

Autor

Mag. Georg Streit ist Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG (Wien).

Link auf die Website: https://www.h-i-p.at/

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