07.07.2022 | Gesellschaftsrecht | ID: 1118409

Haftung bei Fortführung eines übernommenen Unternehmens

Eva-Maria Hintringer

§ 38 Abs 1 UGB sieht dispositiv eine Haftung desjenigen vor, der ein unter Lebenden erworbenes Unternehmen fortführt. Wie hat der OGH in einer jüngst ergangenen Entscheidung dazu entschieden?

Geschäftszahl

OGH vom 22.02.2022, 8 Ob 133/21y

Norm

§ 1 UGB; § 38 UGB; § 1409 ABGB

Leitsatz

Quintessenz:

§ 38 Abs 1 UGB sieht dispositiv eine Haftung desjenigen vor, der ein unter Lebenden erworbenes Unternehmen fortführt. Umfasst sind davon die unternehmensbezogenen, nicht höchstpersönlichen Rechtsverhältnisse des Veräußerers aus Vertrag, Delikt oder Gesetz (Bereicherung, GoA). Die Haftung nach § 1409 ABGB gilt für Übernehmer eines Vermögens oder Unternehmens und umfasst Schulden, die der Übernehmer bei der Übergabe kannte oder kennen musste, bis zum Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens.

OGH: Nach § 38 Abs 1 UGB übernimmt derjenige, der ein unter Lebenden erworbenes Unternehmen fortführt, sofern nichts anderes vereinbart ist, zum Zeitpunkt des Unternehmensübergangs die unternehmensbezogenen, nicht höchstpersönlichen Rechtsverhältnisse des Veräußerers mit den bis dahin entstandenen Rechten und Verbindlichkeiten. Es kommt dabei ex lege ohne weiteren Verfügungsakt zu einem Rechtsübergang, der unmittelbar zum Parteiwechsel führt. Von diesem sind nicht nur Vertragsverhältnisse, sondern auch andere (schuldrechtliche) Rechtsverhältnisse umfasst, somit etwa Ansprüche aus Delikt, Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag.

Auch die Übertragung von nicht im Firmenbuch eingetragenen Unternehmen fällt unabhängig von deren Größe unter § 38 UGB, weil der Unternehmensbegriffs des § 1 UGB weit gefasst ist und § 38 UGB für seine Anwendbarkeit auf das Kriterium der Firmenfortführung verzichtet.

Nach § 1409 Abs 1 ABGB ist, wer ein Vermögen oder ein Unternehmen übernimmt, den Gläubigern aus den zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, die er bei der Übergabe kannte oder kennen musste, unmittelbar verpflichtet und zwar unbeschadet der fortdauernden Haftung des Veräußerers. Zu einer Haftungsbefreiung kommt es aber insoweit, als der Übernehmer an solchen Schulden schon so viel berichtigt hat, wie der Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens beträgt. Anderes gilt jedoch, wenn nahe Angehörige des Veräußerers (§ 32 IO) das Vermögen oder Unternehmen übernehmen: sie trifft die Verpflichtung nach § 1409 Abs 2 ABGB, soweit sie nicht beweisen, dass ihnen die Schulden bei der Übergabe weder bekannt waren noch bekannt sein mussten.

Eine Unternehmensveräußerung liegt vor, wenn etwa das Betriebsbüro samt Ausstattung, Warenlager, Betriebsmittel, good will und der Kundenstock übertragen werden. Für die Bejahung einer Übernahme des Unternehmens reicht dabei schon die Übertragung des Unternehmenskerns.

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