08.10.2020 | Kanzleipraxis | ID: 1075326

Zustellrecht und ERV

Sabine Barbach - WEKA (red)

Erfahren Sie in diesem Beitrag, was Sie bezüglich Zustellrecht, ERV und E-Zustellung beachten müssen. Welche Kriterien gelten für eine elektronische Signatur?

Zustellrecht

Das Zustellrecht ist im Wesentlichen im Zustellgesetz und bei ERV-Zustellungen im GOG und der ERV-Verordnung geregelt.

Früher waren Klagen bzw verfahrenseinleitende Schriftstücke zu eigenen Handen zuzustellen. Mittlerweile erfolgt die Zustellung dieser Schriftstücke als RSB, sodass eine Ersatzzustellung möglich ist.

Nachdem das Gericht die Zustellung eines Schriftstückes verfügt hat, erfolgt die Zustellung durch Organe der Post. In der Zustellverfügung ist vom Gericht der Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und sind die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben anzugeben.

Sollten im Laufe der Zustellung Fehler unterlaufen, so gilt die Zustellung gem § 7 ZustG als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Zunächst hat der Zusteller das Dokument an den Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen, außer es ist aufgrund einer Anordnung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes einer anderen Person als dem Empfänger zuzustellen.

Ist der Empfänger eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person, so ist das Dokument in deren Kanzlei zuzustellen und darf an jeden dort anwesenden Angestellten des Parteienvertreters zugestellt werden; durch Organe eines Zustelldienstes darf an bestimmte Angestellte nicht oder nur an bestimmte Angestellte zugestellt werden, wenn der Parteienvertreter dies schriftlich beim Zustelldienst verlangt hat. Die Behörde hat Angestellte des Parteienvertreters wegen ihres Interesses an der Sache oder aufgrund einer zuvor der Behörde schriftlich abgegebenen Erklärung des Parteienvertreters durch einen Vermerk auf dem Dokument und dem Zustellnachweis von der Zustellung auszuschließen; an sie darf dann nicht zugestellt werden (§ 13 ZustG).

Zu einer Ersatzzustellung (§ 16 ZustG) kommt es, wenn das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden kann und an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend ist. Dies jedoch nur, wenn der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein befugter Vertreter bei Unternehmen regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

Ersatzempfänger kann grundsätzlich jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und – außer, wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt – zur Annahme bereit ist.

Eine Ersatzzustellung gilt dann als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, jedoch wird die Zustellung sodann mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen (Zustellung durch Hinterlegung, § 17 ZustG).

Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten hingegen nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

Hinweis:

Gem § 17 Abs 2 ZustG ist der an der Abgabestelle nicht angetroffene Empfänger von der (beabsichtigten) Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Zurücklassung der Hinterlegungsanzeige ist aber noch keine Zustellung, sondern eine rechtserhebliche Tatsache (Walter/Mayer, Zustellrecht § 17 Anm 18; Larcher, Zustellrecht Rz 412). Als zugestellt gilt diesfalls nach § 17 Abs 3 dritter Satz ZustG ein hinterlegtes Dokument mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird (Larcher, Zustellrecht Rz 417; Wessely in Frauenberger-Pfeiler/N. Raschauer/Sander/Wessely [Hrsg], Österreichisches Zustellrecht² § 17 ZustG Rz 7).

Wird aber dem Empfänger das Zustellstück noch am Tag der Verständigung (von der beabsichtigten Hinterlegung), also vor Beginn der Abholfrist nach § 17 Abs 3 zweiter Satz ZustG, ausgefolgt, ist ein Sonderfall einer Zustellung am Postamt (nach neuer gesetzlicher Ausdrucksweise: bei der Geschäftsstelle des Zustelldiensts) nach § 24a Z 1 ZustG (Ort des Antreffens) anzunehmen, sodass die Zustellung mit Ausfolgung bereits wirksam ist (OGH 10 Ob S35/14s).

Beispiel:

Wird das Urteil eines Berufungsgerichtes am 7. Februar 2014 [= Freitag] ausgefolgt (vgl den angeschlossenen Zustellnachweis, aus dem auch hervorgeht, dass es andernfalls am Postamt zur Abholung ab 10.02.2014 [= Montag] hinterlegt worden wäre), endet die vierwöchige Revisionsfrist nicht erst am 10.03., sondern bereits am 07.03.2014.

Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

Der Zustellnachweis wird von der Post an das Gericht gesendet, dem Gerichtsakt beigelegt und dient dem Richter auch zur Überprüfung der Rechtzeitigkeit einer allfälligen Frist und deren Eingabe.

Die Zustellung an Kanzleien erfolgt primär im Wege des ERV, wobei die elektronische Zustellung der ordentlichen Gerichte sich nach den §§ 89a ff des Gerichtsorganisationsgesetzes (kurz: GOG) richtet.

Auch andere Personen/Unternehmen können mittlerweile einer elektronischen Zustellung zustimmen und kann die Anmeldung bei einem Zustelldienst unter Verwendung der Bürgerkarte (§ 2 Z 10 E-GovG) erfolgen (§ 28 ff ZustG).

ERV

Rechtsgrundlagen: GOG, Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr.

ERV ist die Kurzbezeichnung für „elektronischer Rechtsverkehr“. Dieser ist im GOG bzw in der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr geregelt. Unter ERV versteht man die elektronischen Kommunikationen zwischen Gerichten, Staatsanwaltschaften sowie den Parteienvertretern.

Gem § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 sind Rechtsanwälte nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am ERV verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26). Bei Eingaben eines Rechtsanwalts ab dem maßgeblichen Stichtag, dem 01.05.2012 (§ 98 Abs 15 Z 1 GOG), die auf dem Postweg und nicht im ERV eingebracht werden, hat das Gericht ein fristgebundenes Verbesserungsverfahren durchzuführen (RIS-Justiz RS0128266).

Die bisherige Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0124215; RS0124335; RS0124555), die in der nicht im elektronischen Weg eingebrachten Eingabe keine die geschäftsordnungsgemäße Behandlung hindernden Formmangel erkannte und von einem folgenlosen Verstoß gegen eine reine Ordnungsvorschrift ausging, kann infolge Änderung der Rechtslage für solche Eingaben seit dem 01.05.2012 nicht mehr aufrecht erhalten werden. In gewollter Abkehr von dieser Judikatur müssen die im neu gefassten § 89c Abs 5 GOG idF BGBl I 2012/26 genannten ERV-Teilnehmer/innen nunmehr den ERV zwingend verwenden (ErläutRV 1676 BlgNR 24. GP 3). Das gesetzwidrige Abgehen von seiner Nutzung soll – als Verletzung einer zwingend einzuhaltenden Formvorschrift (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26) – zu einem Verbesserungsverfahren und bei einem Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führen (JAB 1699 BlgNR 24. GP 1).

Nach der Rechtsprechung genügt die ohne nähere Begründung und Bescheinigung aufgestellte Behauptung, dass die Einbringung im ERV, also auf elektronischem Weg, nicht möglich sei, nicht (2 Ob 184/13t; 10 ObS 176/13z; jüngst: 10 ObS 172/13m; RIS-Justiz RS0128266 [T9]). Offen steht nur die Bescheinigung der Unmöglichkeit der elektronischen Einbringung (RIS-Justiz RS0124215 [T8]; RS0124335 [T5]; RS0124555 [T4]).

Wenn die Verbesserung fristgemäß vorgenommen wird, gilt das Anbringen als zum ursprünglichen Zeitpunkt (hier: 10.03.2014 [= Montag]) eingebracht (§ 85 Abs 2 ZPO) (vgl dazu 10 ObS 35/14s).

Bei positiver Einbringung eines Schriftstückes per ERV wird dem Einbringer die Einbringung mit ok bestätigt. Bringt man eine Klage oder ein anderes verfahrenseinleitendes Schriftstück per ERV ein, wird automatisch das Aktenzeichen nach Zuteilung rückübermittelt (Aktenzeichenrückmeldung).

Nach Erneuerung des ERV heißt dieser infolge der Webbasis nun WEB ERV.

Die Daten werden zwischen Kanzlei und Gericht und im Falle der Direktzustellung zwischen den Kanzleien im Wege von Übermittlungsstellen über die Bundesrechenzentrum GmbH (BRZ) weitergeleitet.

Der Zeitpunkt des Anbringens elektronischer Eingaben ist in § 89d GOG geregelt.

Auch Verbesserungen sind grundsätzlich unter Angabe des Aktenzeichens im WEB ERV einzubringen.

Für Firmen- und Grundbucheingaben gelten Besonderheiten. ZB werden die Urkunden nicht als pdf angehängt, sondern sind diese im Archivium zu archivieren.

Schriftsätze können entweder direkt in der ERV-Maske erstellt werden oder im Word und bei Integrieren des Word-Schriftsatzes in die ERV-Maske wird dieser automatisch vor Versenden in ein pdf umgewandelt.

E-Zustellung FinanzOnline

Per 01.01.2020 ist das Recht auf elektronischen Verkehr mit Behörden gem § 1a E-Government- Gesetz in Kraft getreten. Auch der Rechtsanwalt bzw die Rechtsanwaltsgesellschaft als Unternehmen sind mit 1. Jänner 2020 zur Teilnahme an der elektronischen Zustellung gem § 1b E-Government-Gesetz verpflichtet und müssen alle Voraussetzungen geschaffen haben, um elektronische Zustellungen empfangen zu können. Unternehmen, die infolge Unterschreitens der Umsatzgrenze nicht zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet sind, sind von der Verpflichtung ausgenommen.

Schon mit Schreiben vom 21.08.2019 des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (zugestellt per ERV) wurden die Anwälte darüber informiert, dass sie als Teilnehmer im ERV geführt sind und wurden die Anmeldedaten gem § 28b Abs 5 Zustellgesetz (ZustG) bereits automatisch in das neue zentrale Teilnehmerverzeichnis (TNVZ) – das ab 1. Dezember 2019 zur Ermittlung der elektronischen Adressierbarkeit für behördlichen Zustellungen herangezogen wird - übernommen. Die Übernahme der Daten bewirkte, dass ab 1. Dezember 2019 automatisch alle an den Anwalt adressierten elektronischen Zustellungen von Behörden in den ERV weitergeleitet werden.

Rein in der Praxis hat sich aber bisher gezeigt, dass noch nicht alle Schriftstücke der Behörden ausnahmslos über ERV zugestellt werden.

Elektronische Signatur

In Österreich gibt es elektronische Signaturen, die ausschließlich von Behörden oder bestimmten Berufsgruppen (Notare, Rechtanwälte, Ziviltechniker) verwendet werden dürfen und dabei bestimmten Anforderungen genügen müssen.

Die Amtssignatur wird von den Behörden benutzt und identifiziert die Herkunft eines Dokumentes als amtliches Dokument.

Eine Amtssignatur muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • eine fortgeschrittene elektronische Signatur oder ein fortgeschrittenes elektronisches Siegel im Sinne der eIDAS-VO (§ 19 Abs 1 E-GovG),
  • die Erkennbarkeit der Herkunft muss durch ein entsprechendes Attribut (die Verwaltungseigenschaft der Behörde) im Zertifikat ausgewiesen werden,
  • darf ausschließlich von Auftraggebern des öffentlichen Bereichs bei der elektronischen Unterzeichnung oder bei der Ausfertigung der von ihnen erzeugten Dokumente verwendet werden (§ 19 Abs 2 E-GovG),
  • die Amtssignatur muss in Ansichten des signierten/besiegelten elektronischen Dokumentes durch eine Bildmarke sowie durch einen Hinweis, dass das Dokument amtssigniert wurde, dargestellt werden (§ 19 Abs 3 E-GovG).

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