29.11.2021 | Datenschutz & IT | ID: 1105037

Gewährleistung gegenüber Verbrauchern – neue Regeln ab 01.01.2022

Alexander Koukal

RA Mag. Alexander Koukal gibt einen Kurzüberblick über die neuen Bestimmungen, die aufgrund der Novelle im Gewährleistungsrecht mit Anfang 2022 in Kraft treten werden.

Für Verträge über den Kauf von Waren, die ab dem 01.01.2022 abgeschlossen werden, sowie über die Bereitstellung digitaler Leistungen ab 01.01.2022 gelten im Verhältnis Unternehmer – Verbraucher neue Gewährleistungsregeln. Nachfolgend finden Sie einige der wichtigsten Neuerungen.

In Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie (RL (EU) 2019/770) und der Warenkauf-Richtlinie (RL (EU) 2019/771) erließ der Gesetzgeber das Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG).

Die bisherigen Regelungen über die Gewährleistung im ABGB und KSchG bleiben – mit einigen Anpassungen, ua der Begriffe – erhalten. Deshalb ist für den Unternehmer entscheidend, welche Art von Vertrag er mit dem Verbraucher schließt.

Für wen gelten die neuen Regeln?

Die neuen Regeln im VGG gelten

  • für Verträge über den Kauf von Waren – das sind bewegliche körperliche Sachen, einschließlich solcher, die noch herzustellen sind (erfasst sind damit auch so genannte „Werklieferungsverträge“)
  • für Verträge über die Bereitstellung digitaler Leistungen
    • gegen eine Zahlung oder
    • gegen die Hingabe von personenbezogenen Daten des Verbrauchers, es sei denn, der Unternehmer verarbeitet diese ausschließlich zur Bereitstellung der digitalen Leistungen oder zur Erfüllung von rechtlichen Anforderungen – der Kunde „bezahlt“ also mit seinen Daten

§ 1 Abs 2 VGG nimmt ein paar Vertragsgegenstände aus, ua den Kauf lebender Tiere, elektronische Kommunikationsdienste, Gesundheits-, Glücksspiel- und Finanzdienstleistungen.

Regeln des ABGB

Die bisherigen Regeln des ABGB (§§ 922 ff) gelten für die folgenden Verträge, auch wenn sie mit Verbrauchern abgeschlossen werden:

  • Verträge über unbewegliche Sachen (insb Liegenschaften)
  • Tauschverträge über körperliche Sachen
  • Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen

Regeln im VGG

Bei den Regelungen im VGG handelt es sich um relativ zwingendes Recht zu Gunsten des Verbrauchers. Sie können durch Vereinbarungen nicht zu dessen Nachteil abgeändert werden, es sei denn, die Vereinbarung wird erst geschlossen, nachdem der Verbraucher den Unternehmer vom Mangel verständigt hat.

Nach dem VGG leistet der Unternehmer dafür Gewähr, dass die von ihm übergebene Ware bzw die von ihm bereitgestellte digitale Leistung dem Vertrag entspricht. Ein Mangel liegt dann vor, wenn die von ihm übergebene Ware bzw erbrachte digitale Leistung nicht die vertraglich vereinbarten Eigenschaften (§ 5 VGG) oder nicht die objektiv erforderlichen Eigenschaften (§ 6) aufweist.

Was ist neu zur bisherigen Rechtslage?

Neu im Vergleich zum bisherigen Gewährleistungsrecht ist, dass der Verbraucher im Bereich des VGG Abweichungen der Ware bzw der digitalen Leistung in einem bestimmten Merkmal oder bei einer objektiv erforderlichen Eigenschaft bei Vertragsabschluss ausdrücklich und gesondert zustimmen muss. Es ist also eine ausdrückliche Abbedingung nötig, um den Maßstab für die Mangelfreiheit zu ändern.

Bei Waren mit digitalen Elementen sowie bei digitalen Leistungen haftet der Unternehmer auch dafür, dass dem Verbraucher während der in § 7 VGG genannten Zeiträume – nach vorheriger Information – jene Aktualisierungen zur Verfügung gestellt werden, die notwendig sind, damit die Ware oder die digitale Leistung weiterhin dem Vertrag entspricht. Diese Aktualisierungspflicht bedeutet zB, dass der Verkäufer bei Waren mit digitalen Elementen (z.B. einem Smartphone mit vorinstallierten Anwendungen und Benutzeroberflächen) mindestens für zwei Jahre nach deren Übergabe Updates bereitstellen muss. Diese Pflicht besteht ausdrücklich auch bei Verträgen im B2B-Bereich (§ 1 Abs 3 VGG).

Ist der Unternehmer nach dem Vertrag zur Montage oder Installation der Ware verpflichtet, so haftet er auch für einen dabei durch sein unsachgemäßes Verhalten an der Ware verursachten Mangel. Dasselbe gilt, wenn der Verbraucher selbst die Montage oder Installation aufgrund einer fehlerhaften Anleitung unsachgemäß durchführt (§ 8 VGG).

Gewährleistungszeitraum und Gewährleistungsfrist

Während der Gewährleistungszeitraum auch im Bereich des VGG mit zwei Jahren unverändert bleibt, erhöht sich die Vermutungsfrist für die Mangelhaftigkeit der Ware bzw digitalen Leistung bei Übergabe bzw Bereitstellung auf ein Jahr (vgl dazu § 924 ABGB: nach wie vor sechs Monate).

Für Waren mit digitalen Elementen, deren digitale Leistung nach dem Vertrag fortlaufend bereitzustellen ist, beträgt die Gewährleistungsfrist allerdings den gesamten Bereitstellungszeitraum, jedoch mindestens zwei Jahre ab Übergabe der Ware. Auch bei Verträgen über fortlaufend bereitzustellende digitale Leistungen umfasst die Gewährleistungsfrist den gesamten Zeitraum der Bereitstellung, sonst zwei Jahre ab der jeweiligen Bereitstellung.

Eine Neuheit im VGG ist die Regel, dass Gewährleistungsrechte bei Sachmängeln zusätzlich innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Gewährleistungsfrist eingeklagt oder dem Verkäufer angezeigt werden können (um zeitlich unbeschränkt die Einrede des Mangels in einem Prozess geltend zu machen). Bei Rechtsmängeln tritt die Verjährung zwei Jahre nach dem Zeitpunkt ein, zu dem der Mangel dem Verbraucher bekannt wird („hervorkommt“).

Diese neue Verjährungsregelung wird per 01.01.2022 auch in das Gewährleistungsrecht nach dem ABGB übernommen. Außerdem wird dort (§ 933) der Beginn der Verjährung für Mängel bei unbeweglichen Sachen auf den Zeitpunkt verschoben, zu dem der Mangel bekannt wird.

Weitere Änderungen

Der alte Ausdruck „Wandlung“ wurde durch „Auflösung des Vertrags“ ersetzt.

Der Rückgriff auf den Vormann nach § 933b ABGB kann für ab dem 01.01.2022 geschlossene Verträge durch eine Vereinbarung nur noch dann ausgeschlossen oder beschränkt werden, wenn diese im Einzelnen ausgehandelt worden ist und den Übergeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles nicht gröblich benachteiligt.

Fazit

Vor allem im Bereich der digitalen Dienstleistungen und Waren mit digitalen Elementen, zB im Zusammenhang mit der Aktualisierungspflicht, werden in der Praxis einige Fragen zu klären sein. Unternehmer sollten das neue VGG zum Anlass nehmen, ihre bestehenden AGB auf Vereinbarkeit mit den künftigen Regelungen zu prüfen.

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