12.04.2021 | Wirtschaftsrecht | ID: 1087374

Wann sind Geschäftsgeheimnisse geschützt?

Georg Streit - Alina Alavi Kia

Die Gastautoren Mag. Georg Streit und Mag. Alina Alavi Kia erläutern in diesem Gastkommentar anhand aktueller Judikatur, in welchen Fällen ein Geschäftsgeheimnisschutz gegeben ist.

Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist in vielen Branchen ein ganz wesentlicher Schlüssel zum Erfolg. Für den Schutz geistigen Eigentums besteht schon lange rechtlicher Schutz, etwa durch das Urheberrechtsgesetz, das Patentgesetz oder das Markenschutzgesetz. Nicht durch solche Sondergesetze geschütztes betriebliches Know-how war bis vor gar nicht allzu langer Zeit nicht explizit vor Zugriffen Unbefugter geschützt. Im Wesentlichen nur in strafrechtlich relevanten Fällen, bei krassen Wettbewerbsverstößen oder bei Know-how-Aneignung durch Mitarbeiter war die Möglichkeit gegeben, rechtlich gegen die Aneignung und auskundschaften von Geschäftsgeheimnissen durch Außenstehende vorzugehen. Erst die Know-how-Richtlinie (RL 2016/943 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen vom 08.06.2016) hat das Arsenal an Abwehrmöglichkeiten gegen die unerwünschte Nutzung von Geschäftsgeheimnissen durch spezifische, dafür geschaffene Regelungen erweitert. In Österreich dauerte es bis Anfang 2019, bis diese Bestimmungen durch eine UWG-Novelle in nationales Recht umgesetzt wurden.

Alles, was als Geschäftsgeheimnis gilt, ist nun explizit nach den Bestimmungen des Wettbewerbsrechts (§§ 26a – 26j) geschützt. Definiert sind Geschäftsgeheimnisse als geheime Informationen von kommerziellem Wert, die durch angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen geschützt sind. Der Schutzumfang ist ein weiter, erstreckt sich auf Verfahrensabläufe, Rezepturen ebenso wie auf Kundendaten oder Einkaufskonditionen. Das Gesetz kennt keine thematische oder sonstige Einschränkung eines Geschäftsgeheimnisses. Ausgenommen vom Schutz sind nur allgemein bekannte oder leicht zugängliche Informationen (die ohne Weiteres zugänglich sind, weil sie zB aus öffentlichen Quellen abrufbar sind).

Das Gesetz bietet darüber hinaus auch die Grundlage für Ansprüche auf Beseitigung bzw Vernichtung aller Unterlagen und Datenträger, die die Geschäftsgeheimnisse enthalten sowie auf Beseitigung der auf Basis dieser Geschäftsgeheimnisse hergestellten Produkte sowie Auskunft über die Abnehmer und die geplanten Verkaufsstellen, über die Anzahl der hergestellten, ausgelieferten und bestellten Produkte sowie über die dafür bezahlten Preise, Rechnungslegung über alle Umsätze, die durch die Verwertung der zu Unrecht genutzten Geschäftsgeheimnisse erzielt wurden und Schadenersatz.

Aktuelle OGH-Judikatur

von Konstruktionsplänen …

Natürlich bringt die gesetzliche Formulierung knifflige Auslegungsfragen im Einzelfall mit sich – nicht nur zur Beurteilung, welche Information als Geschäftsgeheimnis gilt, sondern etwa auch dazu, wann eine Information als allgemein bekannt gilt. Umso erfreulicher, dass es mittlerweile auch schon Judikatur dazu gibt.

Nach Ausscheiden aus dem Unternehmen ihrer langjährigen Dienstgeberin gründeten zwei ehemalige Dienstnehmer ein eigenes Unternehmen. Dieses führte, wie die ehemalige Dienstgeberin, ua Stopfaggregate für Gleisstopfmaschinen in ihrem Produktportfolio. Die beiden Jungunternehmer verwendeten Teile von Konstruktionsplänen ihrer ehemaligen Dienstgeberin als Vorlage für ihr neues Stopfaggregat für den Gleisbau. Die ehemalige Dienstgeberin war „not amused“ und klagte auf Unterlassung der Verwertung ihrer Konstruktionspläne, die sie als Geschäftsgeheimnisse ansah, und des Anbietens oder Vertreibens der auf Basis dieser Pläne hergestellten Produkte.

Für den OGH handelte es sich bei den Konstruktionsplänen um geheime Informationen der Klägerin, auch wenn sie dem Stand der Technik entsprachen, weil dem „durchschnittlichen Fachmann auf dem betreffenden Gebiet des Maschinenbaus nicht alle Details der Pläne aus öffentlichen Quellen zugänglich“ gewesen seien.

Aber selbst wenn Dienstnehmer Geschäftsgeheimnisse ihres Dienstgebers rechtswidrig erlangen, stehen dem Dienstgeber die Ansprüche nach dem UWG nur dann zu, wenn die Geschäftsgeheimnisse einen kommerziellen Wert haben. Ein ziffernmäßig bestimmter Vermögenswert, ab dem man von einem Geschäftsgeheimnis sprechen könnte, existiert nicht. Notwendig ist in der Regel ein realer oder potenzieller (Handels-)Wert. Dabei ist ein großzügiges Verständnis von der Werthaltigkeit anzulegen, so die Rechtsprechung. Ein bloß ideeller Wert reicht zwar nicht aus, ein kommerzieller Wert liegt aber schon dann vor, wenn die Offenlegung der Information wirtschaftliche Nachteile für den Inhaber des Geschäftsgeheimnisses hat. Dies ist zB dann der Fall, wenn es zu einer Aushöhlung der geschäftlichen oder finanziellen Interessen der Wettbewerbsfähigkeit kommt.

Nach Ansicht des OGH beeinträchtige „die Kenntnisnahme ihrer Konstruktionspläne […] nicht in relevanter Weise die kommerziellen Interessen der Klägerin“. Die Wettbewerbsposition der Klägerin sei „nicht durch die teilweise Verwendung ihrer Zeichnungen als Vorlage für Konstruktionen der Beklagten, sondern vielmehr durch deren patentierte Weiterentwicklung der Antriebseinheit in Form eines hydraulischen Stopfantriebs […] bedroht“ (OGH 4 Ob188/20f).

Haben die Geschäftsgeheimnisse aber keinen kommerziellen Wert, kommt auch kein Geheimnisschutz nach dem UWG in Betracht.

bis zu Quellcodes

Erwartungsgemäß kann nach der Judikatur auch der Quellcode eines Computerprogramms grundsätzlich ein Geschäftsgeheimnis sein. Nicht nur dessen Aneignung, sondern auch dessen Offenlegung ist nach § 26c UWG unzulässig – sofern der Offenleger keinen rechtmäßigen Zugriff hat. Und der ist auch dann nicht mehr gegeben, wenn der Urheber als Dienstnehmer all seine Rechte an seinem Werk an den Dienstgeber abgetreten hat (OGH 4 Ob 182/20y).

Fazit

Die wichtige Frage, wann das Tatbestandsmerkmal für das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses erfüllt ist, dass „den Umständen entsprechende angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ gesetzt wurden, war noch nicht Gegenstand einer höchstgerichtlichen Entscheidung in Österreich. Diese Maßnahmen können technischer, organisatorischer oder juristischer Natur sein, wo allerdings die Untergrenze dafür liegt, wird sich erst zeigen müssen. Klar ist, dass sich diese Schutzmaßnahmen auch beweisen lassen müssen. Daher empfiehlt sich deren Dokumentation und die Entwicklung eines konkreten Schutzkonzepts für Geschäftsgeheimnisse sowie der Nachweis der regelmäßigen Überprüfung dieses Schutzkonzepts auf Einhaltung und Effektivität im Unternehmen.

Autoren

Mag. Alina Alavi Kia ist Rechtsanwaltsanwärterin, Mag. Georg Streit ist Partner bei Höhne, in der Maur & Partner Rechtsanwälte in Wien.

Link zur Kanzlei: 

https://www.h-i-p.at/

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