18.01.2022 | Wohnrecht | ID: 1107067

Aktuelle OGH-Entscheidungen zu Geschäftsraummieten in Zeiten von pandemiebedingten Lockdowns

Martin Brunnhauser

Gastautor Mag. Martin Brunnhauser von der MVÖ erläutert anhand aktueller Judikatur Fragen zur Mietzinsminderung für Geschäftsraummieter, wenn ihr Geschäftslokal aufgrund des Lockdowns unbrauchbar war.

Es gibt nun Klarheit zu Mietzinsminderungsansprüchen der Mieter:innen sowie zu vermeintlichen Herausgabeansprüchen von Fixkostenzuschüssen an Vermieter:innen.

Gegen Ende des vergangenen Jahres hatte der OGH erstmals über Fragen zur Mietzinsminderung für Geschäftsraummieter, deren Bestandgegenstand aufgrund der Maßnahmen gegen die Pandemie unbrauchbar wurde, zu entscheiden.

Zu 3 Ob 78/21y entschied der OGH über eine Impugnationsklage, die die Mieterin eines Sonnenstudios gegen die von ihrem Vermieter betriebene Räumungsexekution erhob.

Kurze Zeit später erging eine weitere Entscheidung zu 3 Ob 184/21m, in welcher der OGH über eine von der Vermieterin eines Nagel- und Kosmetikstudios eingebrachte Mietzins- und Räumungsklage sowie den begehrten Herausgabeanspruch des Fixkostenzuschusses abzusprechen hatte.

Rechtliche Grundlagen zu Mietzinsbefreiung/-erleichterungen

Gemäß § 1104 ABGB besteht ein Mietzinsbefreiungsanspruch, wenn der Bestandgegenstand wegen außerordentlicher Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Misswachses gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann.

Gemäß § 1105 ABGB ist ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses zu erlassen, wenn die Mieter:innen trotz eines solchen Zufalls einen beschränkten Gebrauch des Bestandgegenstands behalten.

Klarstellungen des OGH

Im Einklang mit vorangegangenen Entscheidungen von Landesgerichten und auch mit der überwiegenden Literatur hat der OGH nun klargestellt, dass die COVID-19-Pandemie als „Seuche“ im Sinn des § 1104 ABGB zu werten ist. Betretungsverbote, die aufgrund dieser Pandemie angeordnet wurden, führen zur Unbenutzbarkeit von Geschäftsräumen. Unter „außerordentlichen Zufällen“ im Sinn des § 1104 ABGB sind elementare Ereignisse zu verstehen, die von Menschen nicht beherrschbar sind, sodass für deren Folgen im Allgemeinen von niemandem Ersatz erwartet werden kann.

Für die Frage der Unbenutzbarkeit des Bestandgegenstands kommt es auf die Erfüllung des vertraglichen Geschäftszwecks an. Wenn der Kundenbereich eines gemieteten Geschäftslokals von den Kunden nicht betreten werden darf, so kann der bestimmungsgemäße Geschäftszweck nicht erfüllt werden.

Ist die vertragsgemäße charakteristische Nutzung hingegen nur eingeschränkt, so kommt es gemäß § 1105 ABGB zu einer Mietzinsminderung im Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung nach der relativen Berechnungsmethode.

Die relative Berechnungsmethode

Der Grad der Mietzinsminderung wird anhand der relativen Berechnungsmethode durch den Vergleich des Mietzinses für das mangelfreie Mietobjekt und dem Mietzins, der für das Mietobjekt mit Mangel erzielt werden kann, festgestellt. Sollte eine Ermittlung des Ausmaßes der Mietzinsminderung anhand dieser Methode nicht möglich sein, darf das Gericht aber auch gemäß § 273 Abs 1 ZPO eine Ermessensentscheidung treffen (9Ob49/15v).

Konkrete Fälle

Beiden Fällen war gemein, dass der bestimmungsgemäße Geschäftszweck nicht erfüllt werden konnte. Im Fall des Sonnenstudios hat sich der OGH zudem bereits tendenziell ablehnend bezüglich untergeordneter Lagerzwecke geäußert. Dem Argument der Klägerin, dass sich aus dem Belassen der Sonnenbetten im Studio eine teilweise Nutzung ableiten ließe und damit ein Anspruch auf (teilweise) Leistung begründen würde, folgte das Gericht nicht.

Beim Fall des im Einkaufszentrum gelegenen Nagelstudios versuchte die Vermieterin mit anderen Argumenten die weitere Nutzbarkeit des Geschäftslokals darzulegen. Der Umstand, dass ein Einkaufszentrum für bestimmte Geschäftszwecke (zB Apotheken, Lebensmittelhandel und Drogerien) auch während eines Lockdowns betreten werden darf, ändert laut OGH aber nichts an der Unbenutzbarkeit eines Geschäftslokals, das für andere, vom Betretungsverbot erfasste Geschäftszwecke genutzt wird. Die weiterhin bestehenden Parkmöglichkeiten, die Versorgung des Einkaufszentrums mit Energie oder die Bewachung und Reinigung der Allgemeinflächen bilden ebenfalls keinen geschäftlichen Nutzen für die Mieterin, deren Bestandobjekt pandemiebedingt zum bedungenen Gebrauch nicht verwendbar war.

Zudem war im Nagelstudio-Fall die Mieterin zur Änderung des Geschäftszwecks, etwa zur Bereitstellung von Online-Angeboten oder zum Online-Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln, aufgrund eines entsprechenden Verbots im Bestandvertrag nicht berechtigt.

In beiden Fällen waren die Mieterinnen daher von der Pflicht zur Mietzinszahlung gänzlich befreit.

Besonderheit Abdingbarkeit des § 1104 ABGB

Der Mietvertrag über das Nagel- und Kosmetikstudio enthielt nachstehende Regelungen zur Gefahrtragung:

„Der Bestandnehmer verzichtet auf eine Minderung oder Zurückhaltung des Bestandentgelts, insbesondere gemäß §§ 1096 und 1104 ABGB, sofern die Nutzung und Benutzbarkeit des Bestandobjekts nicht durch Umstände, die der Bestandgeber zumindest grob fahrlässig zu verantworten hat, wesentlich (sowohl betreffend Umfang und Dauer) eingeschränkt wird oder dem Bestandnehmer hieraus ein erheblicher, nachweislicher Nachteil entsteht.“

Der OGH hielt fest, dass die Preisminderungs- und Gefahrtragungsregelung des § 1104 ABGB dispositiv ist. Im konkreten Fall findet die im Mietvertrag getroffene Vereinbarung jedoch keine Anwendung, da dem Bestandnehmer jedenfalls ein erheblicher nachweislicher Nachteil entstand. Die Ausführungen des Landesgerichts, das diese Vereinbarung zudem angesichts fehlenden Entgegenkommens der Vermieterin (etwa mit besonders niedrigen Mietzins) für sittenwidrig erachtete, sind daher nicht erforderlich. Die Auslegungsregel des § 1106 ABGB (nicht spezifizierte, pauschale Übernahme aller Gefahren durch den Bestandnehmer) musste aufgrund der vorgenommenen Vertragsauslegung auch nicht bemüht werden.

Besonderheit Fixkostenzuschuss

Bei beiden Sachverhalten begehrte die Vermieterseite die Herausgabe des Fixkostenzuschusses.

Im Fall der Klage der Sonnenstudiomieterin, die sich gegen eine Räumungsexekution am 18.05.2020 aufgrund der unbezahlten Aprilmiete richtete, wies der OGH dieses Begehren schon allein aufgrund des erst späteren Inkrafttreten der entsprechenden Verordnung mit 26.05.2020 ab.

In der Entscheidung zu 3 Ob 184/21m musste sich der OGH jedoch eingehender mit der Forderung der Vermieterin auseinandersetzen.

Die Mieterin erhielt von staatlicher Seite einen Betrag iHv ca EUR 3.000 aus dem Fixkostenzuschuss.

Für eine Herausgabepflicht des Mieters mangelt es an einer Rechtsgrundlage. Beim Fixkostenzuschuss handelt es sich nach Ansicht des OGH nicht um eine Zuwendung, die dazu gedacht ist, den gesetzlichen Mietzinsentfall der Geschäftsraumvermieter wettzumachen. Zudem treffen den Bestandnehmer Schadensminderungspflichten gegenüber der COFAG. Mieter:innen sind daher dazu gehalten, die ihnen zustehenden Mietzinsminderungen geltend zu machen. Diese Rechtslage schließt das Überlassen des Fixkostenzuschusses zur Deckung des Mietzinsausfalls daher aus.

Fazit

Der OGH hat zugunsten der Geschäftsraummieter entschieden. Ihnen steht ein Mietzinsminderungsanspruch für die Dauer der Unbrauchbarkeit aufgrund von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zur Gänze zu. Damit wurde Rechtssicherheit geschaffen an der sich andere Vermieter:innen und Mieter:innen orientieren können. Offen bleibt, bei welchen Sachverhalten der OGH eine Restnutzungsmöglichkeit des Bestandgegenstandes erblicken würde, die eine Bestimmung der Höhe des Mietzinsminderungsanspruchs iSd § 1105 ABGB erfordern würde.

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