10.01.2023 | Wohnrecht | ID: 1128961

Aktuelle Rechtsprechung zum Erhaltungsbegriff im MRG und WGG sowie dessen Abgrenzung zu Verbesserungsarbeiten

Martin Brunnhauser

Gastautor Mag. Martin Brunnhauser von der MVÖ erläutert anhand aktueller Rechtsprechung die Unterscheidung von diversen Erhaltungsarbeiten zu Verbesserungsarbeiten.

In der Entscheidung 5 Ob 145/22t hat der Oberste Gerichtshof eine Abgrenzung der Voraussetzungen für Erhaltungsarbeiten iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG (§ 14a Abs 2 Z 1 WGG) zu jenen iSd § 3 Abs 2 Z 5 MRG (§ 14a Abs 2 Z 5 WGG) vorgenommen. Zudem wurde die Unterscheidung zur Verbesserung iSd § 4 MRG herausgearbeitet.

Zum Sachverhalt

Eine gemeinnützige Bauvereinigung wollte im Jahr 2015 an einem von ihr im Jahr 1975 errichteten Haus Dacharbeiten, eine Dämmung der obersten Geschossdecke und Reparaturen an einzelnen Loggien sowie im Inneren des Hauses durchführen. Nach Aufstellen eines Gerüsts entdeckten Mitarbeiter der Bauvereinigung aber sanierungsbedürftige Fassadenschäden im Bereich der Anschlüsse der Fenster an die Fassaden im Bereich der Fensterlaibungen. Da nach dem heutigen Stand der Technik bei einer Sanierung der Fensterlaibungen eine Wärmedämmung angebracht und die Fassade neu verputzt werden müsste, beschloss die Bauvereinigung die Wärmedämmung an der gesamten Fassade anzubringen und alle Fenster zu erneuern, was den Mietern per Brief mitgeteilt wurde. Mehrere Mieter:innen waren mit dieser Vorgangsweise nicht einverstanden. Eine Mieterin, die bereits auf eigene Kosten ihre Fenster getauscht hatte, brachte daher einen Antrag gem § 8 MRG bei der Schlichtungsstelle ein.

Der Antrag richtete sich darauf, dass festgestellt werden möge, dass sie die von der Bauvereinigung vorgenommene Arbeiten nicht zu dulden habe und festgestellt werden möge, dass der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt werden müsse.

Da die Wohnung der Mieterin in einem von einer gemeinnützigen Bauvereinigung errichteten Gebäude gelegen ist, kommen die Bestimmungen des WGG zur Anwendung. Gem § 20 Abs 1 WGG gilt bei diesen Bestandsverhältnissen § 8 MRG. Zudem ist § 3 Abs 2 Z 1 MRG gleichlautend wie § 14a Abs 2 Z 1 WGG und § 3 Abs 2 Z 5 MRG nahezu wortgleich zu § 14a Abs 2 Z 5 WGG. Die geschaffene Rechtsprechung hat daher für Mietverhältnisse die dem WGG, und jene die dem MRG unterliegen die gleiche Bedeutung.

Die Schlichtungsstelle bzw die Gerichte haben daher zu beurteilen, ob die Voraussetzungen der §§ 3 (Erhaltung), 4 MRG (Verbesserung) bzw §§ 14a, 14b WGG vorliegen.

Verfahrensablauf

Die Schlichtungsstelle als auch das daraufhin von der Mieterin angerufene Bezirksgericht wiesen den Antrag ab. Das Erstgericht beurteilte unter Bezugnahme auf den „dynamischen Erhaltungsbegriff“ die vorgenommenen Arbeiten als Erhaltungsarbeiten iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG (§ 14a Abs 2 Z 1 WGG).

Die Antragstellerin rekurierte die Entscheidung aus rechtlichen Gründen und aufgrund sekundärer Feststellungsmängel. Das Landesgericht hob in der Folge den Sachbeschluss des Bezirksgerichts auf.

Anders als das Erstgericht sah das Rekursgericht die erstmalige Herstellung einer Vollwärmeschutzfassade als keine Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG an. Das Gericht führte dazu aus, dass andernfalls immer dann, wenn sich an einer noch nicht wärmegedämmten Fassade Reparaturbedarf ergebe, dies zur Folge hätte, dass die Anbringung eines Vollwärmeschutzes als Erhaltungsmaßnahme gerechtfertigt und auch gegen Vermieter:innen durchsetzbar wäre.

Bei der erstmaligen Herstellung eines Vollwärmeschutzes wäre daher gemäß § 3 Abs 2 Z 5 MRG und § 14a Abs 2 Z 5 WGG erforderlich, dass die hiefür aufzuwendenden Kosten in einem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zum allgemeinen Erhaltungszustand des Hauses (der Baulichkeit) und den zu erwartenden Einsparungen stehen, andernfalls sei dies keine Erhaltungsmaßnahme.

Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehlte, ob das erstmalige Anbringen einer Wärmeschutzfassade im Zug von Erhaltungsarbeiten im Weg des „dynamischen Erhaltungsbegriffs“ doch unter § 3 Abs 2 Z 1 MRG subsumierbar ist.

Erhaltung nach § 3 Abs 2 Z 1 und Z 5 MRG

Der Oberste Gerichtshof führte dazu aus, dass es für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG (§ 14a Abs 2 Z 1 WGG) eines Mangels im Sinn einer Reparaturbedürftigkeit, eine Einschränkung der Funktionsfähigkeit oder Brauchbarkeit oder ebenfalls eine Schadensgeneigtheit bedarf. Für die Anwendung des § 3 Abs 2 Z 5 MRG (§ 14a Abs 2 Z 5 WGG) ist das jedoch nicht Voraussetzung, weshalb es sich dabei eben auch um „fiktive“ Erhaltungsarbeiten handelt. Die Anwendung der Z 5 erfordert aber die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung iSd Gesetzesstelle und verlangt daher – im Gegensatz zur Definition der Erhaltungsarbeit in der Z 1 – dass die erforderlichen Kosten in einem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zum allgemeinen Erhaltungszustand des Hauses und den zu erwartenden Einsparungen stehen.

Einordnung eines Vollwärmeschutzes als Erhaltungsarbeit

Allerdings kann das Erfordernis wärmedämmender Maßnahmen eine Erhaltungsarbeit darstellen, wenn eine bloße Reparatur des betroffenen allgemeinen Teils des Hauses nicht mehr möglich oder wirtschaftlich nicht mehr vertretbar ist, und die damit einhergehende Anhebung auf den ortsüblichen und technischen Standard dem sonstigen Erhaltungszustand des Hauses entspricht. Bei einem solchen Verständnis des dynamischen Erhaltungsbegriffs führt nicht schon jeglicher Reparaturbedarf an der Fassade zu einer – von Mieter:innen durchsetzbaren – Verpflichtung zur Anbringung eines Vollwärmeschutzes und auch die Anwendung von § 3 Abs 2 Z 5 MRG (§ 14a Abs 2 Z 5 WGG) ist nicht auf Fälle beschränkt, wo gar kein Reparaturbedarf an der Fassade besteht.

Abgrenzung Erhaltung/Verbesserung

Für die Abgrenzung der Erhaltung von der Verbesserung ist die Erhaltung „im jeweils ortsüblichen Standard“ von Bedeutung, sodass zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten zur Erhaltung bestehender Anlagen noch zur Erhaltung gehören, selbst wenn es sich um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands handelt oder es dabei zu einer vollständigen Erneuerung kommt und dabei sogar Veränderungen vorgenommen werden. Dabei bezieht sich der OGH auf § 3 Abs 2 Z 3 wonach der Ersatz einer nur mit unwirtschaftlichem Aufwand reparaturfähigen Anlage durch eine gleichartige neue noch Erhaltung (und nicht Verbesserung) ist. Diese Regelung ist verallgemeinerungsfähig. Die Erneuerung ist daher dann noch Erhaltungsarbeit, wenn die Reparatur nicht mehr möglich oder wirtschaftlich nicht mehr vertretbar ist und die damit einhergehende Anhebung auf den ortsüblichen und technischen Standard dem sonstigen Erhaltungszustand des Hauses entspricht.

Ist hingegen die Reparatur der schadhaften Gebäudeteile möglich und wirtschaftlich vertretbar, wird dem ortsüblichen Standard auch dann entsprochen, wenn dadurch nicht die heutigen Anforderungen des Wärme- und Schallschutzes erzielt werden können. Zur Beurteilung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit der Reparatur ist unter Berücksichtigung der zu erwartenden restlichen Lebensdauer ein Vergleich zwischen deren Kosten und denen der Erneuerung anzustellen.

Fazit

Das erstmalige Anbringen eines Vollwärmeschutzes stellt bei Vorliegen eines Mangels im Sinn einer Reparaturbedürftigkeit, eine Einschränkung der Funktionsfähigkeit oder Brauchbarkeit oder einer Schadensgeneigtheit eine Erhaltungsarbeit iSd Z 1 dar, wenn die Reparatur der Fassade nicht mehr möglich oder wirtschaftlich nicht mehr vertretbar ist. Diese Erhaltungsarbeit ist von Mieter:innen zu dulden, bzw können Mieter:innen diese auch gegen Vermieter:innen durchsetzen. Fehlen diese Voraussetzungen kann das Anbringen eines Vollwärmeschutzes dennoch eine – zu duldende bzw durchsetzbare – Erhaltungsarbeit iSd Z 5 sein, wenn die Arbeiten wirtschaftlich sind.

Wenn die damit einhergehende Anhebung über den ortsüblichen und technischen Standard und über den sonstigen Erhaltungszustand des Haues hinausgeht, handelt es sich bei Wirtschaftlichkeit um eine zu duldende Verbesserung.

Ist hingegen die Reparatur der schadhaften Gebäudeteile möglich und wirtschaftlich vertretbar, stellt das Anbringen eines Vollwärmeschutzes keine zu duldende Erhaltungsarbeit dar.

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