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Johann Schöffthaler | News | 12.07.2016

Arbeitszeit von HausbesorgerInnen und HausmeisterInnen – eine nicht kontrollierbare Klientel für die Arbeitsinspektion

Gastautor Johann Schöffthaler erläutert in seinem Beitrag wieso die Sonderregelung des § 19 AZG nicht nur problematisch und für die Arbeitsinspektion schwer zu prüfen ist, sondern sogar gegen die EU-Arbeitszeitrichtlinie verstößt.

Ursprünglich waren die HausbesorgerInnen und HausmeisterInnen vom Arbeitszeitgesetz (AZG) ausgenommen. Durch das Inkrafttreten einer Novellen (siehe § 34 Abs 11 AZG, wonach § 1 Abs 2 Z 5 und § 19 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 37/2000 mit 1. Juli 2000 in Kraft getreten) gilt für nach dem 30.06.2000 abgeschlossene Arbeitsverträge, die die Betreuung von Häusern zum Gegenstand haben, das Hausbesorgergesetz nicht mehr (siehe auch § 31 Abs 5 HausbesorgerG, BGBl I 2000/36). Auch solche, dem Geltungsbereich des Hausbesorgergesetzes entzogene Hausbetreuer sind gemäß § 1 Abs 2 Z 5 lit b vom AZG ausgenommen, wenn Vertragspartner unmittelbar der Liegenschaftseigentümer oder die Liegenschaftseigentümerin ist.

Die Arbeitszeit bei Arbeitsverhältnissen zur Reinhaltung, Wartung und Beaufsichtigung von Häusern ist durch § 19 Arbeitszeitgesetz geregelt, wonach für Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen die Arbeitsverpflichtung gemäß § 1 Abs 2 Z 5 lit b AZG jenes Ausmaß nicht übersteigen darf, das von einer vollwertigen Arbeitskraft unter Einhaltung der wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 9 Abs 1 AZG bewältigt werden kann.

Sonderregelung der Arbeitszeit problematisch

Für diese ArbeitnehmerInnen enthält § 19 AZG eine problematische Sonderregelung der Arbeitszeit. § 19 AZG zielt auf eine Limitierung der Gesamtarbeitsbelastung parallel zur Begrenzung der Gesamtarbeitszeit in § 9 AZG für sonstige Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ab, begrenzt jedoch nicht die Arbeitszeit an sich, sondern den Umfang der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung:

„Es darf die geschuldete Arbeitsmenge jenes Ausmaß nicht übersteigen, das ‚von einer vollwertigen Arbeitskraft‘ in der sonst zulässigen Gesamtarbeitszeit von 50 Wochenstunden gemäß § 9 Abs 1 AZG bewältigt werden kann.“

Schwierigkeiten bei Kontrolle durch das Arbeitsinspektorats

Dazu ist festzustellen, dass die Regelung nicht vollziehbar ist. Der kontrollierende Arbeitsinspektor oder die Arbeitsinspektorin müsste sämtliche Tätigkeiten erheben, die bei der Betreuung des konkreten Hauses anfallen, und ermitteln, welche Zeit ein fiktiver „vollwertiger Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin“ dafür benötigen würde. Abgesehen vom Zeitaufwand, den schon dieser Erhebungsvorgang erfordern würde, gibt es keine anerkannte Methode, wie die Leistungskraft des „vollwertigen Arbeitnehmers oder Arbeitnehmerin“ gemessen werden soll.

Es gibt keine medizinische oder psychologische Erkenntnisse oder auch Statistiken aufgrund derer die Vollwertigkeit festgestellt werden kann. Selbst wenn es sich feststellen ließe, ist es nicht möglich diese Messgröße der vollwertigen Arbeitskraft an das konkrete Haus anzulegen. Die Arbeitsinspektorate haben keine und können auch nicht, eine aufgrund der angedeuteten medizinischen, psychologischen und statistischen Erkenntnisse geeichte vollwertige Arbeitskraft quasi als Messinstrument einsetzen, die dann eine Woche lang die Hausbetreuung übernimmt, um festzustellen, ob die betreffende Arbeitsverpflichtung vom genormten Arbeitnehmer oder der genormten Arbeitnehmerin in 50 Stunden erledigt werden kann.

Selbst wenn es gelänge, die Regelung mit großem Aufwand zu vollziehen, müsste der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin bei einer Überschreitung keine arbeitnehmerschutzrechtlichen Folgen befürchten. In § 28 AZG, in welchem die Strafbestimmungen stehen, findet sich keine Strafnorm! Die Vorschrift kann also nur vertragsrechtliche Wirkung entfalten, etwa bei der Überprüfung, ob eine Arbeitsverweigerung eines Hausbetreuers oder einer Hausbetreuerin unter Hinweis auf die Überschreitung der Schutzgrenze gemäß § 19 AZG durch die aufgetragene Arbeit eine fristlose Entlassung rechtfertigt oder nicht. Das erkennende Arbeits- und Sozialgericht würde bei seiner Beweiserhebung vor denselben methodischen Schwierigkeiten stehen wie das Arbeitsinspektorat.

Verstoß der Regelung gegen EU-Arbeitszeitrichtlinie

Die Regelung ist nicht nur praktisch unvollziehbar, sie verletzt auch die EU-Arbeitszeitrichtlinie 2002/88/EG. Gemäß § 19 ist es zulässig, mit einer zB aufgrund fortgeschrittenen Alters oder einer Behinderung nicht die Arbeitsgeschwindigkeit einer „vollwertigen Arbeitskraft“ erreichenden Hausbetreuerin ein Arbeitspensum zu vereinbaren, für das sie, anders als die fiktive „vollwertige Arbeitskraft“, nicht 50, sondern 60, 70 oder noch mehr Stunden benötigt. Dieses von § 19 AZG ermöglichte Arbeitszeitausmaß überschreitet aber die gemäß Art 6 der EU-Arbeitszeitrichtlinie 2002/88/EG zulässige Höchstarbeitsgrenze von 48 Stunden wöchentlich. Die Berufung der Gesetzesmaterialien auf die Ausnahmemöglichkeit gemäß Art 17 Abs 1 RL 2003/88, wonach, wenn die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und/oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den ArbeitnehmerInnen selbst festgelegt werden kann, ist nicht schlüssig, weil Art 17 selbst die „HausmeisterInnen“ einer anderen Ausnahmeregelung zuordnet (Art 17 Abs 3 Z 1 lit b RL 2003/88), die jedoch eine Überschreitung der 48-Stunden-Grenze nicht erlaubt.

Aber wie geschrieben, es ist praktisch nicht kontrollierbar.