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Josef Schaffer | News | 25.05.2011

Auswahl von persönlicher Schutzausrüstung

Wie schaffe ich eine möglichst große Akzeptanz für das Tragen der Schutzausrüstung? DI Josef Schaffer erläutert, welche Überlegungen und Vorgangsweisen zielführend sein könnten

Kennen Sie das Problem? Es gibt offensichtliche Verletzungsgefahren, zumeist sogar laufende Kleinverletzungen, die vorhandene PSA (z.B. Handschuhe, Schutzbrillen, oä) werden aber nicht verwendet oder getragen.

Unabhängig davon, ob es sich um die „Neueinführung“ oder die Optimierung der bestehenden Situation handelt, sollten Sie folgende Überlegungen anstellen:

  1. Welche Gefährdung liegt vor?
  2. Welche Produkte gibt es am Markt?
  3. Welche Argumente werden vorgebracht um die PSA nicht zu verwenden?
  4. Sind dies richtige Argumente oder nur „Schutz- bzw Abwehrbehauptungen“?
  5. Welche Vorteile ergeben sich für die ArbeitnehmerInnen?
  6. Wer könnte mein Verbündeter unter den ArbeitnehmerInnen sein?
  7. Wer hat kein Interesse an der Verwendung der PSA?
  8. Mit welcher Strategie führe ich die Veränderung ein?

Teilweise sind die einzelnen Punkte selbsterklärend, trotzdem gibt es einige wichtige Aspekte, die zu beachten sind.

Argumente gegen die Verwendung

Dabei besteht die größte Herausforderung darin, herauszufiltern, ob es sich um die tatsächlichen Vorbehalte oder nur um Scheinargumente handelt. Zumeist gibt es Probleme mit dem Tragekomfort, der Bequemlichkeit der ArbeitnehmerInnen, dem Aufwand die PSA anzulegen, wegen dem veränderten Gefühl (=Gewohnheitsaspekt) oder der fehlenden Gefahrenwahrnehmung.

Vorteile und Nutzen für die Anwender

Legen Sie viel Zeit und Aufwand in die Erhebung möglicher Vorteile für die ArbeitnehmerInnen. Scheuen Sie sich nicht davor, auch Argumente zu finden, welche mit Arbeitssicherheit nichts zu tun haben (siehe Beispiel unten).

Verbündete und Gegner

Im Hinblick auf die Einführung ist es immer wichtig, sich Verbündete (am besten sind Meinungsbildner) im Kreis der ArbeitnehmerInnen zu suchen und auch die Gegner zu kennen.
Eine geringe Unfallschwere wird zu keinem Krankenstand führen, dennoch wird es zu einer Ausfallzeit von 5-10 min pro Ereignis kommen (Ärger über die Verletzung, Weg zum Verbandkasten, Verbinden, Arbeitseinschränkung, Motivation, etc).

Gewohnheit

Personen, die sich mit menschlichen Verhaltensweisen beschäftigen, wissen, dass neben der Vermittlung des Wissens, neben dem Verstehen des Handelns das Training unerlässlich ist. Nur damit ist gewährleistet, dass die Abläufe (das Aufsetzen der Schutzbrille, das Anziehen der Handschuhe) zu Gewohnheit werden, vergleichbar dem Anlegen des Sicherheitsgurtes beim Einsteigen ins Auto.

Strategie der Einführung bzw Änderung

Üben Sie nur als letztes Mittel Druck aus!
Versuchen Sie andere Ansätze, wie zB:

  • „Schleichende Einführung“, bei der Sie zuerst nur einen Meinungsbildner mit der PSA ausstatten und somit das Tragen der PSA für die anderen ArbeitnehmerInnen erstrebenswert wird.
  • Bonusmodelle, mit denen Sie das gewollte Verhalten belohnen.
  • Auszeichnungsmodelle, bei denen MitarbeiterInnen für bestimmte Leistungen das neuere PSA-Modell erhalten. Bald werden alle das neue Modell haben wollen. Dies kann man zB einsetzen, wenn der Hersteller ein PSA-Modell verändert hat.

Aber machen Sie sich keine Vorwürfe, wenn nicht gleich alle MitarbeiterInnen zu 100 % mitmachen, manchen fehlt das Training bzw die Gewohnheit und ca 5 % werden immer dagegen sein, hier hilft dann wirklich nur mehr Druck durch den Vorgesetzten.

Sollten Sie nun einwenden, dass ja auch die Geschäftsleitung noch von den oft zusätzlichen Kosten überzeugt werden muss – das ist zumeist das geringste Problem: Machen Sie eine Grobkostenschätzung und vertrauen Sie auf den Wunsch der MitarbeiterInnen die Artikel „haben zu wollen“. Das größte Problem ist, wenn eine PSA vorhanden ist und teurer war, die MitarbeiterInnen diese dann aber nicht verwenden – dann ist es wirklich verschwendetes Geld.

Beispiel: Einführung von Handschuhen bei Biegepressen für die Verarbeitung von Nirosta:

Ausgangslage:

Die Nirostaplatten wurden vorwiegend mit einer Schlagschere oder einer Stanze bearbeitet, wodurch kleine Grate an den Werkstücken verblieben. Trotz dem teilweisen Abgraten kam es immer wieder zu Klein- oder Mikroverletzungen. Zusätzlich hat der Metallstaub zu einer starken Verunreinigung der Hände geführt, welche dann noch durch den Reinigungsvorgang (Waschsand, Bürsten) zusätzlich beansprucht wurden.

Lösung:

Nach eingehendem Studium und einigen Versuchen (Schutzcreme, Handschuhe) wurde ein leichter Montagehandschuh als die beste Lösung ausgewählt. Damit haben die Mitarbeiter nicht nur einen Schutz gegen die Klein- und Mikroverletzungen (natürlich kein klassischer Schnittschutz) sowie gegen den angesprochenen Metallstaub, sondern auch noch genügend „Gefühl“ um die Presse zu bedienen, die Abmessungen in die Steuerung einzugeben, etc

Vorteil bzw Nutzen:

Neben der oben angesprochenen Schutzwirkung, hat sich als eines der gewichtigsten Argumente erwiesen, dass das Biegewerkzeug nicht mehr so schnell rostig wird wie zuvor. Dies deshalb, da kein direkter Kontakt mehr mit den schweißbehafteten Händen stattfindet und die Reinigung leichter wird – für die Praxis ist es egal, aus welcher Motivation heraus nun die Handschuhe getragen werden.

Einführung der Montagehandschuhe:

Ich wählte die „schleichende Einführung“, da ich den Vorteil hatte, dass in diesem Bereich eine Sicherheitsvertrauensperson (SVP) tätig und auch als Meinungsbildner akzeptiert war. Es hat zwar ca 5-6 Monate gedauert, aber nun tragen alle Mitarbeiter bei der angesprochenen Tätigkeit (zumeist schon während der ganzen Arbeitszeit) weiße Handschuhe – und das in einer „Metallbude“.

Kosten:

Durch die schleichende Einführung sind die Gesamtkosten nie wirklich ein Thema gewesen. Natürlich hatte ich auch den Vorteil, dass es sich hier nur um ca 1 EUR pro Mitarbeiter und Woche handelte und die Geschäftsleitung gesehen hat, dass keine „unnötige“ PSA gekauft wird, welche dann nicht benutzt wird.

Versuchen Sie andere Wege zum Ziel, legen Sie viel Wert auf die richtige PSA und akzeptieren Sie den Mitarbeiternutzen, auch wenn er für Sie nicht gleich sichtbar ist!

Autor: DI Josef Schaffer