Dokument-ID: 1056073

Johann Schöffthaler | News | 12.03.2020

Der Coronavirus und wichtige Änderungen bezüglich der Arbeitszeitverlängerung

Gastautor Johann Schöffthaler, MA, erläutert, welche Regelungen im AZG, ARG und KA-AZG im Ernstfall bezüglich der Arbeitszeitverlängerung gelten und welche Meldepflichten Arbeitgeber treffen.

Rechtliche Grundlagen

§ 20 Abs 1 AZG, § 11 Abs 1 ARG, § 8 Abs 1 KA-AZG

Siehe auch Erlass vom 4.3.2020, GZ 2020-0.148.636 und Ergänzung zum Erlass Außergewöhnliche Fälle wegen Auftretens des Corona-Virus (SARS-CoV-2); KA-AZG; AZG

Das Auftreten des Coronavirus (SARS-CoV-2) stellt einen außergewöhnlichen Fall gemäß § 8 Abs 1 KA-AZG und § 11 Abs 1 ARG sowie § 20 Abs 1 AZG dar. Für die in diesem Zusammenhang erforderlichen Maßnahmen sind daher die in den genannten Regelungen zugelassenen Abweichungen von Arbeitszeitbestimmungen zulässig.

Grundlegendes

Dadurch dass in Österreich laufend Erkrankungen und Verdachtsfälle in Zusammenhang mit dem Coronavirus (Bezeichnung des Erregers: SARS-CoV-19; Bezeichnung der Erkrankung: COVID-2019) auftreten, ist es notwendig, um zB Patientinnen und Patienten rasch zu isolieren und zu behandeln, eine weitere Ausbreitung zu unterbinden, Verdachtsfälle schnell abzuklären und der Bevölkerung Zugang zu raschen Informationen zu bieten. Deshalb werden umfangreiche Maßnahmen ergriffen, die zügiges Handeln und erforderlichenfalls auch hohen Personaleinsatz erfordern.

Da die rasche Ausbreitung des Coronavirus nicht vorhersehbar war und eine außergewöhnliche Situation für die mit der Bekämpfung des Virus betrauten Krankenanstalten und sonstigen Einrichtungen darstellt, handelt es sich um außergewöhnliche Fälle gemäß § 8 Abs 1 KA-AZG und § 11 Abs 1 ARG sowie § 20 Abs 1 AZG.

Regelungen des ARG und AZG

Im Hinblick auf das ARG handelt es sich um außergewöhnliche Fälle gemäß § 11 Abs 1 Z 1 ARG, da eine unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit von Menschen besteht und die erforderlichen Arbeiten sofort vorgenommen werden müssen.

Auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für die das AZG gilt, können infolge der Ausbreitung des Coronavirus von einem außergewöhnlichen (nicht durch die normale Arbeitsorganisation abdeckbaren) Arbeitsbedarf betroffen sein, zB Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die über Hotlines zum Thema beraten, oder wenn in nicht dem KA-AZG unterliegenden Einrichtungen rasch eine hohe Anzahl von Tests durchgeführt werden müssen.

Sofern Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dem AZG unterliegen, handelt es sich um außergewöhnliche Fälle gemäß § 20 Abs 1 lit a AZG. Bei dem AZG unterliegenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern darf auch die durchschnittliche Wochenhöchstarbeitszeit überschritten werden, ohne dass dafür eine spezielle Zustimmungserklärung der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erforderlich wäre.

Außergewöhnliche Fälle gemäß § 11 Abs 1 ARG und § 20 Abs 1 AZG sind binnen zehn Tagen dem zuständigen Arbeitsinspektorat zu melden (§ 11 Abs 2 ARG und § 20 Abs 2 AZG). Es gilt jedoch das oben zu § 8 Abs 4 KA-AZG beschriebene.

Hinweis:

In der Ergänzung zum Erlass vom 4.3.2020, GZ 2020-0.148.636, Außergewöhnliche Fälle wegen Auftretens des Corona-Virus (SARS-CoV-2); KA-AZG; AZG wird ausdrücklich klargestellt, dass der Erlass nicht auf den Gesundheitssektor beschränkt ist, sondern auch in anderen Branchen Anwendung finden kann.

Lage in Krankenhäusern

Krankenanstalten können betroffen sein, ua indem sie bei Verdacht auf eine Erkrankung durch den Coronavirus Infektion Tests durchführen und infizierte Patientinnen und Patienten behandeln.

Im Rahmen des Geltungsbereichs des KA-AZG sind die Voraussetzungen für die Anwendung des § 8 Abs 1 KA-AZG gegeben: Das Auftreten des Coronavirus stellt auch für Krankenanstalten einen außergewöhnlichen, nicht vorhersehbaren Fall dar, wenn andere organisatorische Maßnahmen (wie die Anschaffung zusätzlicher Testgeräte und die Aufnahme zusätzlichen qualifizierten Personals) in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich sind.

Eine sofortige Betreuung von Patientinnen und Patienten ist unbedingt erforderlich: Tests zur Feststellung einer Infektion müssen so rasch wie möglich durchgeführt werden, um abklären zu können, ob Personen tatsächlich infiziert sind und behandelt werden müssen und um weiterführende Maßnahmen (wie das Ausfindigmachen von Personen, mit denen die Infizierten Kontakt hatten) ergreifen zu können. Sollte sich der Verdacht einer Infektion bestätigen, ist eine sofortige aufwändige Behandlung erforderlich. Sollten – für den Fall einer Verschlechterung der Situation – tatsächlich eine Vielzahl von schweren Infektionen auftreten und daher zu vielen zusätzlichen Patientinnen und Patienten führen, könnte dies ebenfalls zu einer Überschreitung der Arbeitszeitgrenzen führen.

Bestimmungen zur Arbeitszeit gem KA-AZG

Bei Vorliegen eines außergewöhnlichen Falls gemäß § 8 Abs 1 KA-AZG finden die Bestimmungen des KA-AZG zu den Arbeitszeitgrenzen (Tageshöchstarbeitszeit, Dauer von verlängerten Diensten, Höchstzahl von verlängerten Diensten, Wochenhöchstarbeitszeit in einzelnen Wochen), zu den Ruhepausen und zur täglichen Ruhezeit keine Anwendung.

Zustimmung durch Dienstnehmer/innen

Grundsätzlich sehr wohl einzuhalten ist allerdings die durchschnittliche Wochenhöchstarbeitszeit. Die durchschnittliche Wochenhöchstarbeitszeit darf auch in außergewöhnlichen Fällen nur überschritten werden, wenn die einzelne Dienstnehmerin oder der einzelne Dienstnehmer schriftlich zustimmt. Diese schriftliche Zustimmung kann vorab für alle künftigen außergewöhnlichen Fälle gemäß § 8 Abs 1 KA-AZG erteilt werden. Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer, die in außergewöhnlichen Fällen Arbeitszeiten überschritten haben, können (anders als bei der Zustimmung zum Opt-Out gemäß § 4 Abs 4b KA-AZG) auch im Nachhinein schriftlich zustimmen, dass durch diese Überschreitungen die durchschnittliche Wochenarbeitszeit überschritten werden darf. Im Übrigen gilt für diese Zustimmungserklärungen (wie beim Opt-Out) § 11b KA-AZG.

Meldung der Arbeitszeitverlängerung

Arbeitszeitverlängerungen in Zusammenhang mit außergewöhnlichen Fällen sind grundsätzlich binnen vier Tagen dem zuständigen Arbeitsinspektorat zu melden (§ 8 Abs 4 KA-AZG).

Ein Unterbleiben dieser Meldung bedeutet aber nicht, dass § 8 Abs 1 KA-AZG nicht zur Anwendung kommen kann, sondern stellt lediglich eine eigenständige Übertretung dar (§ 12 Abs 1 Z 6 KA-AZG).

Wegen der für alle Betroffenen herausfordernden Situation ist anzunehmen, dass in vielen Fällen vergessen werden könnte, die erforderliche Meldung an das zuständige Arbeitsinspektorat zu erstatten. Im Hinblick darauf wird beim Unterbleiben von Meldungen in diesen Fällen ausnahmsweise weder mit Aufforderungen noch mit Strafanzeigen vorgegangen. Auf die Meldepflicht wird seitens des Arbeitsinspektorates beratend hingewiesen.

Beitrag erstellt auf Basis der Informationen von Mag. Helmut Reznik (Rechtsabteilung vom ZAI)