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Johann Schöffthaler | News | 21.11.2016

Die üblichen Verdächtigen und die kleinen Fallen: Rufbereitschaft, Arbeitsbereitschaft und Ruferreichbarkeit

Gastautor Johann Schöffthaler erläutert in diesem Beitrag die Unterschiede zwischen Arbeitsbereitschaft, Rufbereitschaft und Ruferreichbarkeit. Was gilt es bei der Ruferreichbarkeit von Apotheker/innen zu beachten?

Wo ist die Grenze zwischen Arbeits- und Rufbereitschaft zu ziehen?

Der Unterschied zur Arbeitsbereitschaft besteht darin, dass der Aufenthaltsort während der Rufbereitschaft selbst bestimmt wird (eine Einschränkung gibt es nur durch die Möglichkeit der umgehenden Arbeitsaufnahme), während bei der Arbeitsbereitschaft der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin den Aufenthaltsort des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin bestimmt. Wenn allerdings formal der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin das Bestimmungsrecht über den Aufenthaltsort hat, in der Praxis aber regelmäßig und oftmals während der Bereitschaftszeit gestört wird, so liegt Arbeitsbereitschaft vor (vgl. VwGH 91/19/0248, DRdA 1992, 290; OLG Wien 8 Ra 11/08h, ARD 5960/9/2009). Der Unterschied zwischen den beiden Formen der Bereithaltungspflicht liegt also vorwiegend in der Ortsgebundenheit, die Arbeitsbereitschaft charakterisiert, aber auch die Intensität der Nähe und Häufigkeit zur Arbeitsaufnahme kann Arbeitsbereitschaft begründen.

Die Ruferreichbarkeit von Apothekerinnen und Apothekern

§ 19a Abs 7 AZG führt eine zusätzliche, im allgemeinen Arbeitszeitrecht nicht vorkommende, arbeitszeitrechtliche Kategorie in das AZG ein:

Die Ruferreichbarkeit gemäß § 8 Abs 3 Apothekengesetz ist nicht mit der Rufbereitschaft identisch, da sich der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin entgegen der Rufbereitschaft – in der Apotheke selbst oder in ihrem unmittelbaren Umfeld aufhalten und für Kundschaft jederzeit erreichbar sein muss (in der Praxis muss sich der Apotheker oder die Apothekerin im Apothekengebäude aufhalten, um Kundschaft in der Nacht und am Wochenende schnell bedienen zu können).

Vereinbarung einer Ruferreichbarkeit

Es darf nun einzelvertraglich mit angestellten Apothekenleitern/innen oder sonstigen vertretungsberechtigten Apothekern/innen, die in der einzigen öffentlichen Apotheke in der betreffenden Gemeinde tätig sind, eine Ruferreichbarkeit an 15 Tagen pro Monat, auch unmittelbar hintereinander, vereinbart werden (§ 8 Abs 3 Apothekengesetz schreibt solchen Apotheken eben die ständige Ruferreichbarkeit vor, um die durchgehende Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten sicherzustellen). Der Kollektivvertrag kann eine Durchrechnung zulassen, dass innerhalb von 13 Kalenderwochen 45 Tage Ruferreichbarkeit (davon jedoch höchstens 30 Tage unmittelbar hintereinander) geleistet werden. § 19a Abs 7 AZG lässt somit die ununterbrochene Kasernierung eines Apothekers oder einer Apothekerin für einen ganzen Monat zu!

Länge der Arbeitszeit

Innerhalb eines solchen Bereitschaftsdienstes darf die Arbeitszeit bis zu 12 Stunden betragen, ohne dass im Rahmen der Arbeitszeit Arbeitsbereitschaft in bestimmtem Ausmaß vorliegen muss, es kann sich also auch um reine Arbeitszeit im engeren Sinne handeln (§ 19a Abs 8 Z 1 AZG). Ein Ausgleich ist nicht vorgesehen, die zusätzliche Ruhezeiten gemäß § 12a Abs 4 bis 6 AZG sind nicht zu gewähren, denn die Anwendung dieser Bestimmung wird von § 19a Abs 8 Z 1 zweiter Satz explizit ausgeschlossen.

Unterschied zu Arbeitsbereitschaft und Rufbereitschaft

Die Ruferreichbarkeit gemäß § 8 Abs 3 Apothekengesetz ist ein Mittelding zwischen Arbeitsbereitschaft, die keine Ruhezeit sein kann, und Rufbereitschaft, bei der der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin nicht mit einer so kurzen Leine an den Arbeitsplatz gefesselt werden darf. Die in Ruferreichbarkeit zugebrachte Ruhezeit darf gemäß § 19a Abs 8 Z 2 unterbrochen werden. Beträgt einer der Ruhezeitteile mindestens 8 Stunden, so ist wegen der Unterbrechung eine andere (tägliche oder wöchentliche) Ruhezeit innerhalb von 2 Wochen um 4 Stunden zu verlängern; ist kein mindestens 8-stündiger Ruhezeitteil in der Ruhezeit enthalten, beträgt die Verlängerung 6 Stunden (in letzterem Falle müsste also zB einmal eine 17-stündige tägliche Ruhezeit oder eine 42-stündige wöchentliche Ruhezeit als Ausgleich für die mehrfach gestörte Nachtruhe gewährt werden).

Einschränkungen bei Ruferreichbarkeit

Eine gewisse Einschränkung der soeben beschriebenen Ruferreichbarkeitsregelung gemäß § 19a Abs 7f AZG gilt für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die als Vertreter für alleinarbeitende Apothekenleiter beschäftigt werden:

Die ununterbrochene Abfolge von Arbeitsleistungen untertags und Ruferreichbarkeitsdiensten gemäß § 8 Abs 3 Apothekengesetz in der Nacht und am Wochenende ist in höchstens vier aufeinander folgenden Wochen zulässig (§ 19a Abs 9 AZG). Nach einer solchen Bereitschaftsperiode ist eine entgeltfortzahlungspflichtige Dienstfreistellung von zwei Tagen pro Woche der Vertretungsphase zu gewähren. Ist das Arbeitsverhältnis mit dem Ende der Vertretung für den alleinarbeitenden Apothekenleiter/in befristet, verschieben sich der Fristablauf und damit das Vertragsende um die Dauer der Dienstfreistellung hinaus.

Hinweis § 1155 ABGB:

(1) Auch für Dienstleistungen, die nicht zustande gekommen sind, gebührt dem Dienstnehmer das Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Dienstgebers liegen, daran verhindert worden ist; er muß sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat.

(2) Wurde er infolge solcher Umstände durch Zeitverlust bei der Dienstleistung verkürzt, so gebührt ihm angemessene Entschädigung. (sic!)