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Martina Molnar | News | 03.02.2012

Evaluierung arbeitsbedingter psychischer Belastungen - worum geht es?

Gastautorin Mag. Molnar, Gesundheits- und Arbeitspsychologin, erläutert in ihrem Beitrag warum eine Evaluierung dabei so wichtig ist, was und wie aus der Sicht der Arbeitsinspektion evaluiert werden soll.

Mag. Martina Molnar: Gesundheits- und Arbeitspsychologin, GF humanware GmbH, Lektorin für Arbeitspsychologie an der Univ. Wien (Fakultät für Psychologie)

Seit Anfang 2011 findet sich auf der Website der Arbeitsinspektion im BMASK ein Leitfaden, der sich mit den Anforderungen und dem Vorgehen bei der Evaluierung arbeitsbedingter psychischer Fehlbelastungen befasst. Die Autorin ist gemeinsam mit E. Huber (Zentral-Arbeitsinspektion) für die Inhalte des Leitfadens verantwortlich. Sie gibt hier eine Übersicht zum Thema.

Was ist eine psychische Belastung?

Es gibt keine Arbeit ohne körperliche Anforderungen (z.B. sehen, hören, das Skelett und die Muskeln bewegen, das Herz-Kreislauf-System aktivieren, …) und psychische Anforderungen (z.B. Aufmerksamkeit und Konzentration steuern, Information wahrnehmen und bewerten, Kurz- und Langzeitgedächtnis nutzen, Wissen abrufen, Entscheidungen treffen, Handlungen setzen, …).

„Stoßen diese Anforderungen an menschliche Grenzen, treten Fehlbelastungen auf. Dies führt zu Beeinträchtigungen der Leistung, des Befindens, der Gesundheit und der Sicherheit.“ [1] • [Fußnote: Huber , Molnar (2011, S. 10)
 Die ÖNORM EN ISO 10075-1 definiert den Begriff „psychische Belastung“ so: „… alle Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken.“[2] • [Fußnote: DIN EN ISO 10075-1 ›Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung, S. 3.

Was ist psychische (Fehl-)belastung?

Psychische Fehlbeanspruchungen treten dann auf, wenn die Sinneswahrnehmungen, die Informationsverarbeitung und die emotionalen Vorgänge durch Fehlbelastungen aus der Arbeitssituation negativ beeinträchtigt werden. Beispielsweise kann die Arbeitsumgebung zu laut, zu dunkel oder blendend hell sein. In dieser Situation hören/sehen wir nicht gut, müssen wir uns mehr konzentrieren und machen mehr Fehler. Hier wirken die Arbeitsbedingungen sowohl physisch als auch psychisch fehlbelastend ein. Auch unklare, widersprüchliche, verzögerte Informationsprozesse, schlecht gewartete Werkzeuge und häufige Störungen bei der Arbeit sind psychische Fehlbelastungen, verlangsamen Arbeitsvorgänge und erhöhen die Fehlerquote.

Warum kann psychische Fehlbelastung krank machen und das Arbeiten erschweren?

Belastungen bzw Fehlbelastungen aktivieren den Organismus. Das ist normal und wir sind eine gewisse Zeit lang auch anpassungsfähig. Aber unaufhörlich einwirkende Fehlbelastungen führen zu einem Dauerfeuerwerk im Organismus. Das erzeugt chronischen Stress und die Erkrankungswahrscheinlichkeit derart geforderter Personen steigt deutlich an. In internationalen Langzeitstudien wurde nachgewiesen, dass chronischer Stress durchschnittlich zu einer Verdoppelung des Risikos einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, einer Muskel-Skelett-Erkrankungen sowie einer psychischen Erkrankungen führen kann. Eine humane Arbeitsgestaltung reduziert aber nicht nur das Erkrankungsrisiko der Beschäftigten, sondern gewährleistet auch, dass MitarbeiterInnen ihre Arbeitskraft nicht in einem hohen Maße an ihren Arbeitsbedingungen aufreiben.

Rechtliche Grundlagen:

Bei der Evaluierung sind alle arbeitsbedingten Gefahren und Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen, also physische und psychische Faktoren. Das ASchG weist immer wieder nicht nur auf die harten Fakten der Arbeitswelt hin (z.B. Arbeitsplätze, Arbeitsmittel, Arbeitsstoffe, …) sondern auch auf die Berücksichtigung der „weichen“ Faktoren (z.B. Arbeitsverfahren, Arbeitsvorgänge, Arbeitsorganisation, soziale Beziehungen, …). Solche Hinweise finden sich beispielsweise in § 4 Abs 1 ASchG (Ermittlung, Beurteilung, Maßnahmen), § 7 (Grundsätze der Gefahrenverhütung), §§ 76 Abs 1 und 81 Abs 1 ASchG (Aufgaben von ArbeitsmedizinerInnen und Sicherheitsfachkräften), etc [3] • [Fußnote: Molnar M. (2011)

Der Leitfaden für die Arbeitsinspektionen:

Leitfaden für die Arbeitsinspektionen „Bewertung der Evaluierung psychischer Fehlbelastungen bei der Kontroll- und Beratungstätigkeit“
Der Leitfaden für die Arbeitsinspektionen „Bewertung der Evaluierung psychischer Fehlbelastungen bei der Kontroll- und Beratungstätigkeit“ ist in der Zusammenarbeit aller Arbeitsinspektionen (Leitung: E. Huber) mit Arbeitspsychologinnen (Leitung: M. Molnar) entstanden und kann auch Betrieben eine Orientierung für die Herangehensweise bei der Evaluierung arbeitsbedingter psychischer Fehlbelastungen bieten. Er steht seit Anfang 2011 auf der Website der Arbeitsinspektion im BMASK. [4] • [Fußnote: Huber E., Molnar M. (2011)

Zentraler Bestandteil des Leitfadens ist ein Kriterienkatalog (Leitfaden, S 10-11), anhand dessen die ArbeitsinspektorInnen in den Betrieben konkrete Fragen stellen und eine Bewertung der Evaluierung vornehmen können. Das sind die wichtigsten Anforderungen an Betriebe:

1. Inhalte: Eine korrekte Evaluierung arbeitsbedingter psychischer Fehlbelastungen geschieht durch die Ermittlung und Beurteilung von vier Dimensionen: Merkmale der Arbeitsinhalte und Tätigkeiten, der Arbeitsumgebung, des Sozial- und Organisationsklimas sowie der Arbeitsabläufe und der Arbeitsorganisation. Im Leitfaden werden dazu auch Beispiele genannt (Leitfaden, S 12-13).

2. Methoden: Wie es für Lärm zB ein Lärmmessgerät gibt und Bewertungsmethoden zur Beurteilung der Belastungen bei Lastenhandhabung, so gibt es für arbeitsbedingte psychische Belastungen ebenfalls standardisierte und geprüfte Erhebungsinstrumente (Beispiele im Leitfaden S 14-16).

3. Maßnahmen: Daraus sind nach § 7 ASchG geeignete (ursachenbezogene und kollektiv wirksame) Maßnahmen zur Reduktion von psychischen Fehlbelastungen abzuleiten. Prävention setzt an den Arbeitsbedingungen und nicht an den Personen an. Die Optimierung einer ungenügenden Lärm- und Beleuchtungssituation, von unzureichenden Informationen, Arbeitsmitteln und zur Minimierung von Störungen kommt grundsätzlich allen Beschäftigten zugute, die in dieser Arbeitssituation stehen.

4. Sicherheits- und Gesundheitsschutz-Dokumente: Jede Feststellung von vorliegenden Belastungen – egal ob sie nun physisch und psychisch sind – soll so in den Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumenten festgehalten werden, dass klar ist, wo welche Gefahren/Belastungen auftreten und welche Maßnahmen dagegen gesetzt werden. Alle im Betrieb vorhandenen Dokumente und Formulare können dafür selbstverständlich wie bisher genutzt werden.

Mehr Information finden Sie hier: 

Kompaktseminar

Evaluierung arbeitsbedingter psychischer Fehlbelastungen
Dr. Elsbeth Huber (BMASK, Zentral-Arbeitsinspektorat), Mag. Martina Molnar (humanware GmbH)
Mittwoch, 25.4.2012, 9 bis 17 Uhr, Wien

Mehr Information unter: organisationsassistenz@humanware.at