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Martina Molnar - Christine Haiden - Brigitta Gruber | News | 23.09.2013

Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz – Antworten auf häufige Fragen

Sehr häufig wird man im Zusammenhang mit der Evaluierung psychischer Belastungen von betrieblichen Verantwortlichen mit der Frage konfrontiert, welches Verfahren man am besten für die Evaluierung heranzieht.

Verfahren, die in der arbeitspsychologischen Prävention eingesetzt werden, kommen auch bei der Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz zum Einsatz.

Die Auswahl eines geeigneten Verfahrens orientiert sich an der konkreten Fragestellung, die in Ihrem Unternehmen untersucht werden soll. Sie sollte optimalerweise von Fachkräften, zB von Arbeits- und Organisationspsychologen getroffen bzw idealerweise mit Ihnen (gegebenenfalls unter Einbeziehung von Arbeitsmedizinern, SFK, Betriebsrat, SVP, Arbeitsschutzausschuss) beraten werden.

Anforderungen an geeignete Verfahren werden auch seitens der österreichischen Arbeitsinspektion im Leitfaden „Bewertung der Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen im Rahmen der Kontroll- und Beratungstätigkeit“ ab Seite 15 in Kapitel 6 beschrieben („Kriterien für die Arbeitsinspektor/innen zu Eignung und Einsatz von Messverfahren im Rahmen der Arbeitsplatzevaluierung“).

Die per August 2103 adaptierte Fassung des Leitfadens finden Sie hier: http://www.arbeitsinspektion.gv.at/NR/rdonlyres/0BB56099-C850-4023-A497-E49CE58F0B26/0/Leitfaden_Psych_Eval_August2013_Endversion.pdf

Arbeitspsychologische Verfahren werden anhand von drei Merkmalen näher beschrieben, nämlich die Präzisionsstufe, den Verfahrensgegenstand und die Methode.

Präzisionsstufe

Nach der EN ISO 10075-3 unterscheiden wir drei Präzisionsstufen bei Verfahren:

Orientierende Verfahren: sie dienen der groben Einschätzung und erlauben AnwenderInnen, erste Informationen über die psychische Arbeitsbelastung zu gewinnen. Die Beantwortung erfolgt mit „ja/nein“ oder „trifft zu/trifft nicht zu“. Die Anzahl der erfassten Merkmale ist überschaubar. Zu dieser Gruppe zählen zB standardisierte Checklisten.

Verfahren für Übersichtszwecke (Screeningverfahren): sie sind differenzierter als orientierende Verfahren, erfordern auch mehr Aufwand und KnowHow von den AnwenderInnen und von den AkteurInnen des Betriebes. Screeningverfahren erfassen meist mehr eine größere Anzahl von Merkmalen als orientierende Verfahren, deren Beantwortung in mehreren Stufen erfolgt (zB mit den Antwortmöglichkeiten „ja“, „eher ja“, „teils/teils“, „eher nein“, „nein“). Zu dieser Gruppe zählen zB standardisierte schriftliche Befragungsinstrumente.

Verfahren für Zwecke der vertiefenden Messung: sie gelten als ExpertInnen-Verfahren, weil für deren Einsatz spezielles KnowHow zB von Arbeits- und OrganisationspsychologInnen gefragt ist. Sie eignen sich für eine Anwendung in Problembereichen, in denen die psychischen Arbeitsbelastungen gezielt erhoben werden sollen. Manche Verfahren, die Arbeitstätigkeiten und ihre Merkmale untersuchen, gestatten eine Vorhersage der Auswirkungen. Zu dieser Gruppe zählen zB standardisierte Beobachtungsinterviews.

Näheres dazu finden Sie hier: http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Psychische-Belastung-Stress/ISO10075/Norm-10075/Praezisionsstufen/Praezisionsstufen.html

Gegenstand des Verfahrens: Belastungen oder Beanspruchungen

Im Zuge der Fragestellungen rund um die Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen ist gemäß ASchG der Einsatz von belastungsbezogenen Verfahren erforderlich. Das sind Verfahren, die Arbeitsbedingungen und Arbeitsmerkmale erheben, und dabei auch diese vier Belastungsdimensionen berücksichtigen:

  • Arbeitsaufgabe/Tätigkeit
  • Arbeits- und Organisationsklima
  • Arbeitsumgebung
  • Arbeitsabläufe

Sie unterscheiden sich von beanspruchungsbezogenen Verfahren, die zB kurzfristige psychische Fehlbeanspruchungsfolgen, wie psychische Ermüdung, Monotonie, Stress oder psychische Sättigung, erfassen. Diese können Hinweise über Zusammenhänge zwischen Arbeitsbelastungen und ihren Auswirkungen liefern. Innerhalb der Evaluierungspflicht spielen sie keine Rolle.

Weitere Informationen dazu: http://www.baua.de/de/Informationen-fuer-die-Praxis/Handlungshilfen-und-Praxisbeispiele/Toolbox/Einfuehrung.html

Methode des Verfahrens: quantitativ oder qualitativ

Bei quantitativen Verfahren geht es darum, eine eher große Anzahl von Personen mit standardisierten Instrumenten zu befragen. Die Personen haben keine Möglichkeit frei anzugeben, wie ihnen etwas erscheint, sondern sie müssen einer vorgegebenen Befragungsstruktur folgen und diese ausfüllen (z . B. einen Fragebogen).

Bei qualitativen Verfahren werden meist offene Fragen gestellt und die befragten Personen können frei erzählen (z. B. Interviews und Gruppengespräche).

Bei der Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen ist es sinnvoll beide Methoden zu verbinden. D.h. Es wird ein quantitatives Verfahren eingesetzt, um die psychischen Belastungen zu erheben zB eine schriftliche Befragung mit einem standardisierten Fragebogen und danach werden die ermittelten Ergebnisse mit Hilfe eines qualitativen Verfahrens aufgearbeitet, zB im Rahmen eines Gruppengesprächs oder MitarbeiterInnen-Workshops.

Autorinnen

Mag. Martina Molnar

www.impulstest2.com

Mag. Christine Haiden

www.arbeitspsychologischewerkstatt.at

Mag. Brigitta Gruber

www.arbeitsleben.com

Mehr zum Thema

Detailliertere Informationen zum Thema finden Sie in unserem Werk „Evaluierung".