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Johann Schöffthaler | News | 16.01.2014

Gesetzliche Regelungen zur Abgeltung von Überstundenarbeit

Gastautor Johann Schöffthaler erläutert, was gesetzlich und nach Meinung des OGH bei Überstundenarbeit zu beachten ist. Wann besteht für den Arbeitnehmer ein Entgeltanspruch? Wann liegt eine stillschweigende Vereinbarung über Überstundenarbeit vor?

Rechtsgrundlagen

Die Abgeltung von Überstundenarbeit ist in § 863 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) und § 10 Arbeitszeitgesetz (AZG) geregelt.

Manche Arbeitgeber gehen davon aus, dass die Erbringung der erforderlichen Arbeit fixen Personalkosten entspricht. Tritt in solchen Unternehmen zusätzliche Mehrarbeit durch erhöhte Produktion auf oder nimmt die Arbeit mehr Zeit in Anspruch als erwartet, wird dessen Mehrertrag jedoch von den Eigentümern meist ausschließlich zur Erhöhung des Gewinns beansprucht. Oft besteht ein beträchtlicher Unwille des Arbeitgebers bei der beschriebenen Grundeinstellung, über das vereinbarte Entgelt hinaus das angeordnete Überstundenentgelt zu leisten. Dadurch treten Konflikte (abgesehen von klaren Rechtsbrüchen, in denen erkennbare Überstundenarbeit nicht abgegolten wird und es der Arbeitnehmer aus Sorge um den Arbeitsplatz dennoch nicht wagt, die Abgeltung einzufordern) vor allem in folgender Situation auf:

Der Arbeitnehmer beansprucht die Abgeltung von Überstundenarbeit, der Arbeitgeber entgegnet jedoch, er habe die Überstundenarbeit nicht angeordnet oder von dieser nicht einmal gewusst. Der arbeitgeberseitige Einwand ist insofern grundsätzlich berechtigt, als privatrechtliche Ansprüche wie zB die Abgeltung von Überstundenarbeit einer Rechtsgrundlage, also einer Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien über die Leistung von Überstundenarbeit, bedürfen.

Dass keine Vertragspartei der anderen eine nicht vereinbarte Leistung gleichsam aufdrängen kann, für die sie dann von der anderen die entsprechende Gegenleistung einfordert, ist eine zivilrechtliche Angelegenheit.

Leistungsvereinbarung

Aber eine Leistungsvereinbarung kann insbesondere durch die Entgegennahme der angebotenen Arbeitsleistung erfolgen, auf der dann die Gegenforderung nach Überstundenentgelt beruht, gemäß § 863 ABGB auch stillschweigend. Genau dies ist aber im Zusammenhang mit Überstundenleistungen ein ständig wiederkehrendes Problem des Arbeitsalltages:

Der Arbeitgeber trägt eine Arbeitsmenge auf, von der er erkennt oder erkennen müsste, dass sie ohne Überstundenleistung trotz redlichen Bemühens nicht bzw zumindest nicht vom konkreten Arbeitnehmer mit dessen spezifischen Fähigkeiten zu bewältigen ist, und nimmt das Arbeitsergebnis entgegen. Darin muss der Vertragspartner, also der Arbeitnehmer, das Einverständnis mit der Leistung von Überstundenarbeit erblicken.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) ordnet den aufgrund der Entgegennahme der Arbeitsleistung entstehenden Entgeltanspruch allerdings nicht der schlüssigen Annahme zu, sondern sieht hier eine eigenständige Anspruchsgrundlage: „Es ist davon auszugehen, dass ein Anspruch auf Bezahlung von Überstunden dann gegeben ist, wenn diese ausdrücklich oder schlüssig angeordnet wurden oderwenn der Dienstgeber Arbeitsleistungen entgegennahm, die auch bei richtiger Einteilung der Arbeit nicht in der normalen Arbeitszeit erledigt werden konnten“(vgl. OGH 9.10.1973, Arb 9144; ähnlich Arb 8023, 9406, 9454, 10.488, 11.978).

Einverständnis des Arbeitgebers/Stillschweigende Vereinbarung

Der Arbeitnehmer, der die ihm aufgetragene Arbeitsmenge nach bestem Wissen und Gewissen erledigt und sieht, wie das Arbeitsergebnis vom Arbeitgeber angenommen wird, darf darin nach redlicher Verkehrsübung eine konkludente Willenserklärung des Arbeitgebers, nämlich das Einverständnis mit der Leistung der dazu erforderlichen Überstundenarbeit, erblicken.

Hinweis: Konkludentes Handeln (auch schlüssiges Verhalten, stillschweigende Willenserklärung oder konkludente Handlung) liegt im Rechtsverkehr vor, wenn jemand seinen Willen stillschweigend zum Ausdruck bringt und der redliche Empfänger hieraus auf einen Rechtsbindungswillen schließen darf, sodass ein Vertrag auch ohne ausdrückliche Willenserklärung zustande kommen kann (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Konkludentes_Handeln vom 10.01.2013)

Selbst wenn der Arbeitgeber Überstundenarbeit ausdrücklich ganz oder über ein gewisses übersteigendes Ausmaß (z.B. eine Überstundenpauschale) hinaus untersagt hat, wird dadurch die nachträgliche stillschweigende Vereinbarung ebensolcher Überstundenarbeit im Sinne des soeben Beschriebenen nicht verhindert. Gemäß § 863 ABGB ist die stillschweigende Willenserklärung nicht geringer wertig als die ausdrückliche, sondern gleichwertig. Die stillschweigende Genehmigung der Überstundenarbeit durch Annahme der daraus resultierenden Arbeitsergebnisse hebt als der spätere rechtsgeschäftliche Akt den davor mit dem Überstundenverbot ausgedrückten Willen, keine Überstundenvereinbarung abzuschließen, eben wieder auf.

Mit anderen Worten: Der Arbeitgeber – als Subjekt freier rechtsgeschäftlicher Willensbildung – hat es sich später eben anders überlegt und nun doch eine Arbeitsmenge aufgetragen, die zwangsläufig die Leistung von Überstundenarbeit mit sich bringt – einschließlich der damit kraft zwingender gesetzlicher Anordnung im Sinne des § 10 Arbeitszeitgesetz verbundenen Überstundenabgeltung. Nur wenn der Arbeitgeber gleichzeitig mit der Entgegennahme der Überstundenleistung das Überstundenverbot ausdrücklich aufrecht erhält, wird man den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers nicht mehr mit einer schlüssigen Willenserklärung des Arbeitgebers begründen können, sondern gerät in das rechtsdogmatisch höchst anspruchsvolle Problemfeld der Entgeltlichkeit von Arbeitsleistungen ohne vertragliche Grundlage.

Auslösen eines Entgeltanspruches

Der OGH geht davon aus, dass die faktische Entgegennahme der Leistung durch den Arbeitgeber den Entgeltanspruch auslöse. Er verlangt allerdings neben der faktischen Entgegennahme eine subjektive, in Richtung Einverständnis deutende Komponente beim Arbeitgeber und differenziert dazu drei Fälle:

  • Erstens: Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber die Notwendigkeit von Überstunden „angezeigt“;
  • Zweitens: Der Arbeitgeber wusste von dieser Notwendigkeit, oder
  • Drittens: Der Arbeitgeber hätte davon wissen müssen.

(OGH 9.10.1973, Arb 9144).

In der zweiten Konstellation stellt der Arbeitgeber fest, dass die Mehrarbeit nur eine durch wellenförmigen Verlauf des Geschäftsganges verursachte Arbeitsspitze darstellt, die in den „Wellentälern“ durch Zeitausgleich im Verhältnis 1:1 wettgemacht werden könne. Diese Argumentation funktioniert nur dann, wenn die schwankende Arbeitsmenge in einem auf korrekter Rechtsgrundlage basierenden Modell flexibler Normalarbeitszeit geleistet wird, welches eben den Ausgleich von Arbeitsspitzen im Verhältnis 1:1 vorsieht. Fehlt es hingegen an einer Rechtsgrundlage für ein solches flexibles Arbeitszeitmodell, handelt es sich bei der Mehrarbeit um Überstundenarbeit und ist im Verhältnis 1:1,5 zu vergüten oder in Form von Zeitausgleich anzubieten.

Der dritte typische Konflikt beruht auf der Meinung von Arbeitgebern, sie könnten mit einer pauschalen Abgeltung allenfalls zu leistender Überstunden (Überstundenpauschale, All-inclusive-Entgelt) jedem weiteren Anspruch auf Überstundenentgelt vorbeugen. Werden jedoch Überstunden geleistet, die pauschal nicht mehr abgedeckt sind, so kann der Arbeitnehmer das noch ausstehende Entgelt auf der Basis von § 10 AZG durchaus nachfordern. § 10 Abs 1 AZG ordnet an, dass Überstunden mit einem Zuschlag von 50 % abzugelten sind. (Achtung: Kollektivverträge, oft auch Einzelverträge, ordnen häufig für Überstundenarbeit zu bestimmten Zeiten – etwa in der Nacht, an Sonn- und Feiertagen – einen erhöhten Zuschlag von zB 100 % an). Und zwar 50 % vom „auf die einzelne Arbeitsstunde entfallenden Normallohn“, gemäß § 10 Abs 3 AZG.