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Johann Schöffthaler | News | 09.11.2015

Grenzen der Arbeitszeit für Lenker und Lenkerinnen

Gastautor Johann Schöffthaler berichtet über die Verlagerung der geahndeten Übertretungen von der VO EG 561/2006 zum AZG. Was sollten Unternehmen über Bereitschaftszeit/Rufbereitschaft, Teilung/Unterbrechung von Ruhezeit etc. wissen?

Tätigkeitsbericht der Arbeitsinspektion 2014

Laut Tätigkeitsbericht der Arbeitsinspektion wurden 2014 9875 lenkerbezogene Übertretungen festgestellt und geahndet. Von diesen 9875 Übertretungen betreffen 3785 (das sind ca 38 %!) nicht Übertretungen bzgl Lenkzeiten oder Lenkpausen, sondern Arbeitszeitüberschreitungen und Ruhepausenunterschreitungen (siehe Tabelle: vgl 2014 mit 2000 aus den Tätigkeitsberichten der Arbeitsinspektion: http://www.arbeitsinspektion.gv.at/AI/Arbeitsinspektion/Taetigkeitsbericht/default.htm).

 

2014

2000

Überprüfte Lenker/innen

6.685

6.656

Überprüfte Arbeitstage

402.832

90.065

Tägliche Ruhezeit

1.365

681

Wöchentliche Ruhezeit

216

48

Ruhepause nach mehr als 6 Stunden

1.197

0

Ruhepause zu kurz

1.007

0

Tageslenkzeit

688

763

Wochenlenkzeit

0

20

2-Wochenlenkzeit

111

2

Lenkpause zu kurz

1.799

0

Keine Lenkpause

1.701

390

Digitaler Tachograph

Durch die Einführung des digitalen Tachographen wurde die Kontrolle der Lenkzeiten für die Polizei und die Arbeitsinspektion wesentlich erleichtert. Dadurch kam es zu einer „Sensibilisierung“ der Lenker und Lenkerinnen einerseits und der Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen andererseits bzgl Lenkzeiten und -pausen. Das es aber Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes (AZG) gibt, die auf die Lenker und Lenkerinnen anzuwenden sind, ist anscheinend nicht jeder Arbeitgeberin bzw jedem Arbeitgeber klar.

Bestimmungen des AZG

Grundsätzlich gelten die allgemeinen Regeln über die Begrenzung der Arbeitszeit unverändert auch für Lenker/innen. Dies betrifft die Normalarbeitszeit, die Überstundenarbeit sowie auch die Gesamtarbeitszeit. § 13b Abs 1 AZG stellt klar, dass zur Arbeitszeit nicht nur das Lenken selbst sowie sonstige Tätigkeiten (wie etwa das Be- und Entladen, Warten und Reinigen des Fahrzeuges), sondern auch die Arbeitsbereitschaft gehören, während die Ruhepausen nicht als Arbeitszeit, sondern eben als Freizeit gelten.

In den folgenden §§ des AZG werden Sonderregelungen für Überstundenarbeit und damit für das Höchstarbeitszeitausmaß getroffen, nicht jedoch für die Normalarbeitszeit. § 13b gehört zu Unterabschnitt 4b des AZG, also zu den Bestimmungen, die in Umsetzung der Lenker-Richtlinie 2002/15/EG ergangen sind. Somit ist § 13b AZG auf alle Lenker/innen anzuwenden, unabhängig davon, ob es sich um VO Fahrzeuge oder um sonstige Fahrzeuge handelt.

Hinweis: VO-Fahrzeuge sind Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung, deren zulässige Höchstmasse einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3,5 t übersteigt oder die zur Personenbeförderung dienen, die für die Beförderung von mehr als neun Personen einschließlich des Lenkers/der Lenkerin konstruiert oder dauerhaft angepasst und zu diesem Zweck bestimmt sind (Art 2 VO EG 561/2006).

Um die Dauer einer konkreten Tagesarbeitszeit feststellen zu können bildet die Trennlinie, wie im allgemeinen Arbeitszeitrecht, die abgeschlossene Ruhezeit. Hat der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin die erforderlichen, gemäß § 12 oder Art 4 lit g VO EG 561/2006 im Standardfall elf Stunden tägliche Ruhezeit absolviert, beginnt mit dem nächsten Arbeitseinsatz auch eine neue Tagesarbeitszeit zu laufen.

Das Ruhezeitrecht der Lenker kennt jedoch in einigen Fällen die Möglichkeit zur Teilung der täglichen Ruhezeit, so etwa Art 4 lit g die VO EG 561/2006.

Hinweis: Seit der Novelle BGBl I 2006/138 ist für sonstige Fahrzeuge keine generelle Möglichkeit zur Teilung der täglichen Ruhezeit mehr vorgesehen, Ausnahmen gibt es allerdings für Lenker im regionalen Kraftfahrlinienverkehr (§ 15a AZG) und bei kombinierter Beförderung (§ 15b AZG).

Teilung/Unterbrechung der Ruhezeit

Wird eine solche Teilung oder Unterbrechung der täglichen Ruhezeit vorgenommen, beginnt gemäß § 13b AZG (für den regionalen Kraftfahrlinienverkehr gilt gem § 15a AZG), die neue Tagesarbeitszeit nach Ablauf der gesamten Ruhezeit: Erst nach Beendigung aller erforderlichen Teile der täglichen Ruhezeit kann eine neue Tagesarbeitszeit zu laufen beginnen (so auch EuGH 2.6.1994, Rs C-313/92, van Swieten und 9.6.1994, Rs C-394/92, Michielsen und Geybels Transport Service, ARD 4585/21/94).

Sind zusätzliche Überstunden nach § 13b zugelassen, so ist nicht mehr die tägliche höchstzulässige Tagesarbeitszeit von 10 Stunden relevant (wohl aber sind natürlich die Grenzen der Einsatzzeit zu beachten, vgl § 16 AZG), sondern die wöchentliche Höchstarbeitszeit:

Diese darf gemäß § 13b Abs 2 AZG in einzelnen Wochen 60 Stunden und innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von bis zu 17 Wochen im Durchschnitt 48 Stunden nicht überschreiten. Durch die Novelle BGBl I 2006/138 wurde somit die Höchstarbeitszeit in einzelnen Wochen von 56 auf 60 Stunden erhöht und die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von 55 auf 48 Stunden reduziert (in Umsetzung der Lenkzeiten-Richtlinie 2002/15/EG). Der Kollektivvertrag, für Betriebe, für die kein Kollektivvertrag wirksam ist, die Betriebsvereinbarung, kann den Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen aus objektiven, technischen oder arbeitsorganisatorischen Gründen auf bis zu 26 Wochen verlängern.

§ 13b Abs 3 AZG sieht die Möglichkeit vor, durch Kollektivvertrag (bzw. für Betriebe, für die kein Kollektivvertrag wirksam ist, durch Betriebsvereinbarung) eine durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von bis zu 55 Stunden zuzulassen, wenn zumindest die über 48 Stunden hinausgehende Arbeitszeit in Form von Arbeitsbereitschaft geleistet wird.

Bereitschaftszeit/Rufbereitschaft

Nach den Gesetzesmaterialien (1432 BlgRV 22. GP 5) soll diese Überschreitung der 48-Stunden-Grenze möglich sein, da die Lenker-Richtlinie 2002/15/EG nicht zwingend die Anrechnung von Bereitschaftszeiten auf die Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie vorschreibt. Tatsächlich jedoch geht die Definition der „Bereitschaftszeit“, die nicht zur Arbeitszeit zählt, durch die Richtlinie 2002/15/EG Art 3 lit b als „andere Zeiten …, in denen das Fahrpersonal nicht verpflichtet ist, an seinem Arbeitsplatz zu bleiben, in denen es sich jedoch in Bereitschaft halten muss, um etwaigen Anweisungen zur Aufnahme … der Arbeit Folge zu leisten“ mit dem österreichischen Begriff der Rufbereitschaft (§ 20a AZG) konform. Hingegen zählen Zeiten, während derer das Fahrpersonal nicht frei über seine Zeit verfügen kann und sich am Arbeitsplatz bereithalten muss, um seine normale Arbeit aufnehmen zu können, zur Arbeitszeit. Arbeitsbereitschaft zählt nach österreichischem Recht zur Arbeitszeit.

Zusammenrechnung von Arbeitszeiten

Schon bisher waren die Arbeitszeiten eines Arbeitnehmers/in bei verschiedenen Arbeitgebern/innen zusammenzurechnen (§ 2 Abs 2 AZG). Der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin hat bei Begründung des Arbeitsverhältnisses bzw vor dem erstmaligen Einsatz als Lenker/in den Arbeitnehmer/in explizit schriftlich aufzufordern, ihm/ihr schriftliche Aufzeichnungen (siehe dazu § 17 AZG) über die bei anderen Arbeitgebern/innen geleisteten Arbeitszeiten vorzulegen. Dieses Erfordernis entfällt nur dann, wenn dem/der Arbeitgeber/in diese Arbeitszeiten aufgrund des Herunterladens von der Fahrerkarte de/der Arbeitnehmers/in (dies hat vor Beginn eines Arbeitsverhältnisses und danach spätestens alle 28 Tage zu erfolgen, vgl § 17a AZG) bekannt waren.

Nur wenn der Lenker/die Lenkerin dieser schriftlichen Aufforderung zur Bekanntgabe nicht nachkommt (bzw. eine falsche Auskunft gibt) und der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin auch nicht etwa aus anderer Quelle von den Arbeitszeiten bei anderen Arbeitgebern/innen weiß oder wissen musste (z.B. mündliche Mitteilung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin oder enge Zusammenarbeit zwischen zwei Transportunternehmen), kann der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin von der aus einer Überschreitung der Arbeitszeitgrenzen resultierenden Haftung befreit sein.