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WEKA (msc) | News | 10.03.2015

Not-Aus ist nicht gleich Not-Halt

Aufgrund eines Übersetzungsfehlers werden vielfach die Funktionen Not-Aus und Not-Halt unter dem Begriff Notausschalter zusammengefasst. Innerhalb der Risikobewertung einer Maschine muss aber genau geklärt werden, welche Funktion benötigt wird.

Übersetzungsfehler aus dem Englischen

Der Notausschalter ist im allgemeinen Sprachgebrauch und in der gewohnten gelb-roten Ausführung ein sehr bekannter Teil von Maschinen. Vielfach werden mit dem Begriff Notausschalter allerdings die unterschiedlichen Funktionen Not-Aus und Not-Halt gleichgesetzt. Dabei unterscheiden sich die Funktionen deutlich hinsichtlich der abzuwehrenden Gefahren einer Maschinenbewegung (Not-Halt) und denen des elektrischen Stroms (Not-Aus). Ursache für die Sprachungenauigkeiten sind Übersetzungsfehler im normativen Rahmen, in dem der englischen Begriff emergency stop ins deutsche Not-Aus überführt wurde. Da der Unterschied für die Risikobeurteilung von Maschinen wesentlich ist, wurden die Begriffe bereits sukzessive ausgebessert.

Geltung für alte und neue Maschinen

Eine sofortige Unterbrechung der Energiezufuhr einer Maschine bedeutet nicht zwangsläufig einen sofortigen Stopp aller bewegten Maschinenteile. Während die Funktion Not-Aus also darauf zielt eine Maschine spannungsfrei zu machen, soll mit der Funktion Not-Halt ein möglichst schnelles Stillsetzen der bewegten Maschinenteile bei Aufrechterhaltung der Energiezufuhr erreicht werden (z.B. Herunterfahren eines Elektromotors). Gesetzlich werden in Abschnitt 4 der AM-VO Anforderungen für Ein- und Ausschaltvorrichtungen sowie Not-Halt-Befehlsgeräte festgelegt. Diesen Anforderungen der Arbeitsmittelverordnung (BGBl II Nr 164/2000 idF BGBl II Nr 21/2010) müssen jedenfalls alle Maschinen entsprechen, die als alte Maschinen gelten oder wenn keine Inverkehrbringervorschrift (z.B. MSV) gilt bzw keine neue Konformitätsbewertung (z.B. wesentliche Änderung, tiefgreifende Verkettung) notwendig geworden ist. Für die übrigen Fälle, also beispielsweise neue Maschinen, die nach MSV in Verkehr gebracht wurden, gilt der Vertrauensgrundsatz der AM-VO. Die wesentlichen Paragraphen 45 und 46 der Arbeitsmittelverordnung unterscheiden die Funktionen wie folgt.

Ein- und Ausschaltvorrichtungen

§ 45. (1) Arbeitsmittel müssen sicher wirkende Vorrichtungen zum Ein- und Ausschalten aufweisen. Die Schaltstellungen „Ein“ bzw „Aus“ müssen gekennzeichnet sein. Wenn nicht erkennbar ist, ob das Arbeitsmittel in Betrieb ist und dadurch Gefahren für die ArbeitnehmerInnen entstehen können, müssen Einrichtungen, wie Kontrolllampen, vorhanden sein, die den Schaltzustand anzeigen.

(2) Ein- und Ausschaltvorrichtungen müssen so angeordnet und gestaltet sein, dass ein unbeabsichtigtes Betätigen vermieden ist.

(3) Arbeitsmittel, die bei der Verwendung mit der Hand gehalten werden, müssen ohne Loslassen der Handgriffe ein- und ausgeschaltet werden können oder beim Loslassen der Handgriffe selbsttätig ausschalten.

(4) Wenn beim Einschalten eines größeren, unübersichtlichen oder programmgesteuerten Arbeitsmittels eine Gefahr für Sicherheit und Gesundheit von ArbeitnehmerInnen entstehen kann, ist eine optische oder akustische Warneinrichtung vorzusehen, um vor dem Anlauf des Arbeitsmittels zu warnen.

(5) Arbeitsmittel müssen mit deutlich erkennbaren Vorrichtungen ausgestattet sein, mit denen sie von den Energiequellen getrennt werden können.

(6) Selbsttätig wirkende Not-Ausschalter, wie Not-Endschalter, sind vorzusehen, wenn bei Ausfall von selbsttätigen Schalteinrichtungen, wie Betriebs-Endschalter, eine Gefahr für ArbeitnehmerInnen entstehen kann.

Not-Halt-Befehlsgeräte

§ 46. (1) Arbeitsmittel müssen gegebenenfalls entsprechend der von ihnen ausgehenden Gefährdung der ArbeitnehmerInnen und der normalerweise erforderlichen Stillsetzungszeit mit einem Not-Halt-Befehlsgerät (zB Not-Halt-Taster oder Reißleine) versehen sein.

(2) Not-Halt-Befehlsgeräte müssen leicht, schnell und gefahrlos von jedem Bedienungsplatz der Maschine aus betätigt werden können. Sie müssen sich von anderen Schaltvorrichtungen deutlich unterscheiden.

(3) Not-Halt-Taster müssen selbsthaltend, auffallend rot und gelb unterlegt gekennzeichnet und pilzförmig gestaltet sein.

(4) Durch Entriegeln oder Zurückführen von Not-Halt-Befehlsgeräten in die Ausgangsstellung darf nicht ein Anlaufen des Arbeitsmittels erfolgen. Das Wiedereinschalten darf erst nach Entriegeln der betätigten Not-Halt-Befehlsgeräte möglich sein.

Ausschalten gemäß EN 60204-1

Im Bereich der Normung werden innerhalb der EN 60204-1 die Steuerfunktionen Stopp, Not-Halt und Not-Aus auch hinsichtlich ihrer spezifischen Anforderungen definiert. Für den Stopp eines Maschinenantriebes im Normalbetrieb werden drei grundlegende Kategorien festgelegt:

  • Stopp Kategorie 0: Unkontrolliertes Stillsetzen der Maschine durch sofortige Unterbrechung der Energiezufuhr zur Aktorik.
  • Stopp Kategorie 1: Gesteuertes Stillsetzen bei Aufrechterhaltung der Energiezufuhr, um die Abschaltung durchzuführen. Unterbrechung der Energiezufuhr erst nach dem Stillstand der Maschine.
  • Stopp Kategorie 2: Gesteuertes Stillsetzen der Maschine bei Aufrechterhaltung der Energiezufuhr zu den Antriebselementen.

Die Bestimmung der Kategorie für die Funktion Not-Halt erfolgt über eine Risikobeurteilung der Maschine, wobei jedenfalls nur die Kategorien 0 und 1 infrage kommen können. Die Notwendigkeit einer Not-Aus-Funktion ist auf gleiche Weise zu prüfen. Ein bloßes Abschalten der Energiezufuhr der Maschine entspricht der Kategorie 0. Ist dies nicht zulässig müssen gegebenenfalls andere Schutzmaßnahmen gesetzt werden.

Relevante Normen

Die Unterscheidung der Funktionen Not-Halt und Not-Aus wird auch hinsichtlich der relevanten Normen deutlich. Innerhalb des großen Bereiches der Sicherheit von Maschinen (Maschinenrichtlinie) behandeln die Normen EN 12100 und EN 13850 maßgeblich mechanische Gefahren von Maschinen und damit ausschließlich die Not-Halt-Funktion. Die elektrotechnischen Normen EN 60204 und EN 60947 behandeln prinzipiell beide Funktionen, wobei der Schwerpunkt innerhalb der EN 60947 als Teil der Normengruppe der Niederspannungsrichtlinie deutlich auf die Funktion Not-Aus gerichtet ist.

ÖVE/ÖNORM EN 60204-1:2009 12 01

Sicherheit von Maschinen – Elektrische Ausrüstung von Maschinen – Teil 1: Allgemeine Anforderungen (IEC 60204-1:2005 + A1:2008) (deutsche Fassung)

ÖNORM EN ISO 12100:2013 10 15

Sicherheit von Maschinen – Allgemeine Gestaltungsleitsätze – Risikobeurteilung und Risikominderung (ISO 12100:2010)

ÖNORM EN ISO 13850:2008 10 01

Sicherheit von Maschinen – Not-Halt – Gestaltungsleitsätze (ISO 13850:2006)

ÖVE/ÖNORM EN 60947-5-5+A1:2006 01 01

Niederspannungsschaltgeräte – Teil 5-5: Steuergeräte und Schaltelemente – Elektrisches NOT-AUS-Gerät mit mechanischer Verrastfunktion (IEC 60947-5-5:1997 + A1:2005)

DIN VDE 0100-460:2002 08

Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 4: Schutzmaßnahmen; Kapitel 46: Trennen und Schalten (IEC 60364-4-46:1981, modifiziert); Deutsche Fassung HD 384.4.46 S2:2001(Daneben gilt DIN VDE 0100-460 (1994-02) noch bis 2003-04-01)

Bezüglich der Normen siehe auch: www.austrianstandards.at

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