Dokument-ID: 1149211

Vorschrift

CLP-Verordnung

Inhaltsverzeichnis

3.11. Endokrine Disruption mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit

3.11.1. Begriffsbestimmungen und allgemeine Erwägungen

3.11.1.1. Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke von Abschnitt 3.11 gelten folgende Begriffsbestimmungen:

  1. Ein „endokriner Disruptor“ ist ein Stoff oder ein Gemisch, der/das eine oder mehrere Funktion(en) des Hormonsystems verändert und folglich in einem intakten Organismus, seiner Nachkommenschaft, Populationen oder Teilpopulationen schädliche Wirkungen auslöst;
  2. „endokrine Disruption“ bezeichnet die durch einen endokrinen Disruptor verursachte Veränderung einer oder mehrerer Funktion(en) des Hormonsystems;
  3. „endokrine Aktivität“ bezeichnet eine Wechselwirkung mit dem Hormonsystem, die eine Reaktion des Hormonsystems, von Zielorganen oder von Zielgeweben auslösen kann und einem Stoff oder einem Gemisch das Potenzial verleiht, eine oder mehrere Funktion(en) des Hormonsystems zu verändern;
  4. „schädliche Wirkung“ bezeichnet eine Veränderung der Morphologie, der Physiologie, des Wachstums, der Entwicklung, der Fortpflanzung oder der Lebensdauer eines Organismus, eines Systems, einer Population oder einer Teilpopulation, die Funktionseinschränkungen, eine Einschränkung der Fähigkeit zur Bewältigung erhöhten Stresses oder eine erhöhte Anfälligkeit für andere Einflüsse zur Folge hat;
  5. „biologisch plausibler Zusammenhang“ bezeichnet die Korrelation zwischen einer endokrine Aktivität und einer schädlichen Wirkung aufgrund von biologischen Prozessen, wobei aufgrund derzeitiger wissenschaftlicher Erkenntnisse vom Bestehen dieser Korrelation auszugehen ist.

3.11.1.2. Allgemeine Erwägungen

3.11.1.2.1. Bei Stoffen und Gemischen, die die Kriterien für endokrine Disruptoren mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit in Anbetracht der Nachweise gemäß der Tabelle 3.11.1 erfüllen, ist davon auszugehen, dass es sich um bekannte, vermeintliche oder mutmaßliche endokrine Disruptoren mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit handelt, es sei denn, es wurde schlüssig nachgewiesen, dass die schädliche Wirkung beim Menschen nicht zum Tragen kommt.

3.11.1.2.2. Nachweise, die bei der Einstufung von Stoffen gemäß anderen Abschnitten dieses Anhangs Berücksichtigung finden, können auch als Nachweise bei der Einstufung von Stoffen als endokrine Disruptoren mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit verwendet werden, sofern die Kriterien dieses Abschnitts erfüllt sind.

3.11.2. Einstufungskriterien für Stoffe

3.11.2.1. Gefahrenkategorien

Bei der Einstufung nach endokriner Disruption mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit werden die Stoffe in eine von zwei Kategorien eingestuft.

Tabelle 3.11.1.

Gefahrenkategorien für endokrine Disruptoren mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit

Kategorien

Kriterien

KATEGORIE 1

Bekannte oder vermeintliche endokrine Disruptoren mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit

Die Einstufung in Kategorie 1 basiert weitgehend auf Nachweisen, die mindestens einer der folgenden Kategorien zuzuordnen sind:

  1. am Menschen gewonnene Daten;
  2. am Tier gewonnene Daten;
  3. nicht am Tier gewonnene Daten, deren Prognosekapazität den Daten gemäß den Buchstaben a und b entspricht.

Durch diese Daten wird nachgewiesen, dass der Stoff alle folgenden Kriterien erfüllt:

  1. endokrine Aktivität;
  2. schädliche Wirkung in einem intakten Organismus oder seinen Nachkommen oder künftigen Generationen;
  3. biologisch plausibler Zusammenhang zwischen der endokrinen Aktivität und der schädlichen Wirkung.

Liegen jedoch Informationen vor, die die Relevanz der schädlichen Wirkung beim Menschen ernsthaft infrage stellen, kann die Einstufung in Kategorie 2 angemessener sein.

KATEGORIE 2

Stoffe, die in dem Verdacht stehen, endokrine Disruptoren mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit zu sein

Ein Stoff wird in Kategorie 2 eingestuft, wenn alle folgenden Kriterien erfüllt sind:

  1. es gibt Nachweise für
    1. eine endokrine Aktivität; und
    2. eine schädliche Wirkung in einem intakten Organismus oder seinen Nachkommen oder künftigen Generationen;
  2. die Nachweise nach Buchstabe a sind nicht überzeugend genug, um eine Einstufung in Kategorie 1 zu rechtfertigen;
  3. es gibt Nachweise für einen biologisch plausiblen Zusammenhang zwischen der endokrinen Aktivität und der schädlichen Wirkung.

Wurde jedoch schlüssig nachgewiesen, dass die schädliche Wirkung beim Menschen nicht zum Tragen kommt, gilt der Stoff nicht als endokriner Disruptor mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit.

3.11.2.2. Einstufungsgrundlage

3.11.2.2.1. Die Einstufung erfolgt auf der Grundlage der oben aufgeführten Kriterien und einer Ermittlung der Beweiskraft der Daten für jedes der Kriterien (siehe Abschnitt 3.11.2.3) sowie einer umfassenden Ermittlung der Beweiskraft (siehe Abschnitt 1.1.1). Die Einstufung als endokriner Disruptor mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit soll für Stoffe erfolgen, die hormonell bedingte schädliche Wirkungen beim Menschen auslösen oder auslösen können.

3.11.2.2.2. Schädliche Wirkungen, bei denen es sich ausschließlich um unspezifische Folgen anderer toxischer Wirkungen handelt, werden bei der Identifizierung eines Stoffes als endokriner Disruptor mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit nicht berücksichtigt.

3.11.2.3. Beweiskraftermittlung und Beurteilung durch Experten

3.11.2.3.1. Die Einstufung als endokriner Disruptor mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit erfolgt auf der Grundlage einer Beurteilung der Beweiskraft sämtlicher verfügbarer Daten durch Experten (siehe Abschnitt 1.1.1). Dies bedeutet, dass alle verfügbaren Informationen, die für die Feststellung der endokrinen Disruption mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit relevant sind, gemeinsam ausgewertet werden, zum Beispiel:

  1. In-vivo-Studien oder andere Studien (z. B. In-vitro-Studien, In-silico-Studien), mit denen schädliche Wirkungen, eine endokrine Aktivität oder ein biologisch plausibler Zusammenhang bei Menschen oder Tieren vorhergesagt werden können;
  2. Daten zu analogen Stoffen unter Einsatz von Struktur-Wirkungs-Beziehungen (SAR);
  3. die Bewertung von Stoffen, die mit dem zu untersuchenden Stoff chemisch verwandt sind, können ebenfalls berücksichtigt werden (Gruppierung, Übertragung), insbesondere wenn über den zu untersuchenden Stoff nur wenige Informationen vorliegen;
  4. alle zusätzlichen relevanten und anerkannten wissenschaftlichen Daten.

3.11.2.3.2. Bei der Beweiskraftermittlung mit Beurteilung durch Experten ist bei der Auswertung der wissenschaftlichen Daten gemäß Abschnitt 3.11.2.3.1 insbesondere allen nachstehend genannten Faktoren Rechnung zu tragen:

  1. sowohl positiven als auch negativen Befunden;
  2. der Relevanz des Studiendesigns für die Bewertung der schädlichen Wirkungen und der endokrinen Aktivität;
  3. der Qualität und Schlüssigkeit der Daten unter Berücksichtigung der Struktur und Kohärenz der Befunde innerhalb von und zwischen Studien mit ähnlichem Design und zwischen verschiedenen Arten;
  4. Studien zu Expositionswegen sowie Toxikokinetik- und Metabolismusstudien;
  5. dem Konzept der Grenzdosis (Konzentration) sowie internationalen Leitlinien für empfohlene Maximaldosen (Konzentrationen) und für die Bewertung der verzerrenden Wirkung exzessiver Toxizität.

3.11.2.3.3. Bei der Beweiskraftermittlung wird der Zusammenhang zwischen der endokrinen Aktivität und den schädlichen Wirkungen nach der biologischen Plausibilität hergestellt, die nach Auswertung der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse festzustellen ist. Ein Nachweis des biologisch plausiblen Zusammenhangs anhand stoffspezifischer Daten ist nicht erforderlich.

3.11.2.3.4. Bei der Beweiskraftermittlung sollen Nachweise, die bei der Einstufung eines Stoffes als endokriner Disruptor mit Wirkung auf die Umwelt gemäß Abschnitt 4.2 Berücksichtigung finden, in die Beurteilung der Einstufung des Stoffes als endokriner Disruptor mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit nach Abschnitt 3.11 einfließen.

3.11.2.4. Zeitliche Anwendbarkeit

Spätestens ab dem 1. Mai 2025 sind Stoffe nach den in den Abschnitten 3.11.2.1 bis 3.11.2.3 festgelegten Kriterien einzustufen.

Für Stoffe, die vor dem 1. Mai 2025 in Verkehr gebracht wurden, ist jedoch bis zum 1. November 2026 eine Einstufung nach den in den Abschnitten 3.11.2.1 bis 3.11.2.3 festgelegten Kriterien nicht erforderlich.

3.11.3. Einstufungskriterien für Gemische

3.11.3.1. Einstufung von Gemischen, wenn Daten für alle oder nur für einige Bestandteile des Gemisches vorliegen

3.11.3.1.1. Ein Gemisch wird als endokriner Disruptor mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit eingestuft, wenn mindestens ein Bestandteil als endokriner Disruptor mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit der Kategorie 1 oder der Kategorie 2 eingestuft worden ist und seine Konzentration den entsprechenden allgemeinen Konzentrationsgrenzwert für die Kategorie 1 bzw. die Kategorie 2 gemäß der Tabelle 3.11.2 erreicht oder übersteigt.

Tabelle 3.11.2.

Allgemeine Konzentrationsgrenzwerte von als endokrine Disruptoren mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit eingestuften Bestandteilen eines Gemisches, die zu einer Einstufung des Gemisches führen

Bestandteil eingestuft als

Allgemeine Konzentrationsgrenzwerte, die zu folgender Einstufung des Gemisches führen:

Endokriner Disruptor mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit, Kategorie 1

Endokriner Disruptor mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit, Kategorie 2

Endokriner Disruptor mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit, Kategorie 1

≥ 0,1 %

 

 

Endokriner Disruptor mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit, Kategorie 2

 

 

≥ 1 %

[Hinweis 1]

3.11.3.2. Einstufung von Gemischen, wenn Daten für das komplette Gemisch vorliegen

3.11.3.2.1. Die Einstufung von Gemischen beruht auf den verfügbaren Testdaten für die einzelnen Bestandteile des Gemisches, wobei Konzentrationsgrenzwerte für diejenigen Bestandteile gelten, die als endokrine Disruptoren mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit eingestuft sind. Versuchsdaten für das ganze Gemisch können im Einzelfall zur Einstufung herangezogen werden, wenn sie endokrine Disruption mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit nachweisen, die bei einer Beurteilung der einzelnen Bestandteile nicht zu erkennen waren. In solchen Fällen ist nachzuweisen, dass die Versuchsergebnisse für das Gemisch insgesamt schlüssig sind, wobei die eingesetzten Dosen (Konzentrationen) und weitere Faktoren wie Dauer, Beobachtungen, Empfindlichkeit und statistische Analyse der Testsysteme zu berücksichtigen sind. Es sind geeignete Unterlagen zur Begründung der Einstufung aufzubewahren und auf Verlangen zur Überprüfung vorzulegen.

3.11.3.3. Einstufung von Gemischen, bei denen keine Daten für das komplette Gemisch vorliegen: Übertragungsgrundsätze.

3.11.3.3.1. Wenn das Gemisch selbst nicht auf seine endokrine Disruption mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit geprüft wurde, jedoch (vorbehaltlich des Abschnitts 3.11.3.2.1) ausreichende Daten über seine Einzelbestandteile und über ähnliche geprüfte Gemische vorliegen, um die Gefahren des Gemisches angemessen zu beschreiben, sind diese Daten nach Maßgabe der Übertragungsgrundsätze des Abschnitts 1.1.3 zu verwenden.

3.11.3.4. Zeitliche Anwendbarkeit

Spätestens ab dem 1. Mai 2026 sind Gemische nach den in den Abschnitten 3.11.3.1, 3.11.3.2 und 3.11.3.3 festgelegten Kriterien einzustufen.

Für Gemische, die vor dem 1. Mai 2026 in Verkehr gebracht wurden, ist jedoch bis zum 1. Mai 2028 eine Einstufung nach den in den Abschnitten 3.11.3.1, 3.11.3.2 und 3.11.3.3 festgelegten Kriterien nicht erforderlich.

3.11.4. Gefahrenkommunikation

3.11.4.1. Bei Stoffen und Gemischen, die die Kriterien für die Einstufung in diese Gefahrenklasse (endokrine Disruption mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit) erfüllen, sind die Kennzeichnungselemente gemäß Tabelle 3.11.3 zu verwenden.

Tabelle 3.11.3.

Kennzeichnungselemente für endokrine Disruption mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit

Einstufung

Kategorie 1

Kategorie 2

GHS-Piktogramm

 

 

 

 

Signalwort

Gefahr

Achtung

Gefahrenhinweis

EUH380: Kann beim Menschen endokrine Störungen verursachen

EUH381: Steht in dem Verdacht, beim Menschen endokrine Störungen zu verursachen

Sicherheitshinweise — Prävention

P201

P202

P263

P280

P201

P202

P263

P280

Sicherheitshinweise — Reaktion

P308 + P313

P308 + P313

Sicherheitshinweise — Lagerung

P405

P405

Sicherheitshinweise — Entsorgung

P501

P501

3.11.4.2. Zeitliche Anwendbarkeit für Stoffe

Spätestens ab dem 1. Mai 2025 sind Stoffe gemäß Abschnitt 3.11.4.1 zu kennzeichnen.

Für Stoffe, die vor dem 1. Mai 2025 in Verkehr gebracht wurden, ist jedoch bis zum 1. November 2026 eine Kennzeichnung nach Abschnitt 3.11.4.1 nicht erforderlich.

3.11.4.3. Zeitliche Anwendbarkeit für Gemische

Spätestens ab dem 1. Mai 2026 sind Gemische gemäß Abschnitt 3.11.4.1 zu kennzeichnen.

Für Gemische, die vor dem 1. Mai 2026 in Verkehr gebracht wurden, ist jedoch bis zum 1. Mai 2028 eine Kennzeichnung nach Abschnitt 3.11.4.1 nicht erforderlich.

(ABl. L 93/2023)