22.08.2022 | Arbeitsrecht | ID: 1120860

Dienstfreistellungen – Welche Möglichkeiten gibt es?

Albert Scherzer

Ob Pflegefreistellung, Bildungskarenz, Papamonat oder Dienstfreistellung „ohne Lohn“ – lesen Sie die wichtigsten arbeitsrechtlichen Fakten dazu im Überblick.

Es gibt zahlreiche Anlässe, Gründe, private Begebenheiten, die es erforderlich oder wünschenswert machen, trotz aufrechter Beschäftigung, abseits von Urlaubsansprüchen, unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen freigestellt zu werden. Die rechtlichen Grundlagen finden sich hierbei insbesondere im Urlaubsgesetz und im AVRAG (Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz).

Die Pflegefreistellung

Pflegefreistellung, auch umgangssprachlich Pflegeurlaub genannt, bedeutet die bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung zur Pflege naher Angehöriger, die im gemeinsamen Haushalt leben, bzw zur Betreuung eines erkrankten Kindes, wobei darauf zu achten ist, dass es sich um keinen Urlaub handelt, sondern einen sonstigen Dienstverhinderungsgrund.

Die „allgemeine“ Pflegefreistellung

Ist der Arbeitnehmer nach Antritt des Arbeitsverhältnisses an der Arbeitsleistung aus nachstehenden Gründen nachweislich verhindert, so besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis zum Höchstausmaß seiner regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit innerhalb eines Arbeitsjahres.

  • Zur Pflege eines erkrankten nahen Angehörigen, der im gemeinsamen Haushalt lebt (Krankenpflegefreistellung);
  • Betreuung seines Kindes wenn die ständige Betreuungsperson ausfällt (Betreuungsfreistellung)
  • Begleitung seines (oder des Ehepartners) erkrankten Kindes

Der Arbeitnehmer darf während der Pflegefreistellung nicht schlechter gestellt werden, als wenn er gearbeitet hätte, und er erhält weiterhin sein laufendes Entgelt. Unter Entgelt versteht man jenes Entgelt, auf das der Arbeitnehmer Anspruch gehabt hätte, wenn er gearbeitet hätte.

Der Anspruch auf Pflegefreistellung besteht für Arbeitnehmer sofort mit Beginn eines Arbeitsverhältnisses, es gibt keine Wartefrist. Mit jedem Arbeitsjahr gibt es einen neuen, vollen Anspruch auf Pflegefreistellung. Nicht verbrauchte (Rest-)Ansprüche verfallen und können nicht auf das nächste Arbeitsjahr übertragen werden.

Die Pflegefreistellung kann stunden- oder tageweise in Anspruch genommen werden, zB um ein Kind ins Krankenhaus zu begleiten. Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch eine erweiterte Pflegefreistellung möglich.

Krankenpflegefreistellung

Anspruch auf Pflegefreistellung (Krankenpflegefreistellung) besteht, wenn ein Arbeitnehmer nachweislich an der Arbeitsleistung verhindert ist, um einen nahen, im gemeinsamen Haushalt lebenden, erkrankten Angehörigen zu pflegen.

Sind zB beide Eltern berufstätig, können diese bestimmen, wer beim erkrankten Angehörigen bleibt. Der Arbeitgeber hat darauf keine Einflussmöglichkeit.

Ob die Pflege eines erkrankten Angehörigen notwendig ist, hängt von den Faktoren Art und Intensität der Erkrankung, Alter des Erkrankten und der familiären Situation des Arbeitnehmers ab. Pflegeurlaub wird auch dann nicht notwendig sein, wenn eine andere geeignete Person zur Pflege des erkrankten nahen Angehörigen vorhanden ist, wie zB Großeltern oder die nicht erwerbstätige Ehegattin.

Informationspflicht

Es besteht die Pflicht des Arbeitnehmers, den Arbeitgeber unverzüglich zu informieren, wenn er die Pflegefreistellung in Anspruch nimmt. Unverzüglich bedeutet so rasch als möglich. Der Arbeitnehmer hat die Pflegefreistellung und die notwendige Dauer auf Verlangen nachzuweisen. Verlangt der Arbeitgeber ausdrücklich eine ärztliche Bestätigung, hat der Arbeitgeber die möglichen Kosten dafür zu bezahlen.

Die Pflegekarenz 

Die Inanspruchnahme einer Pflegekarenz ist an diverse Voraussetzungen gebunden:

  • Das Arbeitsverhältnis muss ununterbrochen drei Monate gedauert haben
  • Es muss eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorliegen
  • Pflege und/oder Betreuung von nahen Angehörigen (Pflegegeld Stufe 3)
  • Dauer mindestens ein Monat, maximal drei Monate

Ebenso können Arbeitnehmer in befristeten Arbeitsverhältnissen Pflegekarenz in Anspruch nehmen, sofern das befristete Arbeitsverhältnis ununterbrochen zwei Monate gedauert hat und jeweils vor dem Antritt einer Pflegekarenz eine Beschäftigung zum selben Arbeitgeber im Ausmaß von mindestens drei Monaten vorliegt. Zeiten von befristeten Arbeitsverhältnissen zum selben Arbeitgeber, die innerhalb eines Zeitraumes von vier Jahren vor Antritt der jeweiligen Pflegekarenz liegen, sind hinsichtlich des Erfordernisses der Mindestbeschäftigungsdauer zusammenzurechnen.

Es besteht für Dienstnehmer in Betrieben mit mehr als fünf Beschäftigten ein Rechtsanspruch bzw Pflegekarenz von höchstens vier Wochen. Der Rechtsanspruch auf den einseitigen Antritt von Pflegeteilzeit bzw Pflegekarenz besteht zunächst für zwei Wochen.

Die Inanspruchnahme und der Zeitpunkt der Pflegeteilzeit bzw Pflegekarenz sind dem Arbeitgeber vorab mitzuteilen. Bei Antritt der Pflegeteilzeit bzw Pflegekarenz müssen mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt sein. Eine Bescheinigung der Pflegebedürftigkeit des Angehörigen ist innerhalb einer Woche zu bringen, falls dies vom Dienstgeber verlangt wird. Für Betriebe mit weniger als fünf Dienstnehmern besteht kein Rechtsanspruch auf Pflegeteilzeit bzw -karenz. Ein Rechtsanspruch kann nur durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden.

Familienhospizkarenz

Arbeitnehmer haben im Rahmen der Familienhospizkarenz das Recht, sich zum Zwecke der Sterbebegleitung oder zur Pflege eines schwerstkranken Kindes, bei aufrechtem Arbeitsverhältnis

  • vorübergehend karenzieren zu lassen,
  • die Arbeitszeit zu verkürzen oder
  • die Lage der Arbeitszeit zu ändern.

Die Sterbebegleitung für nahe Angehörige kann zunächst für maximal drei Monate zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart werden. Bei Bedarf ist eine einmalige Verlängerung bis zu insgesamt sechs Monaten pro Anlassfall möglich.

Zur Pflege schwerstkranker Kinder kann zunächst für maximal fünf Monate Familienhospizkarenz zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart werden. Bei Bedarf ist eine Verlängerung auf bis zu insgesamt neun Monaten pro Anlassfall möglich.

Die Verlängerung ist dem Arbeitgeber spätestens zehn Arbeitstage vor der Verlängerung schriftlich bekannt zu geben. Auch der Grund für die Maßnahme bzw deren Verlängerung ist glaubhaft zu machen.

Bildungskarenz

Eine Bildungskarenz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann ab dem 7. Arbeitsmonat des Arbeitnehmers für die Dauer von mindestens 2 Monaten bis maximal 1 Jahr gegen Entfall des Entgeltes vereinbart werden.

Der Arbeitnehmer kann an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen, ohne das bestehende Arbeitsverhältnis auflösen zu müssen.

Nach sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit eines Arbeitnehmers kann eine mindestens zweimonatige bis höchstens zwölfmonatige Bildungskarenz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter folgenden Bedingungen vereinbart werden:

Die Bildungskarenz muss vom Arbeitnehmer zwingend für Aus- und Weiterbildung verwendet werden. Sollte der Arbeitnehmer diese Zeit vereinbarungswidrig verbringen, stellt dies eventuell einen Entlassungstatbestand dar. Beamte sind von der Möglichkeit der Bildungskarenz ausgenommen.

Während der Bildungskarenz gibt es grundsätzlich keinen besonderen Kündigungsschutz. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Weiterbeschäftigung an seinem früheren Arbeitsplatz.

Während der Bildungskarenz besteht seitens des Arbeitnehmers kein Anspruch auf Sonderzahlungen (Urlaubszuschuss, Weihnachtsgeld), Urlaub bzw Entgelt.

Für alle Ansprüche, die sich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses richten, bleibt die Zeit der Bildungskarenz unberücksichtigt, zB für:

  • Abfertigung alt
  • die Dauer der Kündigungsfristen
  • Urlaubsausmaß
  • Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Dem Arbeitnehmer gebührt nach der Rückkehr aus der Bildungskarenz das ursprüngliche Entgelt, wobei zwischenzeitliche Kollektivvertragserhöhungen anzurechnen sind. Nicht anzurechnen sind Dienstzeitvorrückungen (zB Biennalsprünge), sofern keine anders lautenden kollektivvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Bestimmungen bestehen. Erfolgt die Weiterbildung in Form eines Studiums, so ist nach jeweils sechs Monaten (nach jedem Semester) ein Nachweis über die Ablegung von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern zu erbringen.

Dienstfreistellung „ohne Lohn“

Es besteht die Möglichkeit einer Auszeit durch Vereinbarung einer Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgelts. Diese ist für eine Dauer von mindestens sechs Monaten bis zu einem Jahr möglich und sie ist zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer – am besten schriftlich – zu vereinbaren. Für den freigestellten Arbeitnehmer muss für die Dauer der Auszeit eine Ersatzarbeitskraft eingestellt werden, für die der Arbeitgeber unter bestimmten Bedingungen beim Arbeitsmarktservice eine Förderung aus den Mitteln der Arbeitslosenversicherung beantragen kann. Die eingestellte Ersatzarbeitskraft darf nicht bloß geringfügig beschäftigt sein und muss zuvor Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe bezogen haben. Der solcherart freigestellte Arbeitnehmer erhält für die Dauer der Auszeit weder Entgelt noch aliquote Sonderzahlungen und erwirbt für diesen Zeitraum auch keinen Urlaubsanspruch bzw Anspruch auf Abfertigung „alt“. Im Übrigen sind weitgehend die angeführten Bestimmungen des § 11 AVRAG zur Bildungskarenz analog anwendbar.

Wie funktioniert der „Papamonat“? 

Einem Dienstnehmer ist auf Verlangen für den Zeitraum von der Geburt seines Kindes bis zum Ablauf des Beschäftigungsverbotes der Mutter nach der Geburt des Kindes eine unbezahlte Freistellung in der Dauer von einem Monat zu gewähren, wenn er mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt. Der Rechtsanspruch auf Papamonat ist im Gegensatz zur Elternteilzeit nicht von der Betriebsgröße oder einer Betriebszugehörigkeitsdauer abhängig.

Sind alle Voraussetzungen erfüllt, kann während des Papamonats der Familienzeitbonus in Anspruch genommen werden. Besteht jedoch kein Anspruch auf diesen, liegt ein unbezahlter Urlaub vor. Die Freistellung beginnt frühestens mit dem auf die Geburt des Kindes folgenden Kalendertag. Ein gesetzlicher, kollektivvertraglicher oder einzelvertraglicher Anspruch auf Dienstfreistellung anlässlich der Geburt eines Kindes ist auf die Freistellung nicht anzurechnen.

Beabsichtigt der Dienstnehmer eine Freistellung in Anspruch zu nehmen, hat er spätestens drei Monate vor dem errechneten Geburtstermin seinem Dienstgeber unter Bekanntgabe des Geburtstermins den voraussichtlichen Beginn der Freistellung anzukündigen (Vorankündigung).

Es besteht die Pflicht des Dienstnehmers, den Dienstgeber unverzüglich von der Geburt seines Kindes zu verständigen und spätestens eine Woche nach der Geburt den Antrittszeitpunkt der Freistellung bekannt zu geben. Der Dienstnehmer, der einen Papamonat in Anspruch nimmt, darf weder gekündigt noch entlassen werden. Der Kündigungs- und Entlassungsschutz beginnt mit der Vorankündigung oder einer späteren Vereinbarung, frühestens jedoch vier Monate vor dem errechneten Geburtstermin.

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