05.02.2021 | Arbeitssicherheit & Brandschutz | ID: 1082002

Kontrollmaßnahmen des Arbeitgebers und ArbeitnehmerInnenschutz

Johann Schöffthaler

Gastautor Johann Schöffthaler, MA, informiert in diesem Beitrag darüber, was Unternehmen hinsichtlich der Kontrolle von ArbeitnehmerInnen im Homeoffice und bei mobiler Arbeit beachten müssen, um nicht gegen Schutzvorschriften zu verstoßen.

Die Einführung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen zur Kontrolle der Arbeitnehmer/innen durch Betriebsinhaber/innen bei der Arbeit bzw im Homeoffice und mobiler Arbeit ist derzeit ein großes Thema.

Eine mögliche Rechtsfolge daraus ist ein Schadenersatzanspruch gemäß § 1328a ABGB:

„Wer rechtswidrig und schuldhaft in die Privatsphäre eines Menschen eingreift oder Umstände aus der Privatsphäre eines Menschen offenbart oder verwertet, hat ihm den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Bei erheblichen Verletzungen der Privatsphäre, etwa wenn Umstände daraus in einer Weise verwertet werden, die geeignet ist, den Menschen in der Öffentlichkeit bloßzustellen, umfasst der Ersatzanspruch auch eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.“

Unter mobiler oder dezentraler Arbeit werden alle Tätigkeiten zusammengefasst, welche nicht vor Ort im Betrieb getätigt werden. Das Spektrum reicht hier von Außendiensttätigkeiten, über Installations- und Reparaturarbeiten vor Ort beim Kunden oder Arbeiten von Unterwegs aus bis hin zu Telearbeit im Sinne der Arbeit im Homeoffice.

Viele Betriebe haben vor, auch nach der Pandemie, Homeoffice oder mobiles Arbeiten mit ihren Mitarbeiter/innen zu vereinbaren. Der Vorteil für die Betriebe liegt in reduzierten Kosten durch Einsparungsmöglichkeiten bei Miete der Büroräumlichkeiten, laufende Betriebskosten wie Heizung, Strom, etc. Dazu gehören unter anderem auch Krankenstände, durch aktuelle Studien ist belegt, dass die Krankenstände signifikant weniger geworden sind (z.B. man arbeitet zu Hause mit „Schnupfen“).

Kontrollmöglichkeiten für Arbeitgeber/innen bei Homeoffice/mobiler Arbeit

Das Problem für die Betriebsinhaber/innen liegt darin, wie die Arbeitsleistung festgestellt oder überprüft werden kann. Aus diesem Grund gibt es jetzt viele Angebote von Soft- und Hardwarefirmen für Betriebe, welche technische Lösungen anbieten wie zB eine Überwachung durch GPS-gesteuerte Systeme in Laptops, Diensttelefonen und Fahrzeuge sowie spezielle Software, welche zB die Benutzung der Tastatur, Stromverbrauch und CPU-Leistung registriert.

Schutz der Privatsphäre der Arbeitnehmer/innen

Alle diese Systemmöglichkeiten greifen aber in die Privatsphäre ein. Unter den Begriff der Privatsphäre fällt der (höchst)persönliche Lebensbereich eines Menschen, der nur einem eingeschränkten Personenkreis bekannt ist und üblicherweise nicht einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Die „persönlichen Rechte“ sind absolute Rechte und genießen als solche Schutz gegen Eingriffe Dritter. Nach herrschender Auffassung der jüngsten Judikatur sind auch im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer/innen zu berücksichtigen. Dies ergibt sich insbesondere aus den § 16 und § 1157 ABGB sowie § 18 AngG.

Zustimmung ist erforderlich

Gemäß § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG bedarf die Einführung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen zur Kontrolle der Arbeitnehmer/innen durch Betriebsinhaber/innen, sofern diese Maßnahmen (Systeme) die Menschenwürde berühren, zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats. Korrespondierend dazu normiert § 10 Abs 1 AVRAG, dass die Einführung und Verwendung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen, welche die Menschenwürde berühren, unzulässig ist, es sei denn, diese Maßnahmen werden durch eine Betriebsvereinbarung im Sinne des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG geregelt oder erfolgen in Betrieben, in denen kein Betriebsrat eingerichtet ist, mit Zustimmung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin.

Was versteht man unter Kontrollmaßnahme?

Unter einer Kontrollmaßnahme im Sinne des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG ist die systematische Überwachung von Eigenschaften, Handlungen oder des allgemeinen Verhaltens von Arbeitnehmern durch den oder die Betriebsinhaber/in zu verstehen. Es geht dabei auch um von Seiten des oder der Betriebsinhabers/in veranlasste Regelungen, die insbesondere vorschreiben, wann, unter welchen Umständen und auf welche Weise Arbeitnehmer/innen während ihrer Arbeitsleistung (auch wenn sie außerhalb der Betriebsräumlichkeiten erbracht wird) zu irgendeinem Zweck überprüft werden.

Bei Maßnahmen oder Systemen, die die objektive Eignung zur Kontrolle der Arbeitnehmer/innen erfüllen, ist dann gemäß § 96. Abs 1 Z 3 ArbVG bzw § 10 Abs 1 AVRAG zu prüfen, ob dadurch die Menschenwürde berührt ist.

Menschenwürde und Privatsphäre von Arbeitnehmer/innen

Zum unbestimmten Wert- und Rechtsbegriff „Menschenwürde“ ist klargestellt, dass dieser aus der Konkretisierung von Generalklauseln des Zivilrechts (insbesondere § 879 ABGB) bzw des Arbeitsrechts (insbesondere Fürsorgepflicht im Sinne des § 18 AngG, § 1157 ABGB) gewonnen werden muss. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang § 16 ABGB zu, wonach jeder Mensch über angeborene natürliche Rechte verfügt. Es handelt sich dabei um eine Zentralnorm der österreichischen Rechtsordnung, die in ihrem Kernbereich die Menschenwürde schützt. Der Gesetzgeber will mit der Anknüpfung an die „Menschenwürde“ in § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG erreichen, dass die freie Entfaltung der Persönlichkeit des oder der Arbeitnehmers/in keinen übermäßigen Eingriffen ausgesetzt ist. Auch die Privatsphäre eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin ist zu den von § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG geschützten Rechtsgütern zu zählen.

Wann wird die Privatsphäre durch Kontrollmaßnahmen berührt?

Die Menschenwürde wird von einer Kontrollmaßnahme oder einem Kontrollsystem dann „berührt“, wenn dadurch die vom Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin in den Betrieb miteingebrachte Privatsphäre kontrolliert wird. Von der Privatsphäre abgesehen, kann aber auch durch die Kontrollintensität der Arbeitsleistung und des arbeitsbezogenen Verhaltens des Arbeitnehmers oder Arbeitnehmerin eine Berührung der Menschenwürde bewirkt werden, und zwar vor allem dann, wenn diese Kontrolle in übersteigerter Intensität organisiert wird und jenes Maß überschreitet, das für Arbeitsverhältnisse dieser Art typisch und geboten ist. Andererseits verlangt das „Berühren“ der Menschenwürde keine solche Eingriffsdichte, die bereits als „Verletzung“ anzusehen wäre. Durch § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers vielmehr der schmale Grenzbereich zwischen den die Menschenwürde verletzenden (und damit ohnehin sittenwidrigen) Maßnahmen und den die Menschenwürde überhaupt nicht tangierenden Maßnahmen des/der Betriebsinhabers/in geregelt werden.

Die Beantwortung der Frage, ob die Menschenwürde durch eine Kontrollmaßnahme auch nur berührt wird, bedarf einer umfassenden Abwägung der wechselseitigen Interessen. Einerseits sind die Interessen des/der Arbeitgebers/in, der im Arbeitsverhältnis ein grundsätzliches Recht zur Kontrolle der Arbeitnehmer/innen hat, aber darüber hinaus zB auch sein Eigentum sichern und schützen will (z.B. Videoüberwachung), und andererseits die Interessen des/der Arbeitnehmers/in an der Wahrung seiner/ihrer Persönlichkeitsrechte gegeneinander abzuwägen. Dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit kommt hier regulierende Funktion zu. Persönlichkeitsrechte dürfen nur so weit beschränkt werden, als dies durch ein legitimes Kontrollinteresse des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin geboten ist. Es ist das schonendste – noch zum Ziel führende – Mittel zu wählen.

Aktuelle Entscheidung zum Eingriff in die Privatsphäre durch GPS-Ortungssystem im Dienstfahrzeug

In einem jüngeren Fall (OGH vom 22.01.2020, 9 ObA 120/19s) hat ein Betriebsinhaber sich darauf berufen, dass die hier vorzunehmende Interessenabwägung deshalb zu seinen Gunsten ausfallen müsste, weil das eingebaute GPS-Ortungssystem in einem Dienstfahrzeug, welches vom Arbeitnehmer privat genutzt werden darf, einem effizienten Fuhrparkmanagement und dem Ressourceneinsatz diente. Der Betriebsinhaber begründete sein Interesse an der Verwendung des GPS-Ortungssystems mit seinem Recht als Eigentümer, das Dienstfahrzeug während der Arbeitszeit des betroffenen Arbeitnehmers zu lokalisieren. Durch die Verwendung des GPS-Ortungssystems im Dienstfahrzeug des Arbeitnehmers während dessen Arbeitszeit (und Freizeit) hat er rechtswidrig und schuldhaft (vorsätzlich) in die Privatsphäre des Arbeitnehmers, nämlich seinen höchstpersönlichen Lebensbereich, eingegriffen.

Das hervorgehobene Argument, der Eingriff in die Privatsphäre des Arbeitnehmers sei nicht erheblich gewesen, weil der Betriebsinhaber keine privaten Umständen des Arbeitnehmers in einer Weise verwertet habe, die geeignet gewesen sei, den Arbeitnehmer in der Öffentlichkeit bloßzustellen, griff hier für den OGH zu kurz. Seitens des OGH überging der Betriebsinhaber, dass er an seiner rechtswidrigen Kontrollmaßnahme festhielt, obwohl sich der Arbeitnehmer mehrmals bei ihm über deren Vorgangsweise beschwerte und aufforderte, die Überwachung des Dienstfahrzeugs zu unterlassen. Der Betriebsinhaber nahm nicht von seiner rechtswidrigen Vorgangsweise Abstand, was zu beträchtlichen Unannehmlichkeiten für den Arbeitnehmer führte. Der OGH entschied, dass nach Lage dieses Falls nicht von einem unerheblichen Eingriff in Persönlichkeitsrechte ausgegangen werden kann, sondern eine erhebliche Verletzung der Privatsphäre des Arbeitnehmers vorliegt.

Somit bekam der Arbeitnehmer den Zuspruch eines Schadenersatzes im Sinne des § 1328a ABGB von 2.400 EUR (400 EUR pro Monat).

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