16.05.2024 | Arbeitssicherheit & Brandschutz | ID: 1173474

Mangelhafte Maschinen trotz CE-Kennzeichnung

Stefan Krähan - WEKA (cva)

70 bis 80 % der Maschinen, die eine CE-Kennzeichnung haben, entsprechen nicht den grundlegenden Anforderungen der MSV bzw M-VO 2023. Wie können Anwender damit umgehen?

Seminartipp:

Ausführliche Informationen erhalten Sie in unserem aktuellen Praxis-Seminar „Neue Maschinenverordnung (M-VO)“.

Die europäische Maschinenverordnung (MVO) 2023/1230, die ab 14.01.2027 anzuwenden ist, fordert für Maschinen, dass diese CE-gekennzeichnet werden.

Die Kennzeichnungsverpflichtungen, denen der Hersteller nach der europäischen Maschinenverordnung (MVO) 2023/1230 nachzukommen hat, sind im gesamten europäischen Wirtschaftsraum gleich. In der Praxis wird sehr häufig von CE-zertifiziert und CE-geprüft gesprochen, wobei die beiden Aussagen nicht richtig sind.

Tatsächlich handelt es sich bei der CE-Kennzeichnung um eine Selbstzertifzierung des Herstellers. Auch wenn im Rahmen der CE-Kennzeichnung eine Baumusterprüfung bei einer dafür berechtigten Stelle (akkreditiert und notifiziert) gemacht wird, vergibt immer der Hersteller selbst die CE-Kennzeichnung.

CE-Kennzeichnung: Viele Maschinen entsprechen nicht den Anforderungen

Somit ist es in der Praxis nicht verwunderlich, dass es viele CE-gekennzeichnete Maschinen gibt, die den Anforderungen der zugrunde liegenden Richtlinien, Verordnungen und Gesetze nicht entsprechen. Es gibt keine Behörde, die jede Maschine, die in Europa in Verkehr gebracht wird bzw hergestellt wird, überprüft oder abnimmt. Deswegen obliegt es der Seriosität des Herstellers, inwieweit die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden.

Trotz einer Marktaufsicht, um die sich die einzelnen Mitgliedstaaten kümmern müssen, ist eine lückenlose Kontrolle von Maschinen, die hergestellt werden, nicht möglich.

Viele Maschinen entsprechen nicht den Anforderungen der Maschinen-Sicherheitsverordnung 2010 (MSV 2010) bzw auch der Maschinen-Sicherheitsverordnung (MSV). Wie es in Zukunft mit der Anwendung der europäischen Maschinenverordnung (MVO) 2023/1230 aussieht, kann noch nicht genau gesagt werden.

Tatsache ist aber, dass es aufgrund der Selbstzertifizierung Hersteller gibt, die rechtliche Bestimmungen nicht genau einhalten und dadurch entspricht eine große Anzahl von Maschinen nicht den gesetzlichen Bestimmungen.

Erhebungen und Arbeitsunfallanalysen haben ergeben, dass etwa 70 bis 80 % von Maschinen, die eine CE-Kennzeichnung haben, den grundlegenden Anforderungen der MSV nicht entsprechen. Dabei sind formale Fehler bzw Mängel noch gar nicht erfasst. Würde man beispielsweise Mängel, die Betriebsanleitungen aufweisen dazuzählen, erhöht sich dieser Prozentsatz an mangelhaften Maschinen noch ziemlich deutlich.

Mängel an nicht CE-gekennzeichneten Maschinen

Es sind aber nicht nur CE-gekennzeichnete Maschinen, die mangelhaft ausgeführt sind, sondern auch Maschinen, die vor 1995 in Verkehr gebracht worden sind. Für diese Maschinen, die über keine CE-Kennzeichnung verfügen, ist der 4. Abschnitt der Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) maßgebend und relevant. Auch bei diesen „alten“ Maschinen (Datum des in Verkehr Bringens vor 1995) werden vermehrt Mängel aufgezeigt. In diesem Zusammenhang wird bei den „alten“ Maschinen irrtümlicherweise häufig von Bestandsschutz gesprochen, den es von Gesetzes wegen her für Maschinen aber nicht gibt. Der 4. Abschnitt der Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) ist rechtliche Basis bzw gibt es für einige Maschinen auch Nachrüstverpflichtungen, die seitens des ZAI (Zentralarbeitsinspektorates) in Form von Erlässen ausgesprochen wurden.

Was sind aber die Ursachen dafür, dass so viele mangelhafte Maschinen eigentlich ohne weitere Konsequenzen in Verkehr gebracht werden können?

Drei Hauptgründe für mangelhafte Maschinen

  • Unwissenheit des Kunden bzw Käufers
  • Mangelhafte Marktüberwachung durch die Behörden
  • Mangelhafte Umsetzung der MSV 2010 durch Hersteller

Empfehlung: Sicherheitstechnische Abnahme vor Auszahlung

Aufgrund der Tatsache, dass Maschinen häufig mangelhaft ausgeführt sind, ist eine sicherheitstechnische Abnahme vor der ersten bestimmungsgemäßen Verwendung notwendig.

Es ist zu empfehlen, dass eine Maschine erst ausgezahlt wird, wenn die sicherheitstechnische Abnahme positiv erfolgt ist. Vor allem bei größeren und/oder komplexeren Maschinen und Anlagen muss unbedingt angeraten werden, vor dem Auszahlen oder Bezahlen der Maschine

  • eine sicherheitstechnische Abnahme anhand der MSV 2010 und
  • ggf der vertraglich vereinbarten Zusatzbestimmungen oder in der Konformitätserklärung angeführten harmonisierten Normen

durchzuführen.

Nachträgliche Reklamationen und Änderungswünsche sind sonst sehr mühsam oder fruchtlos. Werden die Bestimmungen der MSV 2010 nicht eingehalten und bestehen offensichtliche Mängel, so darf eine Maschine unter Umständen nicht in Betrieb genommen werden.

Praxistipp:

Zahlen Sie keine Maschine oder Anlage aus, bevor Sie sich nicht vergewissert haben, dass die Maschine Ihren Erwartungen entspricht. Eine sicherheitstechnische Abnahme einer Maschine (und deren Unterlagen, zB der Betriebsanleitung) sollte immer durchgeführt werden.

Schwerpunkte der sicherheitstechnischen Abnahme

Eine sicherheitstechnische Abnahme einer Maschine wird in den meisten Fällen die folgenden Hauptpunkte umfassen:

  • Inhaltliche Vollständigkeit der Unterlagen (Betriebsanleitung, Konformitätserklärung)
  • Verständlichkeit (Sprache) und Eindeutigkeit der Unterlagen
  • Einhaltung erforderlicher Sicherheitsabstände
  • Vorhandensein und Funktionsfähigkeit aller erforderlicher Schutzeinrichtungen (trennend und nicht-trennend)
  • Notwendige Angaben und Vorkehrungen zur Wartung, Reparatur, und Instandhaltung
  • Vorhandensein aller Angaben an der Maschine selbst

Für den Fall, dass bestimmte Auflagen der MSV 2010 oder aber der vertraglichen Zusatzbestimmungen nicht erfüllt sind, ist der Hersteller verpflichtet, auf seine Kosten und ohne Aufpreis die Maschine oder die Unterlagen entsprechend zu adaptieren bzw zu ergänzen. Eine Auszahlung der Maschine sollte sinnvoller Weise erst nach Durchführung dieser Arbeiten erfolgen.

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