Dokument-ID: 570876

WEKA (bli) | News | 03.05.2013

Entlassung eines begünstigten Behinderten wegen Dienstunfähigkeit?

Der OGH setzte sich neulich mit der Frage auseinander, ob eine Entlassung eines begünstigten Behinderten wegen einer dauernden Dienstunfähigkeit möglich ist, ohne davor die Zustimmung des Behindertenausschusses einzuholen.

Sachverhalt

Der Kläger war bei der Beklagten im Verschub tätig und war als begünstigter Behinderter im Sinne des § 2 BEinstG angestellt. Aufgrund seiner chronischen Darmerkrankung war der Kläger sehr häufig im Krankenstand, woraufhin die Arbeitergeberin (beklagte Partei) eine Entlassung wegen (unverschuldeter) dauernder Dienstunfähigkeit aussprach.

Laut Kläger ist die Entlassung wegen der Umgehung des Kündigungsschutzes nach § 8 BEinstG unwirksam. Seit der Novelle des BEinstG (BGBl I Nr 17/1999) sind in § 8 Abs 4 lit b BEinstG bestimmte Kündigungsgründe, darunter auch die dauernde Dienstunfähigkeit, demonstrativ angeführt, für welche die Zustimmung des Behindertenausschusses zu einer vom Dienstgeber beabsichtigten Kündigung nötig ist. Diese Zustimmung des Behindertenausschusses wurde von der Dienstgeberin jedoch nicht eingeholt.

Außerdem sei er nicht ständig dienstunfähig gewesen, sondern es sei in absehbarer Zeit mit einer Verbesserung seines Gesundheitszustands zu rechnen gewesen. Weiters hätte er bei der Beklagten auch andere Tätigkeiten als Verschubtätigkeiten ausführen können bzw hätte die Beklagte ihm zumutbare Schulungen anbieten müssen.

Das Erstgericht und das Berufungsgericht gaben der Klage statt: Nach § 8 Abs 4 lit b BEinstG kann die als Kündigungsgrund ausgestaltete Dienstunfähigkeit eines begünstigten Behinderten jedenfalls dann nicht zur Begründung einer Entlassung herangezogen werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - die dauernde Dienstunfähigkeit auf die Behinderung zurückzuführen sei, aufgrund derer der Dienstnehmer als begünstigter Behinderter den besonderen Schutz des BEinstG genieße. Ein freies Wahlrecht des Dienstgebers zwischen Entlassung und Kündigung widerspräche hier dem Schutzzweck des BEinstG.

Entscheidung des OGH

Laut OGH kann ein begünstigter Behinderter iSd § 2 BEinstG wegen Dienstunfähigkeit nach § 27 Z 2 AngG, § 82 lit b GewO 1859 oder - wie hier - nach § 39 Abs 2 lit f DBO nur unter folgenden Voraussetzungen entlassen werden:

Wenn feststeht, dass er nicht nur im Rahmen seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung oder trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann, sondern auch wegen seiner mangelnden Leistungsfähigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr arbeitsfähig ist. Dies ist unabhängig davon, ob die Leistungsunfähigkeit aus der Behinderung resultiert oder nicht.

Im vorliegenden Fall wurde dies von der beklagten Dienstgeberin nicht geltend gemacht. Somit hätte die Dienstgeberin hier nur die Möglichkeit, die Kündigung des begünstigten Behinderten nach - allenfalls auch rückwirkend erteilter - Zustimmung des Behindertenausschusses gemäß § 8 Abs 2 BEinstG auszusprechen.

Somit ist die ausgesprochene Entlassung wegen Dienstunfähigkeit nach § 39 Abs 2 lit f DBO unwirksam und – wie von Vorinstanzen richtig erkannt wurde – das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen nach wie vor aufrecht.

OGH vom 21.02.2013, 9 ObA 127/12k

Weitere Infos

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Fachbeitrag Kündigungs- und Entlassungsschutz bei Beschäftigung von Mitarbeitern mit Behinderung