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WEKA (mpe) | News | 03.04.2014

Keine Haftung des Arbeitgebers für vorsätzliche Körperverletzung eines Arbeitnehmers

Hält ein Vorarbeiter arbeitsschutzrechtliche Bestimmungen nicht ein und wird dadurch ein Arbeitnehmer verletzt, ist die Frage zu klären, ob der Arbeitgeber dafür haftet. Der OGH erläutert das Dienstgeberhaftungsprivileg und schafft Klarheit.

Ohne Seil und Sicherheitsnetz

Der Kläger wurde bei einem Arbeitsunfall auf einer Baustelle durch einen Sturz aus mehreren Metern Höhe verletzt. Der Vorarbeiter des Arbeitstrupps der beklagten GmbH gab dem Kläger Anweisungen, trotz fehlenden Sicherheitsnetzen, welche nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften zu spannen gewesen wären, die Arbeiten durchzuführen. Mehr noch, er „empfahl“ auch das Sicherheitsseil abzuhängen, da es bei den Arbeiten die Bewegungsfreiheit einschränke.

Die Klage auf Schadenersatz und Haftung für Folgeschäden stützt sich auf das Fehlverhalten des Vorarbeiters, welches laut klagender Partei als zumindest grob fahrlässig einzuordnen und der beklagten GmbH als Arbeitgeber zuzurechnen sei.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage unter Hinweis auf das Dienstgeberhaftungsprivileg des § 333 ASVG.

Keine Zurechnung

Schon die Vorinstanzen gaben der Klage nicht statt und wiesen sie ohne Beweisverfahren ab. Der Arbeitgeber müsse sich das Verhalten seines Vorarbeiters nicht zurechnen lassen, es bestehe kein unmittelbarer Anspruch auf Schadenersatz gegen die GmbH.

Dieser Ansicht ist der Oberste Gerichtshof gefolgt.

Zunächst führt der OGH in seiner Begründung zum Vorsatz iSd § 333 ASVG aus, dass dieser als „böse Absicht“ zu deuten ist, die nach § 1294 ABGB nur dann gegeben ist, wenn der Schaden widerrechtlich mit Wissen und Willen des Schädigers verursacht worden ist. Es reicht nicht aus, wenn vorsätzlich Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht eingehalten werden.

Gemäß Dienstgeberhaftungsprivileg des § 333 ASVG sollen zivilrechtliche Ansprüche mit verschuldens- und mitverschuldensunabhängigen Leistungen aus der Sozialversicherung abgetauscht werden.

Anders als § 1313a ABGB, welcher eine Ausweitung des haftenden Personenkreises zum Inhalt hat, schränkt § 333 Abs 1 ASVG diesen ein: Der Geschädigte hat für seine Ansprüche den Sozialversicherungsträger in Anspruch zu nehmen. Der Dienstgeber haftet demnach nur bei eigenem vorsätzlichen Verhalten.

Da die GmbH nicht zur Haftung heranzuziehen ist, durfte ein Verfahren zum genauen Unfallhergang unterbleiben.

OGH, 29.01.2014, 9 ObA 4/14z