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Hasspostings gegen Mitarbeiter: Können Dienstgeber dagegen vorgehen?
Mag. Nikolaus Sauerschnig, LL.M. und Jakob Stadler erläutern wichtige Praxisfragen zum neuen Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz. Muss der Dienstnehmer der Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen durch den Dienstgeber zustimmen?
In den Sozialen Medien kommt es nahezu alltäglich zu beleidigenden und/oder kreditschädigenden Postings (besser bekannt als „Hasspostings“), die die Opfer nicht nur zu einer öffentlichen Zielscheibe machen, sondern auch zu schweren psychischen Beeinträchtigungen führen können. Diese negativen Folgen von Hasspostings finden naturgemäß Eingang in den Arbeitsalltag: Opfern wird durch die Folgen des Hasspostings die Erbringung ihrer Arbeitsleistung erschwert und/oder diese wirken sogar soweit, dass auch das Ansehen des Dienstgebers selbst beeinträchtigt wird. Doch können sich Dienstgeber selbst gegen derartige Hasspostings zur Wehr setzen oder sind sie auf die Verfolgung der Täter durch den Dienstnehmer angewiesen?1
Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz (HiNBG)
Durch das HiNBG hat der Gesetzgeber Dienstgebern die Möglichkeit eingeräumt, Angriffe auf Persönlichkeitsrechte ihrer Dienstnehmer selbst zu bekämpfen, um so den Schutz von Dienstnehmern vor solchen Eingriffen zu erweitern. Gem dem neu geschaffenen § 20 Abs 2 ABGB wird dem Dienstgeber ein eigener Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gewährt, wenn die durch Hasspostings ausgelösten Verletzungen der Persönlichkeitsrechte seiner Dienstnehmer soweit gehen, dass dadurch die Rechtssphäre des Dienstgebers selbst beeinträchtigt wird.
Dieses neue Rechtsschutzinstrument genießen nicht nur „klassische“ Dienstgeber. Auch Vereine oder NGO können für ehrenamtlich tätige Helfer und Mitarbeiter Ansprüche wahrnehmen, genauso wie Körperschaften für deren Organe.2
Praktische Anwendungsfälle
Praktische Anwendungsfälle sind etwa die in den letzten Jahren immer öfter vorkommenden Postings gegen Polizei- oder Justizorgane, die darauf abzielen, diese Staatsgewalten herunterzumachen, wodurch ihre Arbeit erschwert wird. Auch Journalisten werden heutzutage vermehrt zur Zielscheibe von Hasspostings, wenn sie über gesellschaftlich emotionalisierte Themen berichten, was sogar soweit gehen kann, dass ihre Bereitschaft beeinträchtigt wird, über solche Ereignisse zu berichten.3
Voraussetzungen des Rechtsanspruchs des Dienstgebers
Damit der Dienstgeber gegen den jeweiligen Verfasser des Hasspostings vorgehen kann, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
- die Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Dienstnehmers muss in einem Medium iSd § 1 Abs 1 Z 1 MedienG erfolgen, beispielsweise durch ein Posting in den Sozialen Medien, wie Twitter4 oder Facebook;5
- es besteht ein Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit des Dienstnehmers
und das Posting führt alternativ entweder zu
- einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung der Einsatzmöglichkeiten des Dienstnehmers im Betrieb (etwa, weil dieser wegen der psychischen Belastung krankheitsbedingt ausfällt oder nun woanders eingesetzt werden muss) oder
- einer Schädigung des Ansehens des Dienstgebers.
Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch des Dienstgebers
Wie erwähnt, kann der Dienstgeber auf Unterlassung und/oder Beseitigung des widerrechtlichen Zustands klagen. Vorwiegend von Bedeutung ist in der Regel der Unterlassungsanspruch, der darauf abzielt, dass eine weitere Verbreitung des Hasspostings in Zukunft zu unterlassen ist. Mit dem von der Unterlassungsverpflichtung unabhängigen Beseitigungsanspruch kann zudem etwa die Löschung von Daten oder von physischen Verbreitungsstücken gefordert werden.6
Eilverfahren
Führt das Hasspostings sogar zu einer erheblichen Verletzung der Menschenwürde eines Dienstnehmers, worunter insbesondere abfällige Äußerungen über das Geschlecht, die Religion oder die sexuelle Orientierung7 fallen, kann der Dienstgeber seine Ansprüche in einem Eilverfahren (sogenanntes „Mandatsverfahren“ gem § 549 ZPO) geltend machen, indem ohne mündliche Verhandlung ein vorläufig vollstreckbarer Unterlassungsauftrag erlassen werden kann.8
Einziehung
Neben dem Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch hat der Dienstgeber durch den ebenfalls neu geschaffenen § 33a MedienG zudem einen Anspruch auf Einziehung der zur Verbreitung bestimmten Medienstücke bzw Löschung der betreffenden Hasspostings. Voraussetzung des Einziehungsanspruchs ist, dass
- in einem Medium im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Dienstnehmers gegenüber diesem der objektive Tatbestand der
- üblen Nachrede (§ 111 StGB), der Beleidigung (§ 115 StGB), der Verleumdung (§ 297 StGB) erfüllt ist oder er gefährlich bedroht wird (§ 74 Abs 1 Z 5 StGB).
Darüber hinaus müssen die oben genannten alternativen Tatbestandselemente des § 20 Abs 2 ABGB – Beeinträchtigung der Einsatzmöglichkeiten des Dienstnehmers und/oder Schädigung des Ansehens des Dienstgebers – vorliegen.
Muss der Dienstnehmer der Geltendmachung zustimmen?
Nein! Eine Besonderheit der genannten Rechtsbehelfe ist, dass die Geltendmachung durch den Dienstgeber nicht von der Zustimmung des Dienstnehmers abhängig ist. Dies wird von einem Teil der Lehre kritisch betrachtet, zumal die wesentliche Voraussetzung der Rechtsbehelfe die Beeinträchtigung des Dienstnehmers ist.9 Es kann daher durchaus der Fall eintreten, dass der Dienstnehmer eigentlich keine gerichtlichen Schritte setzen möchte, der Dienstgeber dennoch gegen den Willen des Dienstnehmers einen womöglich medienwirksamen Prozess anstrebt.
Das mögliche Konfliktpotential verdeutlichen die medienrechtlichen Ausschlussgründe im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Einziehung (§ 6 Abs 2 Z 2 oder Z 4 MedienG). Der Anspruch auf Einziehung besteht im Fall der üblen Nachrede nämlich nicht, wenn die Äußerung wahr ist oder – vornehmlich bei Medienunternehmen relevant – unter Einhaltung der journalistischen Sorgfalt hinreichende Gründe vorlagen, die Äußerung für wahr zu halten und ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung bestand (§ 33a Abs 2 MedienG). Dies kann etwa dazu führen, dass der Dienstgeber seine Interessen durch eine gegen den Dienstnehmer gerichtete üble Nachrede – etwa durch den Vorwurf einer strafbaren Handlung („Der Polizist A. ist korrupt“) – verletzt sieht, der Dienstnehmer ihn etwa aus Angst vor Konsequenzen nicht über die Richtigkeit des Inhalts des Postings aufklärt, der Dienstgeber das Verfahren aufgrund des Wahrheitsbeweises verliert und der Dienstnehmer dadurch noch weitgehenderen öffentlichen Anfeindungen ausgesetzt wird.
Praxistipp:
Um solche Fälle zu vermeiden, ist es in der Praxis jedenfalls ratsam, dass Dienstgeber erst nach vorheriger Rücksprache mit dem Dienstnehmer vor Gericht gehen.
Ist der Dienstgeber verpflichtet, gegen Hasspostings vorzugehen?
Auch hier gilt: Nein! Die eingeräumten Rechtsbehelfe können Dienstgeber ausüben, müssen dies aber nicht. Sowohl in § 20 Abs 2 ABGB als auch in § 33a Abs 2 MedienG ist sogar ausdrücklich festgehalten, dass eine solche Pflicht „insbesondere aufgrund der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht“10 nicht besteht.
Dies heißt aber freilich nicht, dass der Dienstgeber bei Hasspostings überhaupt keine Schritte setzen muss. Die Fürsorgepflicht gebietet es dem Dienstgeber, alles ihm Zumutbare zu tun, um Dienstnehmer vor Beeinträchtigungen seiner Persönlichkeitsrechte zu schützen.11 Ist der Verfasser des Postings etwa ebenfalls ein Dienstnehmer, ist der Dienstgeber aufgrund der Fürsorgepflicht verpflichtet, für Abhilfe zu sorgen, indem er beispielsweise versucht, zwischen den Dienstnehmern zu vermitteln oder den Verfasser abmahnt. Eine Pflicht, die ihm eingeräumten Rechtsbehelfe auf Unterlassung, Beseitigung und/oder Einziehung einzusetzen, hat der Dienstgeber aber nicht.
Fazit
Durch den Anspruch auf Unterlassung, Beseitigung und/oder Einziehung haben Dienstgeber weitreichende Möglichkeiten, gegen Hasspostings gegen Dienstnehmer vorzugehen. Dadurch können Dienstgeber nicht nur ihr Ansehen verteidigen, sondern vor allem Dienstnehmern ein zusätzliches Schutzinstrument bieten. Um Konflikte und böse Überraschungen zu vermeiden, sollte vor jeder Geltendmachung aber vorab mit dem betroffenen Dienstnehmer Rücksprache gehalten werden.
Autoren
Mag. Nikolaus Sauerschnig, LL.M. ist Rechtsanwalt bei Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG (Wien).
Jakob Stadler ist juristischer Mitarbeiter bei Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG (Wien).
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1 Zur besseren Lesbarkeit wird im Beitrag die männliche Form verwendet. Die Angaben beziehen sich aber natürlich auf Angehörige aller Geschlechter.
2 481 BlgNR XXVII. GP, S 22f
3 481 BlgNR XXVII. GP, S 7 f.
4 Koukal in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz4 (2019) § 1 MedienG Rz 7.
5 Rami in Höpfel/Ratz, WK2 MedienG § 1 Rz 47/5.
6 481 BlgNR XXVII. GP, S 7.
7 481 BlgNR XXVII. GP, S 11.
8 Caroline Mokrejs-Weinhappel, Zivilprozessuale Maßnahmen zur Bekämpfung von "Hass im Netz", ÖJZ 2021/7.
9 Rendl, Der Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch des Arbeitgebers bei Verletzung von Persönlichkeitsrechten seiner Mitarbeiter, ARD 6784/6/2022 (4) mwN.
10 Die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht verpflichtet den Dienstgeber zu umfassenden Schutzmaßnahmen für seine Dienstnehmer. So muss er insbesondere Leben, Gesundheit, Vermögen und eben Persönlichkeit und Privatsphäre schützen.
11 Felten in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1157 Rz 39; Resch, Vertragliche und nachvertragliche Schutzpflichten/Fürsorgepflichten des Arbeitgebers, JAS 2021, 49.