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Zusätzliche Mitwirkungsbefugnisse des Betriebsrates durch unzulässige Betriebsvereinbarung erlaubt?
Die Entscheidung ging der Frage nach, ob durch eine unzulässige Betriebsvereinbarung dem Betriebsrat zusätzliche Mitwirkungs- oder Gestaltungsrechte hinsichtlich einzelvertraglicher Ansprüche der Arbeitnehmer eingeräumt werden können.
Sachverhalt
Im Anlassfall arbeitete der Kläger bei einem Unternehmen, welches für seine im Ausland tätigen Mitarbeiter eine Steuertopfbeteiligung per Betriebsvereinbarung geschaffen hatte. Dabei wurde die fiktive österreichische Lohnsteuer auf ein Treuhandkonto gelegt, wobei alle in diesem Zeitraum im Ausland tätigen Mitarbeiter eine Solidargemeinschaft bildeten. Die ausländische Steuer wurde dann aus diesem Topf beglichen, wodurch die unterschiedlichen Steuerbelastungen der Länder ausgeglichen werden sollten.
In der Betriebsvereinbarung wurde festgelegt, dass für eine Ausschüttung aus dem Steuertopf ein nachhaltiger Überschuss und eine einvernehmliche Regelung zwischen dem Betriebsrat und dem Unternehmen von Nöten sei.
Der Kläger arbeite bis Oktober 2013 regelmäßig im Ausland und nahm darüber hinaus am Steuertopfmodell teil. Nach der einvernehmlichen Auflösung seines Dienstverhältnisses im Jahre 2016, begehrte er eine weitere Zahlung von EUR 8000,- aus dem Steuertopf, da nicht vereinbart wurde, dass ein Überschuss aus den Steuereinnahmen im Vermögen des Unternehmens bleiben sollte.
Unzulässige Betriebsvereinbarung als Vertragsschablone
Die Rechtswirkungen einer unzulässigen (freien) Betriebsvereinbarung, die von Schrifttum und Rechtsprechung als Vertragsschablone gesehen wird, richten sich nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. So kann auch deren Inhalt ausdrücklich oder schlüssig zur Änderung oder Ergänzung des einzelnen Arbeitsvertrages führen, wobei auf den Wissensstand der Arbeitsvertragsparteien und den Inhalt der Betriebsvereinbarung abzustellen ist. Hatten die Vertragsparteien von dem Inhalt Kenntnis und haben sie zu erkennen gegeben, dass sie sich dennoch an die Regelungen halten wollen, führt dies zur Vertragsergänzung bzw -änderung sowohl für begünstigende, als auch für belastende Inhalte.
Änderungs-, Beendigungs- und Gestaltungsvorbehalte zugunsten des Arbeitgebers bleiben bestehen
Der Überschuss aus dem Steuertopf sollte den Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen zurückbezahlt werden, darüber sollte mit dem Betriebsrat beraten werden. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass bei einer schlüssigen Vertragsänderung oder-ergänzung, der Arbeitnehmer jene Bedingungen gegen sich gelten lassen muss, die der Arbeitgeber erkennbar für die Gewährung der Leistung aufgestellt hat. Somit bleiben etwaige Änderungs- oder Gestaltungsvorbehalte zugunsten des Arbeitgebers aus einer unzulässigen Betriebsvereinbarung im Fall der Einbeziehung in einen Einzelarbeitsvertrag bestehen. Jedoch ist dabei die Ausübungsschranke des billigen Ermessens zu beachten.
Umdeutung der Mitwirkungsrechte des Betriebsrats in einen Gestaltungsvorbehalt des Arbeitgebers
Für den Fall, dass in einer unzulässigen Betriebsvereinbarung dem Betriebsrat Mitwirkungsrechte oder Gestaltungsvorbehalte eingeräumt werden, schließt sich der OGH der Meinung Jaborneggs an. Demnach ist die Mitbestimmungsordnung der gesetzlichen Betriebsverfassung zwingender Natur, sodass Mitwirkungsrechte weder eingeschränkt, noch ausgedehnt werden können. Ansonsten könnten durch solch unzulässige Betriebsvereinbarungen arbeitsvertragliche Ersatzkonstruktionen mit einer Quasi-Normwirkung geschaffen werden, die dem Normzweck des § 29 ArbVG widerspricht.
Im Anlassfall führte die vereinbarte Beratung zwischen dem Unternehmen und dem Betriebsrat hinsichtlich der Ausschüttung aus dem Steuertopf zu einer unzulässigen Erweiterung der Mitwirkungsbefugnisse des Betriebsrats auf einzelvertragliche Ansprüche des Arbeitnehmers. So waren die Befugnisse des Betriebsrats in einen Gestaltungsvorbehalt des Arbeitgebers umzudeuten, den dieser jedoch nur nach billigen Ermessen ausüben konnte. Mitwirkungsbefugnisse des Betriebsrats in einer unzulässigen Betriebsvereinbarung bleiben also nicht bestehen.
Diese Sicht der Dinge führte zu dem Ergebnis, dass die Arbeitnehmer nach Ablauf der Nachlauffrist des Steuertopfmodells einen individuellen Rückzahlungsanspruch hatten, sodass ein Überschuss im für die betreffende Zeitperiode im Verhältnis der Einzahlungen der Arbeitnehmer zurückzuerstatten war.
OGH 20.12.2017, 8 ObA 59/17k