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Judikatur | Entscheidung

6 Ob 112/22x; OGH; 18. November 2022

GZ: 6 Ob 112/22x | Gericht: OGH vom 18.11.2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L *, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. F*, 2. Dkfm. Dr. H*, beide *, vertreten durch Kuhn Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 3.063.690,88 sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Teilzwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. März 2022, GZ 4 R 143/21k-51, mit dem das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 2. August 2021, GZ 27 Cg 81/17t-47, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Schriftsätze der klagenden Partei und der beklagten Parteien (jeweils) vom 24.10.2022 werden zurückgewiesen.

II. Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

[1] Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft, auf der sich ein Gebäude mit Penthouse und Garten (Wohnfläche 507 m² Gartenfläche von 1.000 m²) befand. Die Beklagten nutzten dieses Penthouse samt Garten (auch im Bezug auf Betriebs- und Erhaltungskosten) seit 1992 kostenlos. Im Jahr 2009 schlossen die Streitteile darüber eine schriftliche Nutzungsvereinbarung ab, auf deren Grundlage im Jahr 2013 auch ein entsprechendes (unentgeltliches) Wohnungsgebrauchsrecht zugunsten der Beklagten verbüchert wurde. Im selben Jahr kam es bei der Klägerin zu einem Gesellschafterwechsel (die Gesellschaftsanteile des zuletzt über Stiftungen gehaltenen traditionsreichen Familienunternehmens wurden an eine Aktiengesellschaft verkauft). Mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 20.12.2018, 6 Ob 195/18x, wurde zwischen den Streitteilen die Nichtigkeit des Wohnungsgebrauchsrechts wegen Verstoßes gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 82, 83 GmbHG) ausgesprochen; die Beklagten wurden zur Räumung des Objekts verpflichtet.

[2] Die Klägerin begehrt mit ihrer am 05.12.2017 eingebrachten Klage insgesamt EUR 3.063.690,88 sA an Entgelt für die titellose Benützung des Penthouses seit Jänner 1993.

[3] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage der Verjährung dieses Anspruchs für die Zeit von 01.01.1993 bis 30.11.2012.

[4] Die Klägerin hält auch die für diesen Zeitraum geltend gemachten Forderungen – sowohl nach § 83 Abs 5 GmbHG wie auch nach den allgemeinen Bestimmungen des ABGB – für nicht verjährt. Die Beklagten hätten als erfahrene, versierte Geschäftsleute Kenntnis davon gehabt, dass die unbeschränkte Dauer ihres Nutzungsrechts an der der Klägerin gehörenden, luxuriösen Penthousewohnung in einem Missverhältnis zu den von ihnen selbst erbrachten Leistungen stehe. Sie hätten gewusst, dass der Erhalt der von der Klägerin erbrachten Leistungen unrechtmäßig und daher sämtliche Nutzungsvereinbarungen zwischen ihnen und der Klägerin als gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßend nichtig seien. Wegen dieses wissentlichen Verstoßes der Beklagten verjähre der Rückforderungsanspruch erst binnen 30 Jahren. Zugleich bestehe ohnehin ein konkurrierender Anspruch auf Rückforderung verbotswidriger Leistungen nach allgemeinem Bereicherungsrecht, der ebenfalls der 30-jährigen Verjährung unterliege. Überdies sei die Verjährung gemäß § 1494 ABGB bis zum 05.06.2013 gehemmt gewesen, sei doch aufgrund der bis dahin bestehenden Ausgestaltung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse eine Interessenkollision auf Seiten der Vertreter der Klägerin vorgelegen, aufgrund derer eine gesetzmäßige Wahrung ihrer Rechte nicht zu erwarten gewesen sei.

[5] Die Beklagten bestreiten – soweit im Revisionsverfahren von Relevanz (vgl RS0127852) –, die Widerrechtlichkeit der Annahme von iSd §§ 82 f GmbHG verbotenen Leistungen gekannt zu haben. Weder „die Beteiligten“ noch ihre Rechtsberater seien jemals auf die Idee gekommen, es liege eine verbotene Leistung der Klägerin an die Beklagten vor. Abgesehen davon werde § 83 Abs 5 GmbHG durch die spezielleren Verjährungsnormen der §§ 1480, 1486 Z 4 ABGB verdrängt, die jeweils eine Dreijahresfrist vorsähen, sodass Verjährung bereits eingetreten sei.

[6] Das Erstgericht wies mit Teilurteil die Klageforderung für Benutzungsentgelt in Ansehung des für den (mehr als fünf Jahre vor Klagseinbringung liegenden) Zeitraums von 01.01.1993 bis 30.11.2012 ab. Es traf über den eingangs (gerafft) wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch Feststellungen zur fehlenden Kenntnis der Beklagten und ihrer Berater über die Verbotswidrigkeit der unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung und folgerte daraus in rechtlicher Hinsicht, dass mangels Kenntnis der Beklagten von der Widerrechtlichkeit des eingeräumten Wohngebrauchsrechts alle Ansprüche, die mehr als fünf Jahre vor Klageerhebung zurückliegende Zeiträume beträfen, gemäß § 83 Abs 5 GmbHG verjährt seien. Soweit die Ansprüche nämlich auf allgemeines Bereicherungsrecht gestützt würden, sei die dreijährige Frist des § 1486 Z 1 ABGB, nicht aber die allgemeine 30-jährige Verjährungsfrist heranzuziehen.

[7] Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es mit Teilzwischenurteil nach § 393a ZPO aussprach, der Klagsanspruch sei im Umfang des für den Zeitraum vom 01.01.1993 bis 30.11.2012 geltend gemachten Benützungsentgelts nicht verjährt. Den Urteilssachverhalt ließ es im Hinblick auf die von der Klägerin bekämpften erstgerichtlichen Feststellungen zur fehlenden Kenntnis der Beklagten und ihrer Berater von der Widerrechtlichkeit der Gebrauchsüberlassung offen, weil es meinte, es komme auf die für die Anwendbarkeit der langen Verjährungsfrist des § 83 Abs 5 GmbHG relevante Kenntnis der Beklagten von der Rechtswidrigkeit der mit der Klägerin entgegen den Kapitalerhaltungsvorschriften getroffenen Vereinbarungen gar nicht an, was auch für die Frage der Hemmung der Verjährung nach § 1494 ABGB gelte. Der Rückforderungsanspruch nach §§ 82 f GmbHG konkurriere mit der Rückforderung von verbotswidrigen Leistungen nach allgemeinem Bereicherungsrecht. Unter Verweis auf die Entscheidung 5 Ob 212/10b hielt es fest, es sei die titellose (Weiter-)Benützung eines Bestandobjekts nicht einer Leistung/Lieferung in einem geschäftlichen Betrieb gleichzuhalten, weshalb die Benützungsentgelte für den Gebrauch beweglicher und unbeweglicher Sachen jedenfalls erst in 30 Jahren verjährten, nehme doch § 1486 Z 1 ABGB nur Bezug auf bewegliche Sachen. Ausgehend davon unterliege das begehrte Benützungsentgelt der 30-jährigen Verjährungsfrist.

[8] Unter Hinweis auf die zitierte Rechtsprechung ließ das Berufungsgericht die Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu.

[9] Dagegen richten sich die Beklagten mit ihrer auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten außerordentlichen Revision, mit der sie die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts anstreben.

Rechtliche Beurteilung

[10] I. Beide Parteien brachten zusätzlich zu Rechtsmittel bzw Rechtsmittelbeantwortung einen Schriftsatz ein. Dies verstößt gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (RS0041666 [insb T35]; RS0100170). Die Schriftsätze sind daher als unzulässig zurückzuweisen.

[11] II. Die von den Beklagten beantwortete außerordentliche Revision der Klägerin ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und – im Sinn des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags (RS0041774 [T1]) – auch berechtigt.

[12] 1. Ansprüche der Gesellschaft auf Rückersatz nach § 83 Abs 1 GmbHG verjähren gemäß Abs 5 leg cit in fünf Jahren, sofern sie nicht beweist, dass der Ersatzpflichtige die Widerrechtlichkeit der Zahlung kannte.

[13] Nachdem das Berufungsgericht die (Negativ-)Feststellungen zur Kenntnis von der Verbotswidrigkeit der später als nichtig aufgehobenen unentgeltlichen Vereinbarung über das Wohnungsgebrauchsrecht (bisher) nicht übernahm, wäre betrachtet allein nach § 83 Abs 5 GmbHG – mangels Nachweis der Kenntnis der Ersatzpflichtigen von der Widerrechtlichkeit der Zahlung – der dem Berufungsurteil unterliegende Teil des Begehrens der Klägerin bereits verjährt.

[14] 2. Nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats konkurriert der Rückforderungsanspruch nach § 83 GmbHG aber mit der Rückforderung von verbotswidrigen Leistungen nach allgemeinem Bereicherungsrecht. Die Privilegierung des Empfängers einer Leistung, der von deren Verbotswidrigkeit keine Kenntnis hat, im § 83 Abs 5 GmbHG schlägt nicht auf das allgemeine Bereicherungsrecht durch (vgl 6 Ob 110/12p; RS0128167). Käme auf den hier geltend gemachten Rückforderungsanspruch nach allgemeinen Bestimmungen eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zur Anwendung und unterfiele er nicht unter einen besonderen gesetzlichen Tatbestand, der (auch nach allgemeinen Bestimmungen) eine kurze Verjährungsfrist vorsieht (weil die in § 1478 Satz 2, § 1479 ABGB statuierte allgemeine Verjährungszeit nur Auffangcharakter hat [RS0086687]), wären die in der Berufung erhobene Beweisrüge und die Behandlung der Einwendung einer Hemmung der Verjährung analog § 1494 ABGB tatsächlich nicht entscheidungsrelevant.

[15] 3. Der geltend gemachte Anspruch unterliegt aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und der Beklagten – beurteilt nach den Verjährungsbestimmungen des AGBG – einer dreijährigen Verjährungsfrist:

[16] 3.1. Das Berufungsgericht setzt sich in seiner rechtlichen Beurteilung nur mit der Frage der im Ersturteil relevierten (sinngemäßen) Anwendbarkeit der Verjährungsnorm des § 1486 Z 1 ABGB, nicht aber mit der auch noch in der Berufungsbeantwortung aufrecht erhaltenen Einrede der Beklagten auseinander, die geltend gemachten Bereicherungsansprüche verjährten unter Heranziehung der (besonderen) Verjährungsbestimmung des § 1486 Z 4 bzw des § 1480 ABGB nicht in dreißig, sondern bereits in drei Jahren.

[17] Zugleich baut es seine rechtlichen Erwägungen, wie sich aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 5 Ob 212/10b (vgl ErwGr 10.) ergibt, erkennbar auf der Prämisse auf, dass es sich bei den von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen aus der titellosen Benützung der Wohnung, soweit sie auf allgemeines Bereicherungsrecht gestützt werden, um Verwendungsansprüche nach § 1041 ABGB handelt. Auch die Beklagten gründen ihren Standpunkt, es käme die 30-jährige Verjährungsfrist zur Anwendung, auf die Anwendung von § 1041 ABGB.

[18] Wie in der Revision zutreffend aufgezeigt, lassen Berufungsgericht (und die Beklagten) dabei unberücksichtigt, dass die Gebrauchsüberlassung der Wohnung zugunsten der Beklagten eine bewusste und zweckgerichtete Vermögenszuwendung seitens der Klägerin, basierend auf einer zwischen den Streitteilen getroffenen – allerdings nichtigen – Nutzungsvereinbarung, darstellt, was zwingend zu einer Qualifikation des Rückforderungsanspruchs als Leistungskondiktion (konkret nach § 877 ABGB analog; vgl dazu RS0016323 [T6, T7]; Pletzer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 877 Rz 6 mwN) und nicht als Verwendungsanspruch führt (s RS0020192; zur Subsidiarität des Verwendungsanspruchs gegenüber der Leistungskondiktion im zweipersonalen Verhältnis vgl etwa 8 Ob 94/13a).

[19] Auf Basis dieser unrichtigen Grundannahme gelangt das Berufungsgericht zum rechtlich unrichtigen Ergebnis, dass auf die von der Klägerin geltend gemachten Bereicherungsansprüche die allgemeine 30-jährige Verjährung anwendbar ist (zur – durchaus strittigen – Frage der Anwendbarkeit des § 1486 Z 1 ABGB auf Verwendungsansprüchen s zuletzt 5 Ob 35/19m).

[20] 3.2. Zwar hat der Oberste Gerichtshof bereits in mehreren Entscheidungen allgemein ausgesprochen, dass auf die auf Rückforderung der verbotswidrigen Leistungen gerichtete Kondiktion – aufgrund der gebotenen selbstständigen verjährungsrechtlichen Beurteilung der konkurrierenden Anspruchsgrundlagen – die lange Verjährungszeit von 30 Jahren (§§ 1478 f ABGB) zur Anwendung gelangt (siehe RS0128167; zuletzt etwa 6 Ob 61/21w). Wie jedoch bereits aus der Entscheidung 6 Ob 79/16k (zur dreijährigen Verjährung der bereicherungsrechtlichen Rückforderung von Bestandzinsen in analoger Anwendung von § 27 Abs 3 MRG und § 5 Abs 4 KlGG) deutlich hervorgeht, ist diese allgemeine Aussage dahin zu präzisieren, dass auf die in Rede stehende Kondiktion das allgemeine Verjährungsregime des ABGB und damit nur grundsätzlich die 30-jährige Regelverjährung (konkret zu § 877 ABGB analog etwa 7 Ob 669/87; 2 Ob 322/00t; 10 Ob 10/12m [= RS0127654]; vgl weiters RS0018505; RS0033819) anzuwenden sind. Entgegen der Revisionsbeantwortung geht aus der Entscheidung 6 Ob 79/16k gerade nicht hervor, dass in jedem Fall eines Rückforderungsanspruchs nach § 83 GmbHG die besondere Verjährungsbestimmung nach § 83 Abs 5 GmbHG (nur) mit der allgemeinen langen (30-jährigen) Verjährungsfrist nach § 1478 ABGB konkurriert.

[21] Zu prüfen ist vor Anwendung der allgemeinen 30-jährigen Verjährungsfrist nämlich stets, ob der infrage stehende Rückforderungsanspruch nicht unter einen besonderen gesetzlichen Tatbestand fällt, der eine kurze Verjährungsfrist vorsieht. Dabei kommen nicht nur solche Bestimmungen infrage, die die Verjährung bestimmter Ansprüche ausdrücklich besonders regeln; vielmehr ist auch die analoge Anwendung solcher Vorschriften in Betracht zu ziehen (4 Ob 73/03v [ErwGr 1.]; 8 Ob 145/19k mwN); auf aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Klausel-RL ableitbare Bedenken, die einer analogen Anwendung der kurzen Verjährungsfrist auf Ansprüche eines Verbrauchers entgegenstehen könnten (vgl P. Bydlinski, OGH und EuGH zur Verjährung von Rückforderungsansprüchen Wie soll der Gesetzgeber reagieren? VbR 2020, 200 ff; Leupold/Gelbmann, Glosse zu EuGH 16.07.2020, C-224/19 Caixabank, VbR 2020, 222 ff; EuGH 10.6.2021, C-776/19, BNP Paribas Personal Finance, VbR 2021/210; 8.9.2022, C 80–82/21 D.B.P = ZFR 2022/234 = RdW 2022/618) muss hier schon deshalb nicht eingegangen werden, weil es um Ansprüche einer Kapitalgesellschaft geht und die Nichtigkeit des Vertrags nicht auf der Anwendung missbräuchlicher Klauseln beruht.

[22] 3.3. Ausgehend davon verfolgt die jüngere Rechtsprechung mittlerweile in Ansehung der Verjährung von Kondiktionsansprüchen – im Einklang mit den auch in Deutschland anerkannten Grundsätzen (siehe nur Grothe in MünchKommBGB9 [2021] § 195 Rz 40 f mwN) – einen differenzierenden Ansatz, demzufolge die Verjährung analog nach der Art des Anspruchs zu beurteilen ist, an dessen Stelle die Kondiktion tritt (so ausdrücklich 8 Ob 110/16h; 7 Ob 137/18z; 9 Ob 44/21t mwN; idS bereits Wilburg in Klang² VI 490; vgl auch Ch. Huber, Die Verjährung von gesetzlichen Rückersatzansprüchen, JBl 1985, 467 [471]; weiters Rummel, Altes und Neues zu § 1042 ABGB, JBl 2008, 432 [442]: „Materialisierung“ in der Verjährungsfrage).

[23] Es besteht insbesondere eine – von der Lehre überwiegend gebilligte (siehe statt vieler Rummel in Rummel, ABGB3 § 1431 Rz 12; M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1486 Rz 1; Dehn in KBB6 § 1486 ABGB Rz 2; R. Madl in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.07 § 1486 Rz 5; Riss, Wann verjähren Ansprüche auf Benützungsentgelt? RdW 2022, 668 ff [670]; ablehnend Werderitsch, Zur Verjährung von Bereicherungsansprüchen – Über kurz oder lang? Zak 2008, 263; D. Holzinger, Marktmissbrauch und Nichtigkeit [2012] 230 ff; allgemein kritisch zur Rechtsfortbildung im Bereich der Verjährung von Bereicherungsansprüchen Fenyves/Kerschner/Vonkilch in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ Vorbem zu §§ 1431–1437 Rz 60 ff) – klare Tendenz der Rechtsprechung, die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 ABGB auch auf (Bereicherungs-)Ansprüche zu erstrecken, die funktionell vertraglichen Erfüllungsansprüchen ähneln oder wirtschaftlich an deren Stelle treten (4 Ob 181/13s; 10 Ob 62/16i; 9 Ob 2/17k). So ist nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung (8 ObA 5/13p) auf Kondiktionsansprüche aus einem ungültigen, ansonsten aber § 1486 ABGB unterliegenden Rechtsgeschäft die in dieser Bestimmung angeordnete kurze Verjährung anzuwenden (RS0034137 [T6]). Diese Grundsätze wurden bereits im Zusammenhang mit § 1486 Z 1 ABGB (1 Ob 32/08z; 7 Ob 269/08x; 8 ObA 5/13p; 4 Ob 181/13s [wenn auch hier Anwendung der 30-jährigen Verjährungsfrist]; 9 Ob 2/15g), § 1486 Z 5 ABGB (9 ObA 157/97x; 9 ObA 39/00a; 9 ObA 87/13d; RS0021868) und § 1486 Z 6 ABGB (10 Ob 148/05w) vertreten.

[24] 3.4. Die soeben dargelegten Erwägungen haben freilich zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nicht nur hinsichtlich jener Tatbestände des § 1486 ABGB zu gelten, die – wie Rummel (Zur Verjährung von Bereicherungsansprüchen: [noch] ein Appell an den Gesetzgeber, FS Koziol [2010] 377 [381 f]) zutreffend hervorhebt – nach ihrem Wortlaut von vornherein nicht auf einen bestimmten, der Leistung zugrundeliegenden Rechtsgrund abstellen (vgl Z 1, 2, 3 und 6 leg cit), sondern auch in Bezug auf die Z 4, die – ähnlich der Z 5 – insoweit enger formuliert ist, als sie nur vertragliche Vergütungsansprüche für die Gebrauchsüberlassung erfasst („Miet- und Pachtzinsen“; zur grundsätzlichen Zulässigkeit der sinngemäßen Erstreckung der taxativ aufgezählten Tatbestände des § 1486 ABGB auf darin nicht unmittelbar geregelte Fälle siehe nur RS0034205 [T1]).

[25] 3.5. Eben dieser besondere Verjährungstatbestand des § 1486 Z 4 ABGB – und nicht die von den Vorinstanzen relevierte Z 1 leg cit – steht hier konkret infrage, stellt doch das von der Klägerin geforderte Benützungsentgelt nichts anderes dar als das wirtschaftliche Äquivalent zur angemessenen vertraglichen Vergütung für die erfolgte Nutzung der Wohnung (zum entsprechend weiten Verständnis des historischen Gesetzgebers, demzufolge der Tatbestand etwa auch für „den einmaligen Zins für eine Gebrauchsüberlassung“ gelten soll, vgl HHB 78 BlgHH 21. Sess 307; Klang in Klang² VI 624; zur kurzen Verjährung auch bei Einmalzahlung s auch Enneccerus/Nipperdey, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts13 [1931] I 709).

[26] Die (von den Beklagten auch genutzte) Gebrauchsüberlassung kann naturgemäß als solche nicht in natura „rückerstattet“ werden, sondern nur das an die Stelle der hingegebenen Nutzung tretende wirtschaftliche Äquivalent (vgl 6 Ob 24/19a [ErwGr 3.2.1.]).

[27] Diesem Aspekt kommt hier besondere Bedeutung zu. Zwar könnte eine – bis dahin nicht erfolgte, aber versprochene – Gebrauchsüberlassung vom vertraglich Berechtigten binnen dreißig Jahren eingeklagt werden. Allerdings verbleibt in solchen Fällen der „Vermögenswert“ der Liegenschaft bis zur tatsächlichen Übergabe beim „Überlasser“. Einer Rückabwicklung eines typischerweise (beidseitig) nicht erfolgten Leistungsaustausches bedarf es dann nicht, und es besteht somit auch kein Bedürfnis, einen Ausgleich durch Zahlung eines wirtschaftlichen Äquivalents (für die ja gar nicht hingegebene Leistung) herbeizuführen. Die Einforderung eines vertraglichen Anspruchs auf Gebrauchsüberlassung (und die daran geknüpfte dreißigjährige Verjährungsfrist) ist in ihrer Zielsetzung nicht vergleichbar mit der Erstattung des tatsächlich genossenen Nutzens durch Leistung des wirtschaftlichen Äquivalents (Herstellung der vertragsgemäßen Lage – Ausgleich für tatsächlich erfolgte Nutzung).

[28] Darauf, dass nach der gegen das Einlagenrückgewährverbot verstoßenden Nutzungsvereinbarung kein Entgelt für die Überlassung des Gebrauchs der fremden Sache geschuldet war und folglich das im Rahmen der Verjährungstatbestände des § 1486 ABGB allgemein vorausgesetzte (vgl 4 Ob 181/13s; 5 Ob 35/19m; 6 Ob 24/19a; RS0034280 [T2]) synallagmatische Leistungsverhältnis zwischen den Streitteilen gerade fehlte, kommt es nicht an. Die fehlende Entgeltlichkeit des Wohnungsgebrauchsrechts, auf die die Beklagten an mehreren Stellen der Revisionsbeantwortung pochen, mag zwar die Grundlage dafür gewesen sein, dass die Vereinbarung als nichtig (weil gegen § 82 GmbHG verstoßend) anzusehen war (6 Ob 195/18x [ErwGr 1.1.]); dies steht aber der analogen Erstreckung des § 1486 Z 4 ABGB auf die im vorliegenden Rechtsstreit zu prüfenden Kondiktionsansprüche der Klägerin auf Rückforderung der den Beklagten über Jahre hinweg verbotswidrig erbrachten Leistungen per se nicht entgegen.

[29] Entscheidend ist hier vielmehr, dass die gebotene Einhaltung der Kapitalerhaltungsvorschriften ein (fremdübliches) Austauschgeschäft erfordert hätte und das nunmehr begehrte Entgelt somit die Funktion eines gebotenen vertraglichen Erfüllungsanspruchs übernimmt.

[30] 3.6. Die analoge Anwendung von § 1486 Z 4 ABGB erscheint vielmehr auch unter Bedachtnahme auf die besonderen rechtspolitischen Zielsetzungen hinter dieser Verjährungsvorschrift geboten:

[31] Die durch die 3. Teilnovelle zum ABGB nach der Motivation des Gesetzgebers für Forderungen aus Geschäften des täglichen Lebens eingeführte kurze (dreijährige) Verjährungsfrist des § 1486 ABGB sollte zwar primär dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit dienen, weil es bei diesen Geschäften nach längerer Zeit regelmäßig ganz unmöglich ist, den Beweis dafür zu erbringen, dass derlei Forderungen berichtigt wurden. Auch die Aufbewahrung von Quittungen und Rechnungen (oder auch anderer Unterlagen) durch 30 Jahre hindurch würde eine unzumutbare Belastung darstellen (EB RV 2 BlgHH 21. Sess 159; 10 Ob 148/05w mwN; 9 Ob 2/17k [Pkt II.2]).

[32] Daneben ging es dem historischen Gesetzgeber aber – ähnlich der Intention hinter der Bestimmung des § 1480 ABGB – auch darum, der drohenden Gefahr für die wirtschaftliche Existenz des Schuldners (und seiner sonstigen Gläubiger; vgl dazu Vollmaier [in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 1486 Rz 4 Fn 14], der auf das in den Materialien erkennbar relevierte volkswirtschaftliche Interesse auch an der Hintanhaltung von Folgeinsolvenzen der Geschäftspartner des Schuldners verweist) durch das Anschwellen von größeren Rückständen über einen längeren Zeitraum hinweg zu begegnen (EB RV 2 BlgHH 21. Sess 159; R. Madl in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.07 § 1486 Rz 2 mwN). Dieser Normzweck steht naturgemäß beim Tatbestand des § 1486 Z 4 ABGB, der im Regelfall (wenngleich nicht notwendigerweise) wiederkehrende Entgeltansprüche aus Dauerschuldverhältnissen erfasst, tendenziell im Vordergrund.

[33] Des Schutzes vor der ruinösen Anhäufung von Verbindlichkeiten bedarf nun aber nicht nur der Bestandnehmer, sondern gerade auch derjenige, der aufgrund einer gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßenden und folglich nichtigen Vereinbarung eines unentgeltlichen Nutzungsrechts an einer Wohnung Ansprüchen des Liegenschaftseigentümers auf Leistung von Benützungsentgelt gemäß § 877 ABGB analog ausgesetzt ist, und zwar jedenfalls dann noch in verstärktem Ausmaß, wenn ihm selbst die Nichtigkeit der Nutzungsvereinbarung gar nicht bewusst war (ansonsten käme ohnehin die 30-jährige Frist nach § 83 Abs 5 GmbHG zum Tragen), weshalb er sich nicht dazu veranlasst sah, Rücklagen für den Fall der späteren Inanspruchnahme durch den Eigentümer zu bilden. Während der Anspruch auf Rückübertragung der Liegenschaft(-steile) sofort – unabhängig von der Nutzungsdauer – „voll“ entsteht und der Sache nach gleichbleibend ist, wächst der Anspruch auf Benützungsentgelt kontinuierlich mit der Dauer der Nutzung an und hängt der Höhe nach von der Dauer des Gebrauchs ab (vgl dazu auch Riss, RdW 2022, 669).

[34] 3.7. Zu beachten ist freilich, dass dem Gläubiger die kurze, kenntnisunabhängige Verjährung seiner Ansprüche nach § 1486 ABGB in aller Regel schon deshalb zuzumuten ist, weil er typischerweise um das Bestehen dieser (vertraglichen) Vergütungsansprüche weiß und daher die Gefahr einer nicht rechtzeitigen gerichtlichen Geltendmachung zu vernachlässigen ist (siehe zu dieser Überlegung Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 1486 Rz 5).

[35] Selbst unter Bedachtnahme auf diesen Gesichtspunkt ist einer Erstreckung des § 1486 Z 4 ABGB auf die hier in Rede stehenden Kondiktionsansprüche – entgegen dem etwa von D. Holzinger (Marktmissbrauch 230 ff) und Werderitsch (Zak 2008, 263 ff [265]) sinngemäß vertretenen Standpunkt – nicht schon mangels eines vergleichbaren Säumnisvorwurfs gegenüber dem Bereicherungsgläubiger die Analogiebasis entzogen, auch wenn ihm in einer solchen Fallkonstellation die Nichtigkeit der Nutzungsvereinbarung und damit die Rechtsgrundlosigkeit seiner Leistung womöglich nicht stets in die Augen fallen muss. Es trifft zwar im Allgemeinen zu, dass bei der Verjährung die Interessen des Schuldners (sowie öffentliche Interessen) am Verjährungseintritt mit den schutzwürdigen Interessen des Gläubigers, dessen Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit durch die Verjährung abgeschnitten wird, ganz im Sinne der allgemeinen Maxime der zweiseitigen Begründung von Rechtsfolgen (vgl F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts [1996] 92) in einen gerechten Ausgleich zu bringen sind (vgl dazu zuletzt 6 Ob 239/20w [ErwGr 2.5.1.]). Jedenfalls hat dem Berechtigten eine faire Chance zur Rechtsausübung zu bleiben (9 ObA 113/18k mwN).

[36] Andererseits ist aber ein subjektiver Säumnisvorwurf gegenüber dem Rechtsinhaber nach allgemeinen Regeln gar nicht Voraussetzung für den Verjährungseintritt (vgl nur 2 Ob 343/55; Mader/Janisch in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1478 Rz 2). Auch mit Blick auf kurze, kenntnisunabhängige Verjährungsfristen ist für das geltende Recht anerkannt, dass tatsächliche Hindernisse auf Seiten des Berechtigten der Verjährung grundsätzlich nicht entgegenstehen. Selbst wenn er beim besten Willen keine Kenntnis von seinem Recht erlangen konnte, vermag dies den Eintritt der Verjährung nach herrschender Ansicht nicht zu hindern (8 Ob 627/86; 5 Ob 2105/96m; 9 ObA 113/18k mwN). Die Verjährung soll nur dort nicht Platz greifen, wo dem Rechtsinhaber seine Untätigkeit nicht einmal objektiv zum Vorwurf gemacht werden kann (Vollmaier [in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 1478 Rz 4], unter Verweis unter anderem auf die Grundregel des § 1478 Abs 2 ABGB).

[37] Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang schließlich, dass § 1486 ABGB auch in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich Ansprüche erfasst, die für den Gläubiger nicht ohne Weiteres evident sind, etwa Nachforderungsansprüche von zur Entgeltaufwertung berechtigten Arbeitnehmern (8 ObA 20/13v mwN), oder aber dessen Ansprüche auf Zahlung der Differenz zwischen dem bezahlten und dem angemessenen Entgelt (vgl RS0020103).

[38] Auf die Erkennbarkeit des vorliegenden Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr und der daraus abzuleitenden Kondiktion für den Bereicherungsgläubiger kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.

[39] 3.8. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die für die erfolgte Gebrauchsüberlassung einer Liegenschaft (Penthouse samt Garten) geltend gemachten Kondiktionsansprüche nach § 877 ABGB analog entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts der sinngemäß heranzuziehenden dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z 4 ABGB unterfallen.

[40] 4. Ergebnis dieser Beurteilung zur Verjährungsfrage ist, dass sich das Berufungsgericht auf Grundlage einer unrichtigen Rechtsauffassung mit der in der Berufung von der Klägerin erhobenen Tatsachenrüge nicht befasste, sodass das Berufungsverfahren mangelhaft geblieben ist (RS0043086 [bes T13]; RS0043144 [T1, T2]).

[41] Das angefochtene Urteil ist aus diesem Grund aufzuheben. Die Rechtssache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen und diesem aufzutragen, über die im Rechtsmittel geltend gemachten Berufungsgründe vollständig zu entscheiden; dabei wird allenfalls – abhängig vom Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge – auch der Einwand der Hemmung der Verjährung nach § 1494 ABGB (s dazu 6 Ob 110/12p [ErwGr c) 4.13.]; 6 Ob 206/17p [ErwGr 2.]; 6 Ob 21/21p [Rz 6 mwN]) zu beachten sein.

[42] 5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Leitsätze

  • Verjährung von Rückersatzansprüchen nach § 83 Abs 1 GmbHG

    Die für die erfolgte Gebrauchsüberlassung einer Wohnung geltend gemachten Kondiktionsansprüche nach § 877 ABGB analog unterliegen der sinngemäß heranzuziehenden dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z 4 ABGB. Dieser bereicherungsrechtliche Anspruch kann für den Fall eines Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr neben dem Rückforderungsanspruch nach § 83 GmbHG bestehen, der in fünf Jahren verjährt.
    Eva-Maria Hintringer | Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 112/22x | OGH vom 18.11.2022 | Dokument-ID: 1133641