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Judikatur | Entscheidung

6 Ob 214/09b; OGH; 17. Dezember 2009

GZ: 6 Ob 214/09b | Gericht: OGH vom 17.12.2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.–Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann–Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christine B*****, vertreten durch Mag. Elfriede Stadler, Rechtsanwältin in Salzburg, als Verfahrenshelferin, gegen die beklagten Parteien 1. F***** KG, *****, 2. Franz B*****, beide vertreten durch Liebscher Hübel & Lang Rechtsanwälte in Salzburg, wegen EUR 250.267,12 sA (Revisionsinteresse EUR 80.263,49), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 2. Juli 2009, GZ 6 R 52/09y-67, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 30. Dezember 2009, GZ 7 Cg 58/04x–61, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Zweitbeklagte hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob eine die Klage gegen den geschäftsführenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Auszahlung des Gewinnanspruchs aus dem Gesellschaftsvermögen rechtfertigende Weigerung dieses Gesellschafters eine rechtskräftige Entscheidung über den strittigen Gewinnanspruch voraussetzt.

Die Klägerin ist Kommanditistin, der Zweitbeklagte Komplementär und Alleingeschäftsführer der erstbeklagten Kommanditgesellschaft. Aufgrund der Ergebnisse des bisherigen Verfahrens steht fest, dass der Klägerin ein Gewinnanteil zum 30.04.2002 in Höhe von EUR 87.263,49 zusteht. Unter Berücksichtigung eines Guthabens auf dem fixen Kapitalkonto und einer Teilzahlung hat das Berufungsgericht die erstbeklagte Kommanditgesellschaft – insoweit rechtskräftig – zur Zahlung von EUR 80.263,49 an die Klägerin verpflichtet und das Mehrbegehren abgewiesen.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein die Frage, ob der Zweitbeklagte für diesen Betrag solidarisch mit der erstbeklagten Kommanditgesellschaft haftet.

Das Berufungsgericht hat diese Frage verneint, weil es sich beim Anspruch der Klägerin um eine Sozialverbindlichkeit der Kommanditgesellschaft handle, für die der Zweitbeklagte nur haften würde, wenn er die Auszahlung des Gewinnanteils unberechtigt verweigert hätte; da die Höhe des Anspruchs der Klägerin jedoch bis zuletzt strittig gewesen sei, setze ein unmittelbarer Anspruch der Klägerin (auch) gegenüber dem Zweitbeklagten die rechtskräftige Feststellung ihres Gewinnanteils voraus.

Die Klägerin meint in ihrer Revision insbesondere unter Hinweis auf die Entscheidung 3 Ob 84/95, bereits die außergerichtliche Geltendmachung des Gewinnauszahlungsanspruchs führte zur Weigerung des Geschäftsführers der Gesellschaft, den Gewinnanteil auszuzahlen; dies begründe seine passive Klagslegitimation, was auch verfahrensökonomisch sei, könne doch aufgrund eines stattgebenden Urteils unverzüglich Exekution nach § 354 EO gegen den Geschäftsführer geführt werden.

1. Die Klägerin macht, wie sie selbst erkennt, einen Sozialanspruch (Anspruch auf den Gewinnanteil) geltend. Nach völlig herrschender Auffassung haftet für einen derartigen Anspruch ausschließlich das Gesellschaftsvermögen, nicht also das Privatvermögen der (übrigen) Gesellschafter (vgl Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts5 [1990] 115; Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht II4 [1993] 217; Jabornegg in Jabornegg, HGB [1997] § 128 Rz 40; U. Torggler/H. Torggler in Straube, HGB³ [2003] § 109 Rz 20, § 122 Rz 8; Koppensteiner in Straube, HGB³ [2003] § 128 Rz 17; H. Torggler in Straube, HGB³ [2003] § 169 Rz 2a; Krejci in Krejci, Reformkommentar UGB/ABGB [2007] § 108 UGB Rz 29, § 122 UGB Rz 6; Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch zum Gesellschaftsrecht [2007] Rz 340; Schauer in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht [2008] Rz 2/490; RIS–Justiz RS 0087059; dBGH BGHZ 37, 299, NJW–RR 1989, 866).

2. Das deutsche Reichsgericht hat zunächst in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, die Klage eines Gesellschafters (einer Personengesellschaft) auf den anteiligen Geschäftsgewinn könne ausschließlich gegen die Gesellschaft erhoben werden; die Klage gegen Mitgesellschafter sei abzuweisen (II 98/94 [1894]; RGZ 120, 135; RGZ 153, 305; RGZ 163, 385). Es begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Frage der „Richtigkeit der Bilanz“, also die tatsächliche Höhe des Gewinnanteils des klagenden Gesellschafters, nur gegen die Gesellschaft festgestellt werden könne; eine Verurteilung des Gesellschafters hätte zwar nur diesem gegenüber persönlich Wirkungen, wirke sich jedoch mittelbar auch gegen die Gesellschaft aus, weil sie zur Befriedigung einer der Gesellschaft gegenüber nicht festgestellten Verbindlichkeit aus der Gesellschaftskasse verhelfe.

In der Entscheidung RGZ 170, 392 (in diesem Sinn zuvor bereits dROHG XIX/120 [1876]) meinte das Reichsgericht hingegen, der Anspruch des Gesellschafters auf Auszahlung des Geschäftsgewinns könne während der Dauer der Gesellschaft zwar grundsätzlich nur dieser gegenüber, nicht auch gegenüber den Mitgesellschaftern verfolgt werden; hier wolle die Klägerin jedoch „vermutlich“ nicht den beklagten Mitgesellschafter persönlich in Anspruch nehmen, sondern seine Verurteilung zur Zahlung aus der Gesellschaftskasse erreichen; einer solchen Klage stünden, weil der Beklagte der alleinige Mitgesellschafter der Klägerin und zugleich der einzige die Auszahlung des Gewinns verweigernde Geschäftsführer ist, Legitimationsbedenken nicht entgegen.

3. Der Entscheidung RGZ 170, 392 folgend will die überwiegende deutsche Lehre auch die Klage gegen den zur Auszahlung befugten, diese aber verweigernden geschäftsführenden Gesellschafter zulassen; das Klagebegehren habe dann auf Auszahlung aus der Gesellschaftskasse beziehungsweise vom Gesellschaftskonto zu lauten (vgl etwa Hueck, OHG4 [1971] 253; Martens in Schlegelberger, HGB5 [1973] § 122 Rz 8, § 169 Rz 13; Ulmer in Staub, HGB4 [1995] § 122 Rz 7; v. Falkenhausen/Henning C. Schneider in MünchHdB GesR II [2004] § 24 Rz 27; Hopt in Hopt/Merkt/Baumbach, HGB3³ [2008] § 122 Rz 5).

Dem traten jedoch in Deutschland etwa Grunewald (in MünchKomm HGB² III [1986] § 169 Rz 11) und Wiedemann (WM-Sonderbeilage 1992/7) unter Hinweis auf die frühere Rechtsprechung des Reichsgerichts entgegen. Der geschäftsführende Gesellschafter einer Personengesellschaft schulde eine ordnungsgemäße Geschäftsführung, zu welcher auch die Auszahlung fälliger Gewinne gehöre, ausschließlich der Gesellschaft, nicht aber den Mitgesellschaftern; zur Erfüllung bediene sich die Gesellschaft des geschäftsführenden Gesellschafters, weshalb sich der Anspruch auf Gewinnauszahlung ausschließlich gegen die Gesellschaft richte.

4. In Österreich haben etwa U. Torggler/Kucsko (in Straube, HGB² [1995] § 122 Rz 8) und H. Torggler (in Straube, HGB³ [2003] § 122 Rz 8) unter Hinweis auf die überwiegende deutsche Literatur ausgeführt, auch die Klage gegen den zur Auszahlung befugten, aber sich weigernden geschäftsführenden Gesellschafter werde „für zulässig erachtet“, das Klagebegehren laute dann auf Auszahlung aus der Gesellschaftskasse beziehungsweise vom Gesellschaftskonto.

Dem gegenüber meinen etwa Reinl (Zur Passivlegitimation der Gesellschaft gegenüber Klagen des Kommanditisten nach § 166 HGB, JBl 1966, 128), Straube (Die Gewinnverteilung im Gesellschaftsrecht, GesRz 1973, 10), U. Torggler/H. Torggler (in Straube, HGB³ [2003] § 109 Rz 20), Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth (Handbuch zum Gesellschaftsrecht [2007] Rz 587), Krejci (in Krejci, Reformkommentar UGB/ABGB [2007] § 122 UGB Rz 6) und Schauer in Kalss/Nowotny/Schauer (Österreichisches Gesellschaftsrecht [2008] Rz 2/490), der Anspruch könne ausschließlich gegen die Gesellschaft gerichtet werden, handle es sich doch um deren Sozialverbindlichkeit.

Auch Jabornegg (in Jabornegg, HGB [1997] § 122 Rz 8) meldet Bedenken gegen die von der überwiegenden deutschen Lehre vertretene Auffassung an; auch sonst werde ja nicht der Vertreter geklagt, wenn die Verpflichtung des Vertretenen durchgesetzt werden soll. Er führt allerdings weiters aus, es lasse sich immerhin vertreten, dass mit Rücksicht auf die personalistische Konzeption der Personen–(handels–)gesellschaft die geschäftsführenden Gesellschafter im Rahmen ihrer Befugnisse nicht nur der Gesellschaft gegenüber, sondern in Ansehung von Individualrechten auch unmittelbar den einzelnen Gesellschaftern gegenüber verpflichtet sind; selbstverständlich führe diese Sicht nur dazu, dass der geschäftsführungsbefugte und vertretungsbefugte Gesellschafter für die Leistung der Gesellschaft an den Gesellschafter zu sorgen habe, und bedeute keine persönliche Haftung für Sozialansprüche; ein vom Kommanditisten gegen den Komplementär erwirkter Titel betreffend Zahlung eines bestimmten Betrags aus der Gesellschaftskasse berechtige nur zur Exekution gegenüber dem Komplementär nach § 354 EO.

5.1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 3 Ob 84/95 (ecolex 1996, 270) unter Hinweis auf die Entscheidung RGZ 170, 392, die überwiegende deutsche Literatur und U. Torggler/Kucsko (in Straube, HGB² [1995] § 122 Rz 8) festgehalten, ein Anspruch aus einer Sozialverbindlichkeit der Gesellschaft stehe zwar nur gegen diese zu, es werde aber auch die Klage gegen den zur Auszahlung befugten, aber sich weigernden geschäftsführenden Gesellschafter für zulässig erachtet; das Klagebegehren laute dann auf Auszahlung aus der Gesellschaftskasse beziehungsweise vom Gesellschaftskonto. Gegenstand dieser Entscheidung war ein Exekutionsverfahren des Kommanditisten gegen den Komplementär einer Kommanditgesellschaft wegen eines aus einem Schiedsspruch zustehenden Anspruchs „aus dem Gesellschaftsverhältnis“.

In der Entscheidung 3 Ob 2374/96f (Rz 1997/72) ging es um die Aufhebung dieses Schiedsspruchs. Der Oberste Gerichtshof legte dar, dass die Entscheidung des Schiedsgerichts – nämlich dem Kommanditisten die Durchsetzung seines Sozialanspruchs nicht gegen die Gesellschaft, sondern gegen den geschäftsführenden Gesellschafter einzuräumen – nicht „Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung oder zwingende materiellrechtliche Normen“ verletze; „ob aber das Schiedsgericht die durch den konkreten Streitfall aufgeworfenen Rechtsfragen im einzelnen richtig löste, [sei] im Aufhebungsverfahren nicht zu prüfen".

In der Entscheidung 8 Ob 114/02a (ecolex 2004/216) führte der Oberste Gerichtshof unter Zitierung der Entscheidung 3 Ob 2374/96f aus, der Abschichtungsanspruch eines Kommanditisten richte sich nur gegen die Gesellschaft; der Anspruch auf Leistung des Gewinnanteils könne allerdings auch gegen den Komplementär der Kommanditgesellschaft geltend gemacht werden, „ohne dass es zu einer Verfahrensbeteiligung der Gesellschaft kommt, wenn die Auszahlung aus der Gesellschaftskasse beziehungsweise vom Gesellschaftskonto begehrt wird“. In diesem Verfahren ging es allerdings nicht um die Geltendmachung von Gewinnanteilen, sondern um Ansprüche aus einer Garantieerklärung.

5.2. All diesen Entscheidungen ist somit gemein, dass der Oberste Gerichtshof keineswegs konkret Ansprüche von Mitgesellschaftern auf Gewinnanteile dahin zu beurteilen hatte, ob diese – auch oder sogar nur – gegen den geschäftsführenden Gesellschafter geltend gemacht werden können. Es wurde vielmehr lediglich ausgesprochen, dass die von der überwiegenden deutschen Literatur, einem Teil der österreichischen Literatur und der Entscheidung RGZ 170, 392 vertretene Auffassung nicht gegen die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung oder zwingende materiellrechtliche Normen verstößt, weshalb der Oberste Gerichtshof eine aufgrund eines Schiedsspruchs, der bereits eine derartige Verpflichtung vorsah, geführte Exekution für zulässig hielt und die Aufhebung des Schiedsspruchs verweigerte. Die Entscheidung 8 Ob 114/02a enthält überhaupt nur ein obiter dictum.

Entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht geht es somit nicht nur um die Frage, ob die Klage gegen den geschäftsführenden Gesellschafter einer vorangegangenen Feststellung des Gewinnanteils bedarf. Tatsächlich hat der Oberste Gerichtshof noch nie konkret ausgesprochen, dass Sozialansprüche überhaupt gegen den Gesellschafter geltend gemacht werden könnten.

5.3. Zuletzt hat der Oberste Gerichtshof vielmehr – ganz im Gegenteil dazu – klargestellt, dass für Forderungen aus dem Gesellschaftsverhältnis nur die Gesellschaft haftet; dies gelte insbesondere auch für den Anspruch auf Gewinnauszahlung, der nur gegen die Gesellschaft, nicht aber gegen die Gesellschafter erhoben werden könne (1 Ob 106/04a). Dieser Entscheidung lagen tatsächlich Ansprüche eines Mitgesellschafters gegen den Komplementär zugrunde, die abgewiesen wurden.

6. Die Abweisung des Klagebegehrens, soweit es sich gegen den Zweitbeklagten richtet, durch das Berufungsgericht findet in der bisherigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs durchaus Deckung. Ob bei besonderen Sachverhaltskonstellationen, wie sie etwa den Entscheidungen 3 Ob 84/95 und 3 Ob 2374/96f zugrundelagen, im Sinn der überwiegenden deutschen Literatur und der Entscheidung RGZ 170, 392 ein unmittelbarer Anspruch gegenüber dem (geschäftsführenden) Gesellschafter eingeräumt werden könnte (was die Entscheidung 8 Ob 114/02a, wenn auch obiter dictu, anzunehmen scheint), braucht hier nicht weiter erörtert zu werden. Die Klägerin zeigt eine derartige Sachverhaltskonstellation nicht auf, sondern hat vielmehr ohnehin bereits einen Titel gegen die Gesellschaft erwirkt.

7. Damit war die Revision zurückzuweisen.

Der Zweitbeklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen. Der Zweitbeklagte hat dessen Kosten selbst zu tragen.

Leitsätze

  • Haftung für Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis

    Ein Anspruch aus dem Gesellschaftsverhältnis (Sozialverpflichtung der Gesellschaft) steht nur gegen die Gesellschaft zu; die übrigen Gesellschafter haften hiefür nicht.
    Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 214/09b | OGH vom 17.12.2009 | Dokument-ID: 248470