Dokument-ID: 917064

Judikatur | Entscheidung

6 Ob 239/16i; OGH; 27. Februar 2017

GZ: 6 Ob 239/16i | Gericht: OGH vom 27.02.2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. B***** S*****, vertreten durch Dr. Christian Klotz, Rechtsanwalt in Innsbruck, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Vertragsaufhebung und EUR 80.000,– sA (Revisionsinteresse EUR 78.598,65), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 23. Juni 2016, GZ 1 R 48/16t-38, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 10. Jänner 2016, GZ 66 Cg 156/13p-27, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Das Berufungsgericht hielt eine Gegenforderung in Höhe von EUR 78.598,65 für berechtigt. Die beklagte Gesellschaft mit beschränkter Haftung habe die offene Forderung einer Bank gegen deren Kreditnehmerin eingelöst, für welche Kreditforderung neben dem Kläger und einem Dritten auch ihr (mittelbarer) Gesellschafter und Geschäftsführer (kurz: Konzernchef) als Bürge und Zahler haftete.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 1422 ABGB kann derjenige, der die Schuld eines anderen, für die er nicht haftet (§ 1358 ABGB), bezahlt, vor oder bei der Zahlung vom Gläubiger die Abtretung seiner Rechte verlangen; hat er dies getan, so wirkt die Zahlung als Einlösung der Forderung. Dass die Vorinstanzen aufgrund der Erklärung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 19.08.2010 von einer Einlösung der Forderung der Bank gegenüber der Kreditnehmerin ausgegangen sind, ist durchaus vertretbar.

1.1. Auch wenn die Beklagte in diesem Schreiben vom „Haftungsbetrag“ spricht, so stellt sie doch auch klar, dass „die Zahlung als ‚Haftung/Forderungseinlösung‘ gegen Übersendung aller Sicherheiten, sprich Herausgabe sämtlicher Wechsel ([Dritter], [Kläger], [Konzernchef]) getätigt“ werde. Ob sie damit, wie der Kläger weiters meint, „durch die Zahlung ihren (mittelbaren) Alleingesellschafter [Konzernchef] von seiner Haftung aus dem Bürgschaftsvertrag befreien wollte“, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang.

1.2. Der Argumentation des Klägers, die Beklagte habe „wirtschaftlich betrachtet“ keine „Schuld eines anderen“ bezahlt, sodass es zu keiner Forderungseinlösung habe kommen können, ist entgegenzuhalten, dass mit „Haftung“ im Sinn des § 1422 1. HS ABGB nur eine solche gegenüber dem Gläubiger gemeint ist (vgl Stabentheiner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.02 [2014] § 1422 ABGB Rz 2). Die Beklagte haftete aber der Bank für den von dieser der Kreditnehmerin gewährten Kredit, aus dem sie eine Forderung von EUR 78.898,64 einlöste, nicht; im Sinn des § 1422 ABGB ist deshalb von der Zahlung einer Schuld eines anderen, für die sie nicht haftet, auszugehen.

1.3. Gegen das Argument des Klägers, die Beklagte habe bloß „die Verpflichtung [des Konzernchefs] aus seiner Bürgschaft erfüllt“, spricht allein schon der Umstand, dass die Beklagte die Übersendung aller Sicherheiten, und zwar ausdrücklich auch des vom Konzernchef unterfertigten Wechsels, verlangte.

2.1. Die Vorinstanzen verneinten den vom Kläger behaupteten Verstoß der Beklagten gegen §§ 82 f GmbHG vor allem mit der Begründung, es sei zu keiner Verminderung des Gesellschaftsvermögens gekommen. Die von der Beklagten geleistete Zahlung sei durch die eingelöste Forderung substituiert worden. Diese sei aufgrund der Bürgenhaftung des Klägers als Bürge und Zahler besichert und damit werthaltig gewesen; eine Gefährdung deren Einbringlichkeit sei nicht behauptet worden. Abgesehen davon, dass die Beklagte das ausführlich begründete Vorbringen des Klägers, die Forderung sei aufgrund dessen wirtschaftlicher Situation bereits bei Einlösung durch die Beklagte „stark gefährdet“ gewesen, substanziiert gar nicht bestritten hat, kommt es darauf aber auch gar nicht an:

2.2. Unabhängig davon, ob es sich bei der Forderungseinlösung der Beklagten um eine verbotene Einlagenrückgewähr in Form einer verdeckten Ausschüttung (ausführlich dazu Auer in Gruber/Harrer, GmbHG [2014] § 82 Rz 36 ff) handelte, ist bei Beurteilung der Rechtsfolgen immer der Verbotszweck maßgeblich. Der Normzweck der §§ 82 f GmbHG ist auf Erhaltung und Wiederherstellung des Gesellschaftsvermögens gerichtet (Koppensteiner/Rüffler, Die Bestellung von Sicherheiten durch eine Kapitalgesellschaft für Verbindlichkeiten ihrer Gesellschafter, GesRz 1999, 86 [90]; Bollenberger, Verdeckte Einlagenrückgewähr durch Umsatzgeschäfte: Wertausgleich und Nichtigkeit, RdW 2008, 7 [9]; Rüffler, GesRz 2011, 49 [Entscheidungsanmerkung]; Artmann in Jabornegg/Strasser, AktG5 [2011] § 52 Rz 72; Auer aaO, Rz 64; vgl aber auch Bauer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG [2009] § 82 Rz 76 f).

Dieser Zweck ist im vorliegenden Fall durch die Einwendung der Gegenforderung, die gerade darauf abzielt, eine Zahlungsverpflichtung der Gesellschaft gegenüber einem Dritten zu vermeiden und damit deren Kapitalbasis zu stärken, nicht beeinträchtigt.

3. Zuletzt bestreitet der Kläger in seiner außerordentlichen Revision die Höhe der vom Berufungsgericht als berechtigt erkannten Gegenforderung in Höhe von EUR 78.598,65.

3.1. Nach den Feststellungen des Erstgerichts im ersten Rechtsgang (US 10 f) belief sich im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Kreditnehmerin die offene Forderung der Bank auf EUR 75.211,29, für welchen Kredit der Konzernchef, der Dritte und der Kläger als Bürgen und Zahler zur ungeteilten Hand die Haftung übernommen hatten. Die weiteren, damit in Widerspruch stehenden Ausführungen des Erstgerichts im Rahmen seiner Beweiswürdigung (US 19), es sei nicht aufklärbar gewesen, ob der Kläger auch für den EUR 40.000,– übersteigenden Kreditbetrag eine Haftung übernommen habe, bekämpfte die Beklagte in ihrer Berufung, während der Kläger in der Berufungsbeantwortung diese „Feststellung“ verteidigte und eine Haftungsbegrenzung mit EUR 40.000,– vertrat. Das Berufungsgericht führte aus, die Beklagte bekämpfe lediglich eine „dislozierte Feststellung“, die angesichts der „klaren [gegenteiligen] Feststellung“ in US 10 f keiner Bekämpfung bedurft hätte.

Im zweiten Rechtsgang wiederholte das Erstgericht seine Feststellung betreffend die Haftung der Bürgen und Zahler zur ungeteilten Hand für den gesamten Kredit, welche Feststellung nunmehr der Kläger bekämpfte; er begehrte die Ersatzfeststellung, für den EUR 40.000,– übersteigenden Betrag habe er keinerlei Haftung übernommen. Auf diese Feststellungsrüge ging das Berufungsgericht nicht näher ein; die abschließend erledigten Streitpunkte des ersten Rechtsgangs dürften nicht neu aufgerollt werden.

In seiner außerordentlichen Revision meint der Kläger dazu lediglich, das Erstgericht habe im zweiten Rechtsgang seine Feststellungen „entsprechend der Ansicht des Berufungsgerichts [im ersten Rechtsgang] (erstmals) uminterpretiert“, weshalb das Berufungsgericht im zweiten Rechtsgang die dagegen erhobene Feststellungsrüge inhaltlich hätte behandeln müssen. Tatsächlich traf das Erstgericht aber insoweit praktisch wortidente Feststellungen wie im ersten Rechtsgang; es unterließ bloß die widersprüchlichen Ausführungen in seiner Beweiswürdigung. Da der Kläger im zweiten Rechtsgang die Frage der Höhe seiner Haftung in Kenntnis der Feststellungen im Verfahren erster Instanz und der dazu vom Berufungsgericht als weitere Tatsacheninstanz eingenommenen Haltung nicht weiter thematisierte, kann der vom Kläger behauptete Mangel des Berufungsverfahrens infolge Nichterledigung der Feststellungsrüge nicht erkannt werden.

3.2. Im zweiten Rechtsgang traf das Erstgericht die (weitere) Feststellung, dass die von der Beklagten eingelöste Forderung der Bank am 13.11.2011 einschließlich angereifter Zinsen EUR 78.898,64 betrug, was vom Kläger im Berufungsverfahren nicht bekämpft wurde. Das Berufungsgericht reduzierte diesen Betrag um EUR 299,99 aufgrund einer Teilzahlung des Dritten, womit die als zu Recht bestehende Gegenforderung ausgewiesen ist.

Leitsätze

  • Zur Einlösung einer durch den Geschäftsführer als Bürgen und Zahler besicherten Kreditforderung durch eine GmbH

    Eine Forderungseinlösung nach § 1422 ABGB kann nur dann erfolgen, wenn der Bezahlende nicht selbst für die Schuld des anderen haftet. Der Begriff der „Haftung“ meint dabei nur eine solche gegenüber dem Gläubiger. Erfüllt eine GmbH die Forderung einer Bank, für die ua ihr Geschäftsführer als Bürge und Zahler haftet, so kann bei entsprechendem Abtretungsbegehren vor oder bei Zahlung eine solche Forderungseinlösung vorliegen.
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