Dokument-ID: 1008631

Judikatur | Entscheidung

6 Ob 80/18k; OGH; 24. Mai 2018

GZ: 6 Ob 80/18k | Gericht: OGH vom 24.05.2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz zu FN ***** eingetragenen H***** GmbH mit dem Sitz in G*****, vertreten durch Ehrlich-Rogner & Schlögl Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen Eintragung eines Unternehmenskaufvertrags und eines Haftungsausschlusses gemäß § 38 UGB, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 21. März 2018, GZ 4 R 33/18g-8, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1. Nach § 38 Abs 1 Satz 1 UGB gehen die Rechtsverhältnisse zum Zeitpunkt des Unternehmensübergangs über (ErläutRV 1058 BlgNR 22. GP 30; S. Bydlinski in Krejci, RK UGB § 38 Rz 15; Karollus in Jabornegg/Artmann, UGB2 § 38 Rz 28).

1.2. Die Vereinbarung eines Ausschlusses der Übernahme der Verbindlichkeiten durch den Erwerber nach § 38 Abs 4 UGB muss „beim Unternehmensübergang“ erfolgen. Erforderlich ist ein enger zeitlicher Zusammenhang zum Unternehmensübergang; nur ein derartiger Publizitätsakt kann den Haftungsausschluss herbeiführen (ErläutRV 1058 BlgNR 22. GP 32; S. Bydlinski in Krejci RK UGB § 38 Rz 48; Karollus aaO, § 38 Rz 70 mwN). Nach herrschender Auffassung ist dabei ein strenger Maßstab anzulegen (Karollus aaO, mwN; 6 Ob 242/11y).

1.3. Abzustellen ist auf den grundsätzlich im Titelgeschäft vorgesehenen Erfüllungszeitpunkt (Karollus aaO). Der Zeitpunkt der Unterfertigung des schriftlichen Vertrags ist demgegenüber nach dem klaren Wortlaut des § 38 UGB nicht entscheidend.

1.4. Nach den Gesetzesmaterialien ist entscheidend, ob der Erwerber über die Unternehmensorganisation so verfügen kann, dass die Beziehungen zu den Vertragspartnern des Veräußerers zweckentsprechend zum Einsatz kommen können (ErläutRV 1058 BlgNR 22. GP 30). Dafür kann auch bereits die Einräumung einer Verfügungsmöglichkeit vor dem dinglichen Rechtserwerb genügen (S. Bydlinski in Krejci, RK UGB § 38 Rz 8; Karollus aaO, § 38 Rz 28). Entscheidend ist letztlich der Zeitpunkt, ab dem das Unternehmen im Namen des Erwerbers betrieben werden soll (U. Torggler, JBl 2008, 147 f; Karollus aaO).

2.1. Im vorliegenden Fall ist in Punkt 1.3 des Kaufvertrags vorgesehen, dass die Käuferin den Kaufgegenstand zum Stichtag 31.12.2017 erwirbt und der Kaufgegenstand in wirtschaftlicher Hinsicht mit Wirkung zum Stichtag auf die Käuferin übergeht.

2.2. Der Vertrag ist mit 20.12.2017 datiert. Dass dieser Vertrag erst am 01.02.2018 rechtsgültig zustandegekommen sei und aus welchen Erwägungen dies der Fall sein sollte, hat die Antragstellerin im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht. Allfällige Einschränkungen der Vertretungsbefugnis, die sich aus dem „offenen Firmenbuch“ ergeben, bewirken entgegen den Revisionsausführungen nicht, dass diese als gerichtsbekannt im Sinne des § 269 ZPO anzusehen wären (RIS-Justiz RS0111112).

2.3. Dass es sich dabei entgegen dem Wortlaut des Vertrags um die Vereinbarung eines – Dritten gegenüber unbeachtlichen (Karollus aaO; S. Bydlinski aaO, § 38 Rz 15) – bloß internen Stichtags handeln würde, hat die Revisionsrekurswerberin im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht.

3. Wenn die Vorinstanzen in Anbetracht des zwischen dem Stichtag und dem Eintragungsbegehren liegenden Zeitraums von etwa sechs Wochen das Vorliegen der erforderlichen zeitlichen Nähe zum Übergang des Unternehmens verneint haben, ist darin keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

4. Zusammenfassend zeigt der Revisionsrekurs daher keine Rechtsfragen der von § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität auf, sodass er spruchgemäß zurückzuweisen war.

Leitsätze

  • Notwendiger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Unternehmensübergang und einem Haftungsausschluss für Verbindlichkeiten

    Bei einem Unternehmensübergang gehen die Rechtsverhältnisse zum Zeitpunkt des Unternehmensübergangs auf den Erwerber über, außer es wurde zwischen den Parteien ein Haftungsausschluss für Verbindlichkeiten vereinbart, der aber in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Unternehmensübergang liegen muss, der von der Literatur mit vier Wochen beziffert und vom OGH als angemessen angesehen wurde.
    WEKA (api) | Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 80/18k | OGH vom 24.05.2018 | Dokument-ID: 1008625