Dokument-ID: 1151530

Judikatur | Entscheidung

6 Ob 88/23v; OGH; 28. Juni 2023

GZ: 6 Ob 88/23v | Gericht: OGH vom 28.06.2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M* U*, öffentlicher Notar, *, vertreten durch Dr. Michael Göbel Rechtsanwalts GmbH in Wien, wider die beklagten Parteien 1. B* GmbH, *, 2. A* GmbH, 3. D* M*, 4. C* R*, vertreten durch Tuscher Schmidt Rechtsanwälte GmbH in Wien, 5. Mag. G* S*, vertreten durch oehner & partner rechtsanwaelte gmbh in Wien, wegen 15.265,16 EUR sA, über die Revisionen der viert- und der fünftbeklagten Parteien gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. Jänner 2023, GZ 1 R 174/22t 38, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 21. Juli 2022, GZ 1 C 99/22y 27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Beiden Revisionen wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

 [1] Der Viertbeklagte ist Geschäftsführer der erstbeklagten GmbH und war mit einer Stammeinlage von EUR 7.000,– auch deren Gesellschafter. Der Fünftbeklagte war mit einer Stammeinlage von EUR 4.000,– Gesellschafter der Erstbeklagten. Der Kläger ist öffentlicher Notar und wurde von der Erstbeklagten durch deren Geschäftsführer (den Viertbeklagten) mit der Durchführung von zwei Kapitalerhöhungen der Erstbeklagten beauftragt. Das Stammkapital der Erstbeklagten betrug vor der Kapitalerhöhung EUR 100.000,–.

 [2] Die erste Kapitalerhöhung wurde vom Kläger erfolgreich durchgeführt. Die Stammeinlage des Viertbeklagten erhöhte sich dadurch auf EUR 7.270,–, jene des Fünftbeklagten auf EUR 4.360,–. Die zweite Kapitalerhöhung (in Höhe von EUR 90.910,–) wurde zwar vorbereitet, beschlossen und beim Firmenbuchgericht eingebracht, sie konnte aber nicht durchgeführt werden, weil beim Firmenbuchgericht auch nach Fristsetzung nicht alle erforderlichen Unterlagen eingereicht werden konnten. Die Bankbestätigung über die Einzahlung des Kapitals konnte nicht vorgelegt werden, weil die Zweitbeklagte als Investor das Kapital nicht einbezahlt hatte. Sämtliche für die Kapitalerhöhungen erforderlichen Unterlagen wurden vom Viert- und Fünftbeklagten unterzeichnet. Bei der zweiten Kapitalerhöhung übernahmen diese jedoch keine weiteren Stammeinlagen.

 [3] Die Erstbeklagte bezahlte die an sie gerichteten Honorarnoten des Klägers in Höhe des Klagsbetrags nicht.

 [4] Der Kläger begehrt das Honorar in Höhe des Klagsbetrags für die Durchführung der beiden Kapitalerhöhungen der Erstbeklagten. Er habe über Ersuchen der vertretungsbefugten Organe der Erst- und Zweitbeklagten sämtliche Urkunden für die Kapitalerhöhungen samt notwendiger Spezialvollmachten für voraussichtlich nicht anwesende Gesellschafter und für den Beitritt eines neuen Gesellschafters (der Zweitbeklagten), eine Änderung des Gesellschaftsvertrags sowie sämtliche Firmenbucheingaben errichtet. Die Zweit- bis Fünftbeklagten hafteten nach § 12 NTG als Teilnehmer des Geschäfts.

 [5] Während der vom Erstgericht erlassene Zahlungsbefehl gegenüber der Erst-, der Zweit- sowie dem Drittbeklagten in Rechtskraft erwuchs, wendeten der Viert- und der Fünftbeklagte ein, sie seien weder Auftraggeber der Leistungen des Klägers gewesen noch würden sie als Teilnehmer iSd § 12 NTG für das Honorar haften.

 [6] Das Erstgericht gab der Klage (auch) gegen den Viert- und den Fünftbeklagten statt. Diese seien Teilnehmer des Rechtsgeschäfts iSd § 12 NTG gewesen, weil sie von der Durchführung der Kapitalerhöhungen gewusst hatten, bei der Generalversammlung erschienen sind und die für die Kapitalerhöhung notwendigen Unterlagen unterzeichneten. Durch das Unterfertigen der Urkunden hätten sie ihr Einverständnis zum Geschäft zum Ausdruck gebracht, das auch die notarielle Tätigkeit umfasse.

 [7] Das Berufungsgericht schloss sich dieser Beurteilung im Wesentlichen an und bestätigte die Entscheidung. Es ließ die ordentliche Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob Minderheitsgesellschafter einer GmbH neben der beauftragenden Gesellschaft nach § 12 NTG als Teilnehmer für die Kosten der Errichtung der Dokumente für eine Kapitalerhöhung hafteten.

Rechtliche Beurteilung

 [8] Die Revisionen des Viert- und des Fünftbeklagten sind zulässig, weil die Beurteilung des Berufungsgerichts einer Korrektur bedarf. Sie sind im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags jeweils auch berechtigt.

 [9] 1.1. Gemäß § 12 NTG sind zur Entrichtung der Gebühr alle Personen verpflichtet, die die Tätigkeit dem Notar aufgetragen haben oder Teilnehmer des mit ihrem Einverständnis notariell errichteten, beurkundeten oder beglaubigten Geschäfts gewesen sind. Mehrere Zahlungspflichtige haften zur ungeteilten Hand.

 [10] 1.2. Der Oberste Gerichtshof hat sich in der Entscheidung 2 Ob 166/97v (= RS0111364) ausführlich mit der Frage befasst, wer als „Teilnehmer“ iSd § 12 NTG anzusehen ist. Danach sind unter diesem Begriff alle jene Personen zu verstehen, die dem Notar ausdrücklich einen Auftrag erteilt haben, und darüber hinaus jene, aus deren Verhalten iSd § 863 ABGB abzuleiten ist, dass sie den Notar unabhängig von einem durch einen anderen ausdrücklich erteilten Auftrag ihrerseits mit der Ausführung der in Rechnung gestellten Tätigkeit beauftragt haben.

 [11] Das Berufungsgericht ist von dieser – von ihm ausführlich wiedergegebenen – Rechtsprechung ausgegangen, die vom erkennenden Senat geteilt und die im Revisionsverfahren auch nicht bezweifelt wird.

 [12] Bereits das Berufungsgericht hat überdies auf die ständige Rechtsprechung hingewiesen, wonach bei der Annahme der Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen gemäß § 863 ABGB Vorsicht geboten und ein strenger Maßstab anzulegen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass der Wille, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen, vorliegt (vgl 4 Ob 128/22k [ErwGr 1.]; RS0014157; RS0013947; RS0014146).

 [13] 1.3. Ob jemand im Sinne dieser Judikatur als Teilnehmer iSd § 12 NTG anzusehen ist, hängt zwar von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, sodass darin in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt (vgl zur Konkludenz von Willenserklärungen RS0043253 [T1, T14]). Im vorliegenden Fall bedarf die diesbezügliche Beurteilung des Berufungsgerichts jedoch einer Korrektur:

 [14] 2. Das Berufungsgericht hat zunächst zutreffend herausgearbeitet, dass schon nach dem klaren Wortlaut des § 12 NTG der ausdrückliche Auftrag der Erstbeklagten an den Kläger eine zusätzliche (solidarische) Haftung der Revisionswerber nicht grundsätzlich ausschließt, was auch aus der zitierten Entscheidung 2 Ob 166/97v hervorgeht.

3.1. Das Berufungsgericht war der Ansicht, der Kläger habe annehmen dürfen, dass er auch von den Revisionswerbern mit der Errichtung (sämtlicher) Dokumente beauftragt gewesen sei, weil sie an den Generalversammlungen teilgenommen, dort einstimmig die Kapitalerhöhungen beschlossen hätten, von denen sie persönlich betroffen gewesen seien und die mit ihrem Willen der Aufnahme eines Investors und Zuführung weiteren Gesellschaftsvermögens dienen hätten sollen, sowie die notwendigen Unterlagen unterzeichnet hätten.

 [15] 3.2. Es ist weder strittig, dass die Erstbeklagte den Kläger durch ihren Geschäftsführer mit den von ihm erbrachten Leistungen ausdrücklich beauftragte noch dass die Kapitalerhöhungen der (letztlich gescheiterten) Aufnahme eines Investors (der Zweitbeklagten) dienen sollten. Mögen die Revisionswerber auch an der Generalversammlung teilgenommen und dort für die Kapitalerhöhungen gestimmt haben, so kann daraus aber nach dem gebotenen strengen Maßstab nicht zweifelsfrei geschlossen werden, die Revisionswerber hätten den Kläger unabhängig von dem durch die Erstbeklagte ausdrücklich erteilten Auftrag ihrerseits mit der Ausführung sämtlicher hier in Rechnung gestellter Tätigkeiten beauftragt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die geplante Aufnahme der Zweitbeklagten als Investorin auch im Interesse der Revisionswerber lag, so lag sie doch auch im Interesse der übrigen Gesellschafter und der Zweitbeklagten. Vor allem musste der Kläger aber davon ausgehen, dass sie im Interesse der ihn beauftragenden Erstbeklagten lag.

 [16] 3.3. Daher durfte der Kläger nicht bloß aufgrund des Umstands, dass die Revisionswerber, die als Gesellschafter (nur) die erforderliche Mitwirkung an den Kapitalerhöhungen vornahmen, zweifelsfrei annehmen, dass sie ihn – unabhängig von dem von der Erstbeklagten ausdrücklich erteilten Auftrag – ihrerseits mit der Errichtung der Dokumente für die Generalversammlung, der (nicht auf sie lautenden) diesbezüglichen Vollmachten für die nicht an der Generalversammlung teilnehmenden anderen Gesellschafter, der Übernahmserklärungen der anderen Gesellschafter und der notwendigen Firmenbucheingaben zur Eintragung der Kapitalerhöhungen beauftragen wollten (in diesem Sinne auch M. Bydlinski, Haften Gesellschafter für Notarkosten RdW 1993, 102 [103]).

 [17] 3.4. Gegen die zutreffende Auffassung des Berufungsgerichts, dass sich aus der Beauftragung des Klägers durch den Viertbeklagten als Organ der Erstbeklagten keine Haftung des Viertbeklagten als „Teilnehmer“ iSd § 12 NTG ergibt (vgl 6 Ob 540/92), wenden sich die Parteien ohnehin nicht.

 [18] 3.5. Auch von einer Einheit der Tätigkeiten des Klägers (dazu etwa 4 Ob 599/74 JBl 1975, 329), namentlich betreffend die Übernahmserklärungen (dazu Punkt 4.1. f), kann bereits aufgrund der unterschiedlichen formellen Anforderungen (notarielle Beurkundungen gegenüber Notariatsakten) und der unterschiedlichen (Vertrags)Parteien nicht gesprochen werden.

 [19] 3.6. Daher sind die Revisionswerber keine Teilnehmer iSd § 12 NTG an den in Punkt 3.3. genannten Geschäften. Sie haften daher auch nicht für das dafür angefallene Honorar des Klägers.

 [20] 4.1. Anders, nämlich im Sinne der Auffassung des Berufungsgerichts, ist lediglich die vom jeweiligen Revisionswerber in Notariatsaktsform unterfertigte Übernahmserklärung betreffend die von ihm jeweils bei der ersten Kapitalerhöhung übernommene Stammeinlage zu beurteilen. Denn deren Errichtung war aufgrund der von den Revisionswerbern selbst übernommenen Stammeinlage notwendig (§ 52 Abs 4 GmbHG) und diente damit hauptsächlich der Erfüllung ihrer eigenen Verpflichtung. (Nur) Insoweit durfte der Kläger zweifelsfrei annehmen, dass sie ihn, unabhängig von dem von der Erstbeklagten erteilten Auftrag, ihrerseits mit der Errichtung beauftragten.

 [21] 4.2. Die gesetzlichen Gebühren eines Notars sind auch ohne besondere Vereinbarung seinem Entgeltanspruch zugrunde zu legen. Der Besteller muss mit der gewöhnlichen Ausführung der Tätigkeit des Notars und den damit verbundenen tarifmäßigen Kosten rechnen (RS0038370 = 7 Ob 679/76 NZ 1979, 74).

 [22] 4.3. Ein Honoraranspruch des Klägers besteht daher gegenüber dem Viert- und Fünftkläger jeweils nur für die von ihnen unterfertigte Übernahmserklärung.

 [23] 5. Weder dem Vorbringen noch den Feststellungen ist aber zu entnehmen, welcher Teil des begehrten Honorars die Übernahmserklärungen des Viert- und des Fünftbeklagten betrifft und welcher Teil auf die übrigen Leistungen entfällt. Dies führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Rechtssache in die erste Instanz. Das Erstgericht wird dem Kläger Gelegenheit zur Aufschlüsselung seines Honorars zu geben und festzustellen haben, welcher Teil davon jeweils auf die Übernahmserklärungen des Viert- und des Fünftbeklagten entfällt.

 [24] 6. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.

Leitsätze

  • Notarkosten: Haftet der Minderheitsgesellschafter einer GmbH?

    Erteilt eine GmbH einem Notar den Auftrag zur Errichtung sämtlicher Dokumente betreffend eine Kapitalerhöhung, kann nicht iSd § 12 NTG davon ausgegangen werden, dass die Minderheitengesellschafter ihrerseits den Notar unabhängig vom Auftrag der GmbH hinsichtlich sämtlicher Dokumente beauftragt hätten. Zahlungspflichtig sind die Minderheitengesellschafter somit nur für die Errichtung jener Dokumente, die sie direkt selbst betreffen.
    Eva-Maria Hintringer | Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 88/23v | OGH vom 28.06.2023 | Dokument-ID: 1151362