Dokument-ID: 895703

Judikatur | Entscheidung

Ro 2014/15/0012; VwGH; 20. Dezember 2016

GZ: Ro 2014/15/0012 | Gericht: VwGH vom 20.12.2016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision der B GmbH in L, vertreten durch Dr. Josef Schlager, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4040 Linz, Freistädterstraße 307, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 13. Dezember 2013, Zlen. RV/0009-L/10, RV/0331-L/12, RV/0104-L/12, betreffend Körperschaftsteuer 2007, Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Feststellungsbescheides Gruppenmitglied 2008 und Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2009, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Bei der Revisionswerberin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Starterbatterien produziert, fand eine abgabenbehördliche Prüfung betreffend die Jahre 2004 bis 2006 und eine Anschlussprüfung betreffend das Jahr 2007 sowie den Nachschauzeitraum Jänner 2008 bis April 2009 statt. Die Prüferin stellte fest, dass die Revisionswerberin die von ihr produzierten Starterbatterien über Vertriebstöchter in europäischen Ländern vertreibe und aufgrund einer Rücknahme- und Verwertungsverpflichtung (Verordnung über die Rücknahme und Schadstoffbegrenzung von Batterien und Akkumulatoren, BGBl Nr 514/1990, als nationale Umsetzung der RL 91/157/EWG über gefährliche Stoffe enthaltende Batterien und Akkumulatoren) für Produzenten und Händler für die in Verkehr gesetzten Batterien eine Rückstellung in die Bilanz einstelle. Bei den Vertriebstöchtern in Österreich, Deutschland, Schweiz, Tschechien und Dänemark seien Sammelsysteme eingerichtet worden, um der Verpflichtung zur Rücknahme nachkommen zu können, wobei die Vertriebstöchter für das Einsammeln der Batterien einen Kostenersatz von EUR 9,– (bis 2007) bzw EUR 20,– (ab 2007) pro 100 kg Altbatterien erhielten. Die Rückstellung werde in Höhe der zu erwartenden Aufwendungen für das Einsammeln der Batterien nach der Menge der jährlich in Verkehr gesetzten Batterien berechnet. Die Altbatterien würden von den Vertriebstöchtern an Recyclingunternehmen geliefert, mit denen die Revisionswerberin Umarbeitungsverträge abgeschlossen habe. Laut diesen Verträgen sei das wiederaufbereitete Blei – gegen Zahlung eines Umarbeitungslohnes – an die Revisionswerberin zu liefern, die es wieder dem Produktionsprozess zuführe. Nach Ansicht der Prüferin seien bei der Rückstellungsberechnung die Kosten für das Einsammeln und den Transport der Altbatterien, die Kosten der Wiederaufbereitung und der Wert des wiederaufbereiteten Rohstoffes zu berücksichtigen. Ermittle man – aufbauend auf der Rückstellungsberechnung der Revisionswerberin – den Wert des wiederaufbereiteten Rohstoffes, ergebe sich wegen des stark gestiegenen Bleipreises zum 31. März 2007 kein rückstellbarer Aufwand. Um den vehementen Anstieg des Bleipreises ab Oktober 2006 abzufedern, sei die Rückstellung auf mehrere Jahre verteilt aufzulösen.

2 Das Finanzamt folgte der Prüferin, erließ einen der Prüfungsfeststellung entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid 2007 und – nach Einbeziehung der Revisionswerberin in eine Unternehmensgruppe – Feststellungsbescheide Gruppenmitglied 2008 und 2009, in welchen es die Rückstellung anteilig auflöste.

3 Die Revisionswerberin berief mit Schriftsatz vom 3. Oktober 2009 gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2007. Am 24. Februar 2010 stellte sie gemäß § 299 BAO einen Antrag auf Aufhebung des Feststellungsbescheides Gruppenmitglied 2008. Dieser Antrag wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom 16. Februar 2012 abgewiesen, wogegen die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 29. Februar 2012 ebenfalls Berufung erhob. Am 21. Februar 2011 brachte die Revisionswerberin weiters gegen den Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2009 das Rechtsmittel der Berufung ein.

4 In der Berufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2007 beantragte die Revisionswerberin die Rückstellung entsprechend dem Ansatz in der Körperschaftsteuererklärung zu berücksichtigen oder in der Eröffnungsbilanz des ersten Prüfungsjahres aufzulösen. Wenn die „neue Rechtsmeinung der Finanzverwaltung“ zuträfe, hätte die Rückstellung nie gebildet werden dürfen. Weiters führte die Revisionswerberin aus, sie produziere Batterien und setze diese weltweit über Vertriebspartner/Batteriehändler ab. Die verkauften Batterien hätten eine Lebensdauer von vier bis sieben Jahren und müssten aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen zurückgenommen werden. Der Ertrag aus dem Batterieverkauf sei demnach mit zukünftigen Aufwendungen und Kosten belastet, für die eine Rückstellung zu bilden sei. Welchen Wert Blei zum Zeitpunkt der Rücknahme der in Verkehr gesetzten Altbatterien haben werde, sei ungewiss. Die Revisionswerberin sei kein Lohnverarbeiter von Altbatterien und es liege in ihrem unternehmerischen Geschick, eine optimale Verwertung in der Zukunft durchzuführen. Dabei bestehende Unsicherheiten und Unvorhersehbarkeiten beeinflussten den Erfolg jener Jahre, in denen die im Wirtschaftsjahr 2006/07 in Verkehr gesetzten Batterien zurückgenommen würden. Die Prüferin habe künftige Gewinne aus der Verwendung von günstigem Recyclingblei in die Rückstellungsberechnung miteinbezogen und stütze sich dabei auf den Aufsatz von Bertl/Hirschler, Bilanzielle Behandlung der Rücknahme von Altbatterien, RWZ 2008, S 33 f, in dem das Beispiel eines Autobatterienhändlers behandelt werde, der eine mit dem Fachverband abgeschlossene Vereinbarung zur kostenlosen Rücknahme und Entsorgung von Altbatterien getroffen habe. Dort werde eine Verbindlichkeitenrückstellung dem Grunde nach bejaht und hinsichtlich der Bewertung ausgeführt:

Sollten aus dem Recycling für den Batterienhändler voraussichtlich Erlöse anfallen, würden diese als im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Rückstellungsbildung stehend mit den Aufwendungen saldiert werden können, sodass nur die über die anfallenden Erlöse hinausgehenden Aufwendungen rückstellungsbegründend seien. Mit dieser Aussage werde vereinfachend unterstellt, dass bereits unbestrittene und werthaltige Verträge über die Einnahmen am zu beurteilenden Bilanzstichtag bestünden, was hier eindeutig nicht der Fall sei. Die Revisionswerberin sei ein Batterienproduzent und kein Batterienhändler, der das Recycling von Batterien als Geschäftsfeld betreibe. Nach dem Grundsatz der Einzelbewertung sei jedes Geschäft für sich zu beurteilen. Mögliche künftige Erträge aus der Verwendung von günstigem Recyclingblei seien daher bei der Rückstellungsberechnung nicht zu berücksichtigen.

5 Die Prüferin nahm zur Berufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2007 Stellung und führte aus, dass die gegenständliche Rückstellung dem Grund nach nicht zur Diskussion stehe. Die Rückstellung sei aber mit den zu erwartenden Rücknahme- und Entsorgungskosten unter Einbeziehung der damit im Zusammenhang stehenden Vorteile zu bewerten. Der Antrag auf Berichtigung der Eröffnungsbilanz gehe ins Leere, weil die Bildung der Rückstellung nicht unzulässig sei und zu Beginn des Prüfungszeitraumes (Eröffnungsbilanz zum 1. April 2003) kein Korrekturbedarf bestanden habe. Umarbeitungskosten in Höhe von EUR 455,– pro Tonne sei zu diesem Zeitpunkt ein Bleipreis in gleicher Höhe gegenübergestanden. Bislang seien die voraussichtlich anfallenden Umarbeitungskosten und die voraussichtlichen Vorteile aus dem Recycling der Altbatterien bei der Bildung der Rückstellung nicht berücksichtigt worden. Im Prüfungszeitraum stellten sich der die Rückstellung erhöhende Umarbeitungslohn und der die Rückstellung vermindernde Bleipreis pro Tonne wie folgt dar:

Stichtag

Umarbeitungslohn

Bleipreis

31. März 2003

455,00

455,00

31. März 2004

455,00

486,55

31. März 2005

455,00

539,66

31. März 2006

455,00

583,26

31. März 2007

455,00

765,00

Es sei davon auszugehen, dass alle in Verkehr gesetzten Batterien innerhalb von vier Jahren zurückgenommen würden. Die Rücklaufquote werde im ersten Jahr mit 10 %, im zweiten Jahr mit 12 %, im dritten Jahr mit 35 % und im vierten Jahr mit 43 % angenommen. Die Rückstellung sei in der Höhe zu bilden, in der die Inanspruchnahme tatsächlich drohe, also in der Differenz zwischen den aus der Rücknahmeverpflichtung resultierenden Aufwendungen und dem (Material-)Wert der übernommenen Altbatterien. Eine Trennung dieser Vorgänge sei nicht möglich. Es sei nicht sachgerecht, nur einen Teil der Verpflichtung (Einsammeln und Transport der Altbatterien) zu bewerten und den Wert der Altbatterien, die der Revisionswerberin gehörten, außer Acht zu lassen. Die Rückstellung sei zu jedem Stichtag neu zu bewerten. Sei der Umarbeitungslohn höher als der Bleiwert, könne sich eine höhere Rückstellung ergeben. Bei einem höheren Bleiwert vermindere sich diese. Die Berechnung des Materialwerts zum 31. März 2007 stelle sich wie folgt dar:

In Verkehr befindliche Batterien Stichtag 31. März 2007

3.811.827,00

Gewicht pro Batterie in Kilogramm

17

Gewicht der in Verkehr befindlichen Batterien in Tonnen

64.801

Recyclingblei pro Tonne Altbatterien in %

56 %

Bleianteil der in Verkehr befindlichen Altbatterien in Tonnen

36.289

Preis pro Tonne Recyclingblei zum 31. März 2007

765,00

Rohstoffwert der in Verkehr befindlichen Batterien

27.760.773,53

Umarbeitungslohn für eine Tonne Blei (EUR 455,00)

16.511.309,75

Voraussichtlicher Erlös aus dem Recycling der Altbatterien

11.249.463,78

Von der Revisionswerberin sei für den Bilanzstichtag 31. März 2007 eine Rückstellung von EUR 5.110.000,– ermittelt worden. Unter Berücksichtigung der „voraussichtlichen Erlöse aus dem Recycling“ ergebe sich kein rückstellbarer Aufwand.

6 Die Revisionswerberin wies in einer Replik auf die Stellungnahme der Prüferin ua darauf hin, dass per 31. März 2003 der Umarbeitungslohn EUR 427,– je Tonne und der Bleipreis EUR 512,– je Tonne betragen habe. Die daraus abzuleitenden Folgerungen ergäben sich von selbst und bestätigten den Eventualantrag in der Berufung.

7 Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen keine Folge und führte begründend hierzu aus, die Revisionswerberin liefere an Kunden im In- und Ausland Batterien und sei infolge mehrerer Vorschriften zur Zurücknahme und Entsorgung der Altbatterien verpflichtet. Zu diesem Zweck habe sie mit im Konzern verbundenen Vertriebsgesellschaften die Rücknahme der Altbatterien vereinbart. Diese müssten die Altbatterien an Recyclingunternehmen liefern. Für die Lagerung und den Transport zum Recycling fielen Kosten an, die von der Revisionswerberin rückgestellt würden. Die Revisionswerberin könne mit den Recyclingunternehmen vereinbaren, dass diese die Altbatterien ankauften oder mittels jährlich abzuschließender Umarbeitungsverträge die Umarbeitung und Rücklieferung der verwertbaren Metallkomponenten übernehmen. Das Recyclingunternehmen erhalte bei Vorliegen der zweiten Variante einen Umarbeitungslohn, der alle Bearbeitungen abdecke (Entsorgung und Umarbeitung). Die Prüferin habe die voraussichtlichen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Rücknahme- und Entsorgungsverpflichtung den voraussichtlichen Erlösen aus dem Recycling gegenübergestellt und keine Rückstellungsbildung zugelassen, weil die Erlöse höher seien als die Aufwendungen. Von der Revisionswerberin werde hingegen der Standpunkt vertreten, es liege nur ein mittelbarer Zusammenhang zwischen Kosten und Erlösen vor, der einen Verstoß gegen Bilanzierungsgrundsätze (Einzelbewertung, Saldierungsverbot und Realisationsbzw. Imparitätsprinzip) nicht rechtfertige.

Die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung (Außenverpflichtung, Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme und wirtschaftliche Verursachung im Jahr der Bildung) lägen im Streitfall vor. Die Rückstellung bemesse sich nach der Anzahl der im jeweiligen Bilanzierungszeitraum verkauften Batterien, weil die Zurücknahme eine Folge des Inverkehrbringens der Neubatterien sei. Es bestehe kein Zweifel, dass im Jahr des Batterienverkaufes eine ungewisse Verbindlichkeit (ein Aufwand) entstanden sei, weil in Österreich der Hersteller zur Zurücknahme der Batterien gesetzlich verpflichtet sei. Zweifelhaft sei nur die Miteinbeziehung künftiger Erlöse aus dem Recycling. Unsichere Erlöse seien bei der Berechnung einer Rückstellung nicht miteinzubeziehen. Das ergebe sich aus dem Vorsichts- und Realisationsprinzip, wonach nur am Abschlussstichtag verwirklichte Gewinne auszuweisen seien. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass im Streitfall von gesicherten Erlösen auszugehen sei, die bei der Berechnung der Rückstellung berücksichtigt werden müssten. Nach der Aktenlage seien die Vertriebsgesellschaften verpflichtet, die Altbatterien an Recyclingunternehmen zu liefern. Die Revisionswerberin Verkaufe die Altbatterien an Recyclingunternehmen oder schließe mit diesen Umarbeitungsverträge ab, woraus ihr Ansprüche erwüchsen. Mit der Lieferung der Batterien an das Recyclingunternehmen entstehe der Anspruch der Vertriebsgesellschaften auf Abgeltung der angefallenen Verwahrungs- und Transportkosten. Gleichzeitig entstehe – unabhängig von der Variante Verkauf oder Umarbeitung – ein Anspruch der Revisionswerberin gegenüber dem Recyclingunternehmen. Dieser Anspruch stelle einen Kompensationserlös dar, der nur hinsichtlich der Höhe einer Schätzung bedürfe. Im Zeitpunkt der Rückstellungsbildung sei nicht geklärt, ob die Revisionswerberin die Kauf- oder Umarbeitungsvariante wählen werde. „Es war allerdings – jedenfalls für den Berufungszeitraum 2007 bis 2009 und auch in den Folgejahren – davon auszugehen, dass die Firma bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung jährlich Umarbeitungsverträge abschließt, weil diese aufgrund des gestiegenen Bleipreises äußerst lukrativ sind.“ Gemäß den „internationalen Blei-Charts“ habe der Bleipreis zum 31. März 2006 EUR 822,36, 31. März 2007 EUR 1.503,75, 31. März 2008 EUR 2.208,64, 31. März 2009 EUR 1.127,81, 31. März 2010 EUR 1.597,74 und 31. März 2011 EUR 1.926,69 betragen. Der Bleipreis steige – mit kleinen Abschwächungen – seit Beginn des Jahres 2006 und betrage ein Mehrfaches des Ausgangspreises. Die Revisionswerberin werde daher mit überwiegender Wahrscheinlichkeit – wie schon vor 2006 – jährlich Umarbeitungsverträge abschließen, die ihr enorme Vorteile verschafften. „Im Falle der Verkaufsmethode würden sich, da der Umarbeitungslohn wegfällt sogar höhere Erlöse ergeben, sodass in beiden Fällen keine Rückstellung zulässig wäre, weil die Erträge die Aufwendungen in jedem Fall übersteigen.“ Eine Auflösung an der Wurzel sei nicht vorzunehmen, weil die Bildung einer Rückstellung grundsätzlich gerechtfertigt sei und nur die Berechnung der Rückstellung geändert werde.

8 Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage von Aktenteilen und Erstattung einer Gegenschrift durch das an die Stelle der belangten Behörde getretene Bundesfinanzgericht erwogen hat:

9 Gemäß § 9 Abs 1 Z 3 EStG 1988 in der für den Revisionsfall maßgeblichen Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I Nr 71/2003, können Rückstellungen für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten gebildet werden.

10 Die Bildung von Rückstellungen ist nach § 9 Abs 3 EStG 1988 nur dann zulässig, wenn konkrete Umstände nachgewiesen werden können, nach denen im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit ernsthaft zu rechnen ist.

11 Voraussetzung einer steuerrechtlich anzuerkennenden Rückstellung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein die Vergangenheit betreffender Aufwand bestimmter Art, dessen wirtschaftliche Veranlassung im Abschlussjahr gelegen ist, ernsthaft, somit mit größter Wahrscheinlichkeit, droht (vgl. zB VwGH vom 25. April 2013, 2010/15/0157, mwN).

12 Bei der Gewinnermittlung nach § 5 Abs 1 EStG 1988 – die Revisionswerberin ermittelt ihren Gewinn nach dieser Bestimmung – bewirkt die bei dieser Gewinnermittlungsart zu beachtende Maßgeblichkeit der unternehmensrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, dass innerhalb des von den steuerlichen Vorschriften vorgegebenen Rahmens eine Verpflichtung zur Rückstellungsbildung für die steuerliche Gewinnermittlung besteht, wenn eine solche Verpflichtung für die Unternehmensbilanz gegeben ist (vgl. zB VwGH vom 24. September 2014, 2010/13/0062, mwN).

13 Aufgrund der Maßgeblichkeit der unternehmensrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung besteht bei der Gewinnermittlung nach § 5 Abs 1 EStG 1988 daher die Verpflichtung, bei der Erstellung des Jahresabschlusses alle erkennbaren Risiken und drohenden Verluste, die in dem Geschäftsjahr oder einem früheren Geschäftsjahr entstanden sind, zu berücksichtigen. Dabei gilt der Grundsatz der subjektiven Richtigkeit der Bilanz. Richtig ist die Bilanz dann, wenn die am Bilanzstichtag bestehenden Verhältnisse nach der bei Bilanzerstellung bestehenden Kenntnis des Steuerpflichtigen (bzw. nach der Kenntnis, die der Steuerpflichtige unter Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt bei Bilanzerstellung hätte haben können) in der Bilanz ihren Niederschlag gefunden haben. Ob eine Rückstellung zu bilden ist, ist demnach nach dem Erkenntnisstand im Zeitpunkt der Aufstellung des jeweiligen Jahresabschlusses zu beantworten (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Band III, Tz 67 ff zu § 4 Abs 2 EStG 1988 sowie Tz 70 f zu § 9 EStG 1988, jeweils mit weiteren Nachweisen; sowie nochmals VwGH vom 25. April 2013, 2010/15/0157).

14 Die Revisionswerberin produziert Starterbatterien, ist aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zur Zurücknahme der in Verkehr gebrachten Batterien verpflichtet und hat für die im Zusammenhang mit der Rücknahme zu erwartenden Aufwendungen eine Rückstellung gebildet. Dass die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung (Außenverpflichtung, Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme und wirtschaftliche Verursachung im Jahr der Bildung) dem Grunde nach vorliegen ist unstrittig. Strittig ist, ob der Vorteil, der der Revisionswerberin daraus erwächst, dass die zurückgenommenen Altbatterien Blei enthalten, welches recycelt und dem Produktionsprozess wieder zugeführt werden kann, bei der Berechnung der Rückstellung zu berücksichtigen ist.

15 Von der belangten Behörde wird dies mit der Begründung bejaht, dass die von im Konzernverbund befindlichen Vertriebsgesellschaften gesammelten und an Recyclingunternehmen gelieferten Altbatterien im Eigentum der Revisionswerberin stünden. Die Revisionswerberin verkaufe die Altbatterien an Recyclingunternehmen oder schließe Umarbeitungsverträge mit diesen Unternehmen ab. Mit der Lieferung der Batterien an die Recyclingunternehmen entstehe bei den Vertriebsgesellschaften ein Anspruch auf Abgeltung der angefallenen Verwahrungs- und Transportkosten, für den die Revisionswerberin eine Rückstellung gebildet habe. Gleichzeitig entstehe ein Anspruch der Revisionswerberin auf den Kaufpreis für die Altbatterien oder auf das recycelte Blei. Der gegenüber den Recyclingunternehmen entstehende Anspruch stelle einen Kompensationserlös dar, der mittels Schätzung zu ermitteln und bei der Rückstellungsbildung zu berücksichtigen sei.

16 Nach § 211 Abs 1 zweiter Satz UGB sind Rückstellungen in der Höhe anzusetzen, die nach vernünftiger unternehmerischer Beurteilung notwendig ist. Der rückstellungsbegründende Sachverhalt ist aber nicht nur in seinen negativen Aspekten zu betrachten; auch positive Merkmale sind zu berücksichtigen, die die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme mindern, weil der Unternehmer in diesem Ausmaß nicht belastet wird (vgl. Konecny in Hirschler (Hrsg), Bilanzrecht, § 211 Rn 38). Stehen mit der Verbindlichkeit, für die eine Rückstellung zu bilden ist, künftige wirtschaftsgutähnliche Vorteile in einem unmittelbaren Kausalzusammenhang, so gebietet die vernünftige unternehmerische Beurteilung eine verlustkompensierende Berücksichtigung dieser Vorteile bei der Rückstellungsbewertung. Voraussetzung dafür ist die hinreichende Sicherheit dieser Vorteile in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Als Beispiele werden in der Literatur Regressansprüche gegenüber Sublieferanten in Gewährleistungsfällen oder auch Versicherungsansprüche bei Produkthaftpflichtfällen genannt (vgl. Leitner/Urnik/Urtz in Straube (Hrsg), UGB II/RLG3 § 211 Rz 20, mwN).

17 In den von der Revisionswerberin zurückzunehmenden Altbatterien ist Blei enthalten, das recycelt und dem Produktionsprozess wieder zugeführt werden kann. Der daraus resultierende Vorteil steht in einem unmittelbaren Kausalzusammenhang mit der Rücknahmeverpflichtung und kann bei entsprechend hohen Bleipreisen die Aufwendungen für das Sammeln und Recyceln der Altbatterien auch übersteigen. Die Verpflichtung zur Rücknahme der Altbatterien ist daher nicht nur mit Aufwendungen, sondern auch mit Vorteilen verbunden. Diese in Geld zu bemessenden Vorteile sind – ebenso wie die voraussichtlichen Rücknahme- und Recyclingkosten – zu prognostizieren sind und, insoweit hinreichend sicher, verlustkompensierend zu berücksichtigen. Die Möglichkeit der Berichtigung des Rückstellungswertes in der Eröffnungsbilanz wird dadurch nicht eröffnet, weil der Wert des in den Altbatterien enthaltenen Bleis bis zur Erstellung der Bilanz zum Stichtag 31. März 2006 annähernd den Recyclingkosten entsprach. Es liegen – im Hinblick auf den Grundsatz der subjektiven Richtigkeit der Bilanz – auch keine Nachweise dafür vor, dass der Revisionswerberin bereits seinerzeit das hinreichend sichere Feststehen eines Gewinnes aus der Verwertung des Altmetalls bekannt gewesen ist, welches in den vor 2007 ausgelieferten Batterien enthalten war.

18 Soweit die Revision – unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften – rügt, das Finanzamt und ihm folgend die belangte Behörde habe eine saldierende Berechnung mit dem Datenmaterial zum Stichtag 31. März 2007 vorgenommen und nicht auf die künftige Entwicklung der im Zusammenhang mit der Rücknahmeverpflichtung stehenden Aufwendungen und Erlöse abgestellt, kommt ihr Berechtigung zu.

19 Die belangte Behörde stellte im angefochtenen Bescheid fest, dass eine ungewisse Verbindlichkeit (ein Aufwand) im Jahr des Batterienverkaufes entstanden sei, und hält es unter Hinweis auf die anhand der „internationalen Blei-Charts“ für die Jahre 2006 bis 2011 festgestellte Entwicklung des Bleipreises für unwahrscheinlich, dass dieser Aufwand jemals schlagend werden wird. Damit verkennt die belangte Behörde, dass sowohl die Aufwendungen als auch die Erlöse im Zusammenhang mit den – erst in den Folgejahren – zurückzunehmenden Altbatterien nach den am Bilanzerstellungstag verfügbaren Informationen zu prognostizieren und auf ihre Wahrscheinlichkeit einzuschätzen sind. Dabei wäre insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Kosten für das Einsammeln und den Transport der Altbatterien ab 2007 von EUR 9,– auf EUR 20,– pro 100 kg angewachsen sind. Soweit dieser Preisanstieg nicht societatis veranlasst war, wäre darauf bei der Rückstellungsbildung Bedacht zu nehmen gewesen. Sollte sich nach den bei der Erstellung der Bilanz zum Stichtag 31. März 2007 verfügbaren Informationen ergeben, dass die von der Revisionswerberin gebildete Rückstellung (teilweise) aufzulösen wäre, würde eine solche im Wirtschaftsjahr 2007 vorzunehmen sein. Eine Rechtsgrundlage dafür, diese aus den Verhältnissen zum 31. März 2007 resultierende Auflösung (Minderung) der Rückstellung auf mehrere Jahre zu verteilen, wie dies der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts zugrunde liegt, besteht nicht.

20 Der angefochtene Bescheid war daher aus diesem Grund gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

22 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 4 Abs 5 vorletzter Satz VwGbk-ÜG – mit der dort angeführten Maßgabe – in Verbindung mit § 28 Abs 5 BFGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 20. Dezember 2016

Leitsätze

  • Zur Berücksichtigung verlustkompensierender Vorteile bei der Rückstellungsbildung

    Bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Rückstellungsbildung sind auch Aspekte einzubeziehen, die die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme senken. Stehen mit der Verbindlichkeit auch künftige Vorteile in einem unmittelbaren Kausalzusammenhang – wie etwa die Wiederverwertung recycelter Stoffe – so sind diese verlustkompensierend zu berücksichtigen. Voraussetzung dafür ist, dass die Vorteile in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ausreichend sicher sind.
    WEKA (epu) | Judikatur | Leitsatz | Ro 2014/15/0012 | VwGH vom 20.12.2016 | Dokument-ID: 895717