Dokument-ID: 356419

Vorschrift

Umgründungssteuerrichtlinien 2002

Inhaltsverzeichnis

1.2.1.2. Rückwirkungsfiktion

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Gemäß § 2 Abs 3 UmgrStG ist das Einkommen der übertragenden Körperschaft so zu ermitteln, als ob der Vermögensübergang mit Ablauf des Verschmelzungsstichtages erfolgt wäre. Das UmgrStG normiert somit keine eigenständige Rückwirkungsfrist, sondern bestimmt dafür die maßgeblichen gesellschaftsrechtlichen Fristen des § 220 Abs 2 und Abs 3 AktG. Diese Fristen decken sich auch mit der in § 202 Abs 2 UGB für Umgründungen mit Buchwertfortführung festgesetzten Frist, womit die zugrundegelegte Bilanz höchstens neun Monate vor der Anmeldung zum Firmenbuch liegen darf.

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Da die steuerrechtliche Rückwirkung auf den Vermögensübergang anknüpft, ergibt sich daraus die Vermögens- und Ergebniszurechnung zur übertragenden Körperschaft bis zum Ablauf des Verschmelzungsstichtages und eine solche zur übernehmenden Körperschaft mit Beginn des dem Verschmelzungsstichtag folgenden Tages. Daraus folgt aber auch, dass der Verschmelzungsstichtag die Einkommens- und Gewinnermittlung für die übertragende und die übernehmende Körperschaft zuteilt. Obwohl die mit dem Beginn des auf den Verschmelzungsstichtag folgenden Tages abgeschlossenen Rechtsgeschäfte und Geschäftsfälle zivilrechtlich noch der übertragenden Körperschaft zuzurechnen sind, werden sie im Rahmen der steuerrechtlichen Einkommens- und Gewinnermittlung bereits der übernehmenden Körperschaft zugerechnet. Damit werden auch alle Rechtsgeschäfte zwischen der übertragenden und der übernehmenden Körperschaft nach dem Verschmelzungsstichtag durch die gesetzlich angeordnete Rückwirkung ertragsteuerlich zu Innengeschäften. Buchtechnisch sind daher alle bereits erfassten Steuerwirkungen zu neutralisieren.

Beispiel:
Die A-GmbH (Wirtschaftsjahr 01.04. bis 31.03.) wird zum 30.06.01 auf die B-GmbH (Wirtschaftsjahr 01.11. bis 31.10.) verschmolzen. Der Verschmelzungsbeschluss wird am 05.05.02 in das Firmenbuch eingetragen.

A-GmbH:

Gesellschaftsrechtlich existiert die A-GmbH bis 05.05.02, umgründungssteuerrechtlich existiert die A-GmbH bis zum 30.06.01. Mit der zum 30.06.01 zu erstellenden Schlussbilanz endet das letzte Wirtschaftsjahr der A-GmbH als Rumpfwirtschaftsjahr vom 01.04.01 bis 30.06.01 (siehe Rz 91). Der Gewinn dieses Wirtschaftsjahres ist der A-GmbH zuzurechnen. Mit Ablauf des 30.06.01 endet die persönliche und sachliche Steuerpflicht. Die Erstellung eines Jahresabschlusses zum 31.03.02 hat keine steuerliche Bedeutung mehr.

B-GmbH:

Mit 01.07.01 ist steuerrechtlich das Vermögen der A-GmbH auf die B-GmbH übergegangen, sämtliche Geschäftsvorfälle sind der B-GmbH zuzurechnen. Der Vermögensübergang zum 01.07.01 ändert nichts am laufenden Wirtschaftsjahr der B-GmbH vom 01.11.00 bis 31.10.01. Der Jahresabschluss der B-GmbH zum 31.10.01 umfasst steuerlich auch das Vermögen der A-GmbH, dh, das vereinigte Vermögen kann nur in einer Steuerbilanz der B-GmbH dargestellt werden, die steuerliche Gewinnermittlung umfasst auch den Teilgewinn oder -verlust aus den Geschäftsvorfällen der A-GmbH vom 01.07.01 bis 31.10.01. Dies gilt auch für das nachfolgende Wirtschaftsjahr der B-GmbH vom 01.11.01 bis 31.10.02. Der gesellschaftsrechtliche Übergang des Vermögens der A-GmbH am 05.05.02 ist steuerlich unbeachtlich.

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Es ergeben sich daher folgende steuerliche Konsequenzen:

  • Rechtsgeschäfte zwischen übertragender und übernehmender Körperschaft im Rückwirkungszeitraum sind steuerrechtlich unbeachtlich; insb gelten sie nicht als Anschaffung bzw Veräußerung.
  • Bei Konzernverschmelzungen können nicht zu fremdüblichen Bedingungen vorgenommene Rechtsgeschäfte zwischen übertragender und übernehmender Gesellschaft mit dem Ablauf des Verschmelzungsstichtages keine verdeckte Ausschüttungen bzw verdeckte Einlagen auslösen.

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Die übertragende Körperschaft muss im Normalfall am Verschmelzungsstichtag bereits existiert haben. Dadurch ist es ihr möglich, auf den Verschmelzungsstichtag eine Schlussbilanz gemäß § 220 Abs 3 Satz 1 AktG aufzustellen. Bei gesellschaftsrechtlicher und firmenbuchrechtlicher Zulässigkeit kann allerdings eine durch eine Spaltung nach dem SpaltG zur Neugründung rückwirkend entstandene Körperschaft auf diesen Stichtag auch übertragende Körperschaft sein (Anwendungsfall einer Mehrfachumgründung auf einen Stichtag, siehe Rz 1874 ff). Damit ist die spaltungsrechtlich gebotene Eröffnungsbilanz gleichzeitig die Schlussbilanz.

Übernehmende Körperschaften müssen am Verschmelzungsstichtag nicht unbedingt existieren, sie können auch nach dem Verschmelzungsstichtag gegründet worden sein (siehe Rz 46).

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Die übertragende Körperschaft muss am Verschmelzungsstichtag nicht Eigentümer des übergehenden Vermögens gewesen sein. Eine steuerliche Zurechnungsvorschrift, wie sie für Einbringungen, Zusammenschlüsse und Realteilungen gemäß § 13 Abs 2 UmgrStG besteht, existiert für Verschmelzungen nicht. Damit muss das tatsächlich übergehende Vermögen nicht unbedingt mit dem in der Schlussbilanz ausgewiesenen Vermögen übereinstimmen.

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Die steuerliche Rückwirkungsfiktion beschränkt sich auf den ertragsteuerlichen Bereich, sie erstreckt sich nicht auf den Bereich der Umsatzsteuer und der Gebühren und Verkehrsteuern (siehe Rz 319).

Von der Rückwirkungsfiktion sind weiters nicht die Anteilsinhaber der übertragenden und der übernehmenden Körperschaft betroffen. Damit lässt ein Gesellschafterwechsel bei der übertragenden oder übernehmenden Körperschaft nach dem Verschmelzungsstichtag bzw vor Beschlussfassung der Verschmelzung die Anwendbarkeit des Art I UmgrStG unberührt. Die Rückwirkungsfiktion gilt weiters außerhalb der Konzernverschmelzung auch nicht für den verschmelzungsbedingten Anteilstausch (siehe Rz 261).

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Die steuerrechtliche Maßgeblichkeit der firmenbuchrechtlichen Eintragung der Verschmelzung bedeutet, dass sie unabhängig von der Dauer des Firmenbuchverfahrens auf den Verschmelzungsstichtag wirksam wird. Solange keine Eintragung der Verschmelzung stattgefunden hat, bleibt die übertragende Körperschaft Steuersubjekt und Steuerobjekt. Sollte die begehrte Eintragung des Verschmelzungsbeschlusses in das Firmenbuch versagt werden, kann mangels Untergangs der übertragenden Körperschaft auch eine Liquidationsbesteuerung im Sinne des § 20 KStG 1988 nicht Platz greifen.

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Ist bei der Auslandsverschmelzung inländisches Vermögen betroffen, wird die Rückwirkungsfiktion durch den Nachweis einer im Ausland (dem ausländischen Gesellschaftsrecht entsprechenden) fristgerecht durchgeführten Verschmelzung ausgelöst.

Sieht das ausländische Gesellschaftsrecht keine Rückwirkung vor, ist die erfolgreiche Protokollierung der Umgründung im Ausland innerhalb der 9-Monatsfrist dem inländischen Finanzamt anzuzeigen. Erfolgt keine fristgerechte Anzeige, stellt dies eine Finanzordnungswidrigkeit im Sinne des § 51 FinStrG dar. Für die Wahrung der Neunmonatsfrist gilt § 108 BAO (siehe Rz 774).