Dokument-ID: 357389

Vorschrift

Umgründungssteuerrichtlinien 2002

Inhaltsverzeichnis

2.3.6.2.1. Allgemeines

531
Am Umwandlungsstichtag bestehende Forderungen und Verbindlichkeiten eines Anteilsinhabers der übertragenden Körperschaft aus Leistungsbeziehungen, die nicht unter § 9 Abs 2 UmgrStG fallen, gelten spätestens mit dem Tag der Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses zur Eintragung in das Firmenbuch im Rahmen der betreffenden Einkunftsart nach § 19 EStG 1988 als vereinnahmt oder verausgabt (§ 9 Abs 5 UmgrStG). Diese Regelung betrifft alle Anteilsinhaber, die nicht Bücher führen und daher keine Buchgewinne oder Buchverluste haben, somit jene, die ihren Erfolg durch Überschussrechnung (Einnahmen-Ausgaben-Rechnung bzw Gegenüberstellung von Einnahmen und Werbungskosten) ermitteln. Damit soll sichergestellt werden, dass beim Anteilsinhaber die mit den bei der Kapitalgesellschaft bereits erfolgswirksam erfassten Positionen korrespondierenden Forderungen und Verbindlichkeiten gleichfalls erfolgswirksam werden. Aus dem Wort „spätestens“ ergibt sich, dass eine vor dem Anmeldetag erfolgte volle oder anteilige Tilgung der Forderung bzw Verbindlichkeit unter die Steuerpflicht nach dem allgemeinen Einkommen- bzw Körperschaftsteuerrecht fallen.

532
Die Vereinnahmungs- und Verausgabungsfiktion des § 9 Abs 5 UmgrStG betrifft nur einkunftswirksame Forderungen und Verbindlichkeiten des Anteilsinhabers gegenüber der umzuwandelnden Kapitalgesellschaft, nicht hingegen jene, deren Tilgung zu einer nicht steuerbaren Vermögensumschichtung führt (zB eine Darlehensrückzahlung).

533
Sind sämtliche rechtsgeschäftlichen Vorgänge zwischen dem Anteilsinhaber und der übertragenden Kapitalgesellschaft buchhalterisch über ein Verrechnungskonto abgewickelt worden, ist es in erster Linie Sache der Gesellschaft, eine Trennung in offene Forderungs- bzw Verbindlichkeitspositionen gegenüber offenen vermögensumschichtenden Positionen vorzunehmen und eine Zuordnung zu den betreffenden Rechtsgeschäften (Arbeitsbeziehung, Leistungsbeziehung, Geld- oder Wirtschaftsgutüberlassung) vorzunehmen.

534
Die Vereinnahmungs- und Verausgabungsfiktion bezieht sich auf den Tag der Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses zur Eintragung im Firmenbuch. Nur jene zum Umwandlungsstichtag in der Umwandlungsbilanz ausgewiesenen Forderungen und Verbindlichkeiten des Anteilsinhabers gegenüber der umzuwandelnden Kapitalgesellschaft, die zu diesem Tag noch nicht beglichen sind, gelten als vereinnahmt oder verausgabt.

535
Unter die Vereinnahmungs- und Verausgabungsfiktion können ausnahmsweise auch nach dem Umwandlungsstichtag begründete Forderungen und Verbindlichkeiten fallen. Das ist bei jenen am Tag der Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses zur Eintragung im Firmenbuch noch nicht ausgeglichenen Forderungen und Verbindlichkeiten der Fall, die nicht von der Rückwirkung des § 9 Abs. 1 UmgrStG erfasst sind und daher nach dem Umwandlungsstichtag mit steuerlicher Wirkung gegenüber der umzuwandelnden Kapitalgesellschaft ausgewiesen werden können.

Beispiel 1:

Die X-GmbH wird zum Stichtag 31.12.01 errichtend auf die A&B-OG umgewandelt, an der gleich wie an der Kapitalgesellschaft der Gesellschafter A zu 25 % und der Gesellschafter B zu 75 % beteiligt sind. A und B sind bei der X-GmbH als Geschäftsführer tätig. Der Umwandlungsbeschluss wird am 15.9.02 zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldet.

Die am 15.9.02 noch offenen Forderungen von A und B aus ihrem Beschäftigungsverhältnis gegenüber der X-GmbH gelten spätestens an diesem Tag bei A im Rahmen seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und bei B im Rahmen seiner Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit nach § 19 EStG 1988 als vereinnahmt. Dies gilt auch für Forderungen, die nach dem Umwandlungsstichtag begründet wurden, da gemäß § 11 Abs. 1 UmgrStG die Beschäftigungsverhältnisse von A und B mit steuerlicher Wirkung weiterhin gegenüber der Kapitalgesellschaft bestehen. Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer (Gesellschafter A) richten sich nach §§ 78 und 79 EStG 1988, sodass sich praktische Auswirkungen vor allem dann ergeben, wenn die umgewandelte Kapitalgesellschaft bzw. ihr Rechtsnachfolger keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt haben.

Beispiel 2:

Die X-GmbH wird zum 31.12.01 verschmelzend auf ihren zu 90 % beteiligten Hauptgesellschafter umgewandelt. Am 1.9.02 wird eine Gewinnausschüttung beschlossen und zum 1.11.02 fällig gestellt. Am Tag der Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses zur Eintragung im Firmenbuch (27.9.02) haftet diese Verbindlichkeit noch aus.

Auf Grund § 8 Abs. 4 UmgrStG besteht die korrespondierende, erst nach dem Umgründungsstichtag entstandene Forderung der Anteilsinhaber mit steuerlicher Wirkung gegenüber der umzuwandelnden Kapitalgesellschaft. Mit dem Tag der Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses zur Eintragung im Firmenbuch gilt die Forderung von den Anteilsinhabern (Hauptgesellschafter und Minderheitsgesellschafter) nach § 19 EStG 1988 im Rahmen ihrer Einkünfte aus Kapitalvermögen als vereinnahmt. Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer richten sich nach §§ 95 und 96 EStG 1988, sodass sich praktische Auswirkungen vor allem dann ergeben, wenn die umgewandelte Kapitalgesellschaft bzw. ihr Rechtsnachfolger keine KESt einbehalten und abgeführt haben.