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Johann Schöffthaler | News | 14.05.2012

All-Inclusive-Verträge, Teilzeit, Bereitschaft – was ist zulässig und was ist sittenwidrig

Gastautor Johann Schöffthaler beschäftigt sich in seinem Beitrag näher mit den rechtlichen Rahmenbedingungen von Arbeitszeitvereinbarungen und Arbeitszeiteinteilung. Was gilt es zu beachten?

Der Gesetzgeber überlässt es in § 19c AZG (zu finden in Abschnitt 6a des Arbeitszeitgesetzes) den Vertragspartnern, eine gesetzeskonforme Arbeitzeitvereinbarung zu treffen. Ein bestimmter Inhalt des Vertrages wird nicht vorgegeben, abgesehen von der Beachtung gesetzlicher Rahmenbedingungen, die etwa für die Wochenend- oder Feiertagsarbeit bestehen (OGH 9 ObA 210/01z, DRdA 2003, 65 und 377).

Die im Abschnitt 6a AZG geregelten Angelegenheiten sind Bestandteil des Arbeitsvertragsrechts. Sie stellen damit eine Ausnahme im Arbeitszeitgesetz dar. In der Regel ist das Arbeitszeitrecht ein Teil des Arbeitnehmerschutzrechtes. Als materieller Regelungsinhalt stehen dementsprechend die Begrenzung der zeitlichen Beanspruchung des Arbeitnehmers durch Arbeitsleistungen und die Erholungsmöglichkeit durch Pausen im Vordergrund. Es sind somit vorwiegend gesundheitspolitische Zielsetzungen maßgeblich. Physische und psychische Überlastung mit ihren gesundheitsschädlichen Auswirkungen soll verhindert werden.
Eine Vereinbarung ist zustande gekommen, wenn eine freie Willensübereinstimmung der beiden Vertragspartner vorliegt. Eine wirksame Vereinbarung setzt nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen (§ 879 ABGB) weiters voraus, dass das Ergebnis der Vereinbarung nicht zwingenden rechtlichen Vorschriften widerspricht und auch nicht sittenwidrig ist. Damit ist einerseits ausgeschlossen, dass durch eine Vereinbarung wirksam Arbeitszeiten festgelegt werden können, die entweder ihrer Dauer oder ihrer Lage nach den zwingenden Grenzen des AZG oder anderer rechtlich verbindlicher Vorschriften widersprechen. Andererseits sind aber auch sittenwidrige Vereinbarungen über die Arbeitszeiteinteilung unwirksam.

Sittenwidrig und damit ungültig ist eine Arbeitszeitvereinbarung insbesondere dann, wenn sie die Festlegung der Arbeitszeit de facto der Willkür des Arbeitgebers überlässt, auch wenn formal stets ein Konsens über eine bestimmte Arbeitsverpflichtung vorgesehen ist (OGH 8 ObA 116/04y, DRdA 2005, 184 und 417, mit Anm B. Schwarz; OGH 8 ObA 86/03k, SZ 2003/145). Die Drucksituation und die Risikoverlagerung bei einer Vereinbarung der „Arbeit auf Abruf“ werden im Regelfall zu sittenwidrigen und damit unwirksamen Verträgen führen. Es würde nämlich durch eine solche Vereinbarung gerade das erreicht werden, was der Gesetzgeber verhindern wollte, nämlich eine Gefährdung der Interessen des Arbeitnehmers, seine Freizeit und damit auch seine persönlichen Verpflichtungen außerhalb der Arbeit zu planen.
Bei Teilzeitvereinbarungen, aber auch bei Vollzeitarbeit sind hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit die Schranken der Vertragsfreiheit zu beachten. Jede Willkür des Arbeitgebers bei der flexiblen Arbeitszeiteinteilung, die durch wirtschaftlichen Druck auf den Arbeitnehmer möglich wird, soll weitgehend ausgeschlossen werden. Das Kriterium der Sittenwidrigkeit lässt durchaus eine Einzelfallbeurteilung zu. Niemand wird auf die Idee kommen, eine Vereinbarung zum fallweisen Diensttausch oder zum Einspringen in den Schichtdienst bei Ausfall eines Kollegen als sittenwidrig zu qualifizieren. Es mangelt solchen Vereinbarungen an der Umgehungsabsicht und der Bedrohung durch einseitige Willkür, weil objektive, sachliche Gründe für die Veränderbarkeit der Normalarbeitszeit vorliegen.

Die Absicht des Gesetzgebers ist, dass einseitige Vorgangsweisen bei der Arbeitszeitfestlegung so weit als möglich zurückgedrängt werden sollen, und dass die vertragliche Einräumung von Willkür für eine Seite stets für die Sittenwidrigkeit spricht.

In der Entscheidung des OGH 8 ObA 116/04y, DRdA 2005, 184 und 417, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall kein objektives Interesse des Arbeitgebers an der übers Ziel schießenden Arbeitszeitvereinbarung nachgewiesen wurde außer jenem, die Arbeitnehmer nach Belieben zur Arbeit rufen zu können und nur jene Zeiten bezahlen zu müssen, die der Arbeitgeber fallweise angeboten hat. Wenn objektive Interessen nachgewiesen werden – etwa bei einer „Springerregelung“ oder einer Diensttauschregelung das Bedürfnis nach einer Ersatzkraft bei kurzfristigem Ausfall eines Mitarbeiters, muss eine Interessenabwägung stattfinden.

Grundsätzlich entsprechende Planungen zu machen, sollte aber dem Arbeitgeber auch bei der Arbeitszeiteinteilung nicht unzumutbar sein. Eine Vereinbarung, die bei unregelmäßigen Arbeitszeiten und kurzfristigen Änderungsmöglichkeiten der Lage der Arbeitszeit vorsieht, dass Entgelt nur für die tatsächlich geleistete Arbeit gebührt, ist unwirksam, weil sie das Risiko einseitig auf den Arbeitnehmer verlagert.