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Georg Streit | News | 21.05.2014

Reformen im Gesellschaftsrecht II: Der nächste Anlauf zur Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Mag. Georg Streit erläutert in seinen Beitrag ausführlich den Entwurf zur geplanten GesbR-Reform (GesbR-Reformgesetz), die nun Formen annimmt. Was sind die wesentlichen Inhalte? Bleibt uns die GesbR als Gesellschaftsform erhalten?

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die älteste Gesellschaftsrechtsform, verankert im ABGB, manche Regelungen zur GesbR sind noch unverändert in der Stammfassung aus dem Jahr 1811 enthalten. Als Geburtstagsgeschenk nach 200 Jahren hatte sich der Gesetzgeber der 24. Gesetzgebungsperiode der 2. Republik eine Novellierung des Rechts der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgedacht. Daraus wurde letztlich nichts, man könnte auch sagen: Das blieb uns (und dem ABGB) erspart! Nun nimmt der Gesetzgeber einen neuen Anlauf, das österreichische Zivilrecht „mit der gebotenen Umsicht, Augenmaß und Zurückhaltung“ zu „modernisieren und an die geänderten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und rechtlichen Bedingungen“ anzupassen – „so die rechtspolitischen Ziele des Projekts ABGB 2011“. Ob dieser neue Anlauf in der 25. Gesetzgebungsperiode nun der große Wurf wird, ob die Reform nicht zum Reförmchen verkümmert oder sie ganz abgesagt wird, wird sich zeigen. Nachfolgend finden Sie einen Überblick über die nun in Begutachtungsentwurf verschickten Änderungen für das 27. Hauptstück des ABGB.

Im Wesentlichen unverändert

Im Wesentlichen soll sich, so auch der Ministerialentwurf (34/ME XXV.GP), nichts ändern. Wie bisher soll der Privatautonomie möglichst viel Raum eingeräumt werden. Es gibt nur wenige zwingende Regeln. Auch die Rechtsnatur des GesbR soll „in ihren Wesensmerkmalen ….. unverändert bleiben“. Die GesbR soll nicht neben der OG und der KG als weitere rechtsfähige Gesellschaftsform etabliert werden. Begründet wird dies damit, dass die GesbR seit jeher „Auffangfunktion“ gehabt hätte. Der Gesetzgeber erkennt zwar, dass diese Funktion „im Lauf der Zeit stark in den Hintergrund“ getreten ist. Sie sei aber niemals gänzlich verloren gegangen und habe zuletzt auch wieder an Bedeutung gewonnen.

Kategorien

Einen der Vorschläge einer dafür eingesetzten Arbeitsgruppe aufgreifend soll in Hinkunft in eine Außen- und eine Innengesellschaft unterschieden werden. Dafür wurde eine Zweifelsregel geschaffen. Dieser Unterschied wirkt sich auch bei den Regelungen zur konkurrenzierenden Tätigkeit und zum Vertretungsrecht aus.

Abschnitte

Der Entwurf sieht vor, dass das 27. Hauptstück des ABGB zur Gänze neu gefasst wird. Aus nostalgischen Gründen aber auch im Interesse einer Klarheit der Sprache ist dies zu bedauern. Immerhin ist dem Gesetzesentwurf aber zu attestieren, dass dieser sich sehr bemüht, eine verständliche Sprache zu wählen und auf Schachtelsätze oder Satzungetüme wie andere zuletzt verabschiedete Gesetze weitgehend verzichtet und sprachlicher Nonsens nur vereinzelt anzutreffen ist (anders als etwa beim jüngst unter dem furchteinflößenden Namen VRUG veröffentlichten Gesetzeswerk).

Das neue 27. Hauptstück des ABGB gliedert sich in sieben Abschnitte mit allgemeinen Bestimmungen, Bestimmungen zu den Rechtsverhältnissen der Gesellschafter untereinander, Rechtsverhältnissen zu Dritten, Gesellschafternachfolge, Umwandlung, Auflösung und Liquidation einer GesbR.

Innerhalb dieser Abschnitte ist der Gesetzgeber bestrebt, bestehende Rechtsfiguren beizubehalten und das GesbR-Recht dem OG-Recht anzugleichen. Aber eben nicht gänzlich: Die GesbR wird weiterhin nicht rechtsfähig sein, die GesbR kann aber für jeden erlaubten Zweck und jede erlaubte Tätigkeit eingesetzt werden. Ist der Gegenstand der Gesellschaft der Betrieb eines Unternehmens oder führt die Gesellschaft einen Namen, vermutet das Gesetz eine Außengesellschaft. Ein wesentlicher Punkt ist die Neuregelung bzw Klarstellung der Vermögensordnung. Körperliche Sachen, die von den Gesellschaftern dem Gesellschaftsvermögen zugeordnet werden, stehen im Miteigentum aller Gesellschafter. Unkörperliche Sachen sind den Gesellschaftern zur gesamten Hand zugeordnet. Eine Gesamthandbindung für die dem Gesellschaftsgewinn gewidmeten körperlichen Sachen normiert der Gesetzgeber aber unter Hinweis auf die Systematik des ABGB nicht.

Privatautonomie

Zentrale Norm ist § 1181, wonach sich die Rechtsverhältnisse der Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag richten. Der gesamte zweite Abschnitt des 27. Hauptstücks des ABGB (§§ 1181 bis § 1196 „Rechtsverhältnisse der Gesellschafter untereinander“) ist demnach subsidiär (analog zu § 108 UGB), freilich mit Ausnahmen, denen zwingender Charakter zugebilligt wird.

Details

Die Beteiligung an der Gesellschaft bestimmt sich nach dem Verhältnis der Einlagen, im Zweifel bestehen Kopfanteile. Ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter ist die Verfügung eines Gesellschafters über seinen Geschäftsanteil nicht möglich. Der reine Arbeitsgesellschafter ist weiterhin möglich. Eine Nachschusspflicht darf es nur geben, wenn diese auf einen bestimmten Betrag beschränkt ist.

In diesem 2. Abschnitt findet sich auch eine für das gesamte Gesellschaftsrecht geltende Regelung der Stärkung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht. Unter der Überschrift „Mitwirkung, Interessenwahrung und Gleichbehandlung“ trägt § 1186 in der Entwurfsfassung den Gesellschaftern auf, „an der gesellschaftlichen Willensbildung und den zu treffenden Maßnahmen nach Kräften und nach gebotener Sorgfalt mitzuwirken. den Gesellschaftszweck redlich zu fördern und alles zu unterlassen, was den Gesellschaftsinteressen schadet“. In § 1186 Abs 2 findet sich ein explizites Gleichbehandlungsgebot der Gesellschafter, wie bisher nur im Aktiengesetz (§ 47a).

In § 1188 des Entwurfs wird die actio pro socio nun explizit normiert. Die Geschäftsführungsregeln sind in den §§ 1189 bis 1191 nun umfassend und deutlicher geregelt, statt der bisherigen Gesamtgeschäftsführung (§ 1185 ABGB) soll nun entsprechend § 115 UGB jeder zur Geschäftsführung Berufene allein handlungsberechtigt für die Gesellschaft sein. Die Regelungen über Gesellschafterbeschlüsse, die Entziehung und Kündigung der Geschäftsführungsbefugnis und Kontrollrechte der Gesellschafter (§§ 1192 bis 1194) orientieren sich am UGB (§§ 117 bis § 119).

Die Gewinn- und Verlustzuteilung § 1195) entspricht § 120 UGB, die Regelung über Gewinnausschüttung und Entnahmen (§ 1196) § 122 UGB.

Außenverhältnis

Nur für Außengesellschaften (erinnert sei an die Zweifelsregel in § 1176) ist der dritte Abschnitt relevant, weil eine reine Innengesellschaft ja keiner Vertretungsregelungen bedarf, so der Gesetzentwurf. Mangels anderer Regelungen im Gesellschaftsvertrag sind die Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis und im Außenverhältnis grundsätzlich deckungsgleich. Damit kann aber in Hinkunft jeder zur Geschäftsführung berufene Gesellschafter die Gesellschaft auch nach außen vertreten. Konflikte könnten auftreten, wenn ein Gesellschafter von seinem Widerspruchsrecht gegen Geschäftsführungshandlungen gemäß § 1190 Abs 1 zweiter Satz des Entwurfs Gebrach macht. Fraglich ist, was das für das Außenverhältnis zu bedeuten hat. Nach der Regierungsvorlage soll dies für das Außenverhältnis ohne Relevanz sein.

Nachfolge

Die Gesellschafternachfolge wurde ergänzt, entsprechende Grundlagen gab es im ABGB bisher nicht. § 1201 des Entwurfs normiert explizit, dass (außer bei anderslautender Vereinbarung) gesellschaftsbezogene Rechtsverhältnisse im Verhältnis der Beteiligung vom ausscheidenden Gesellschafter auf den eintretenden Gesellschafter übergehen. Bestellte Sicherheiten bleiben aufrecht, der ausscheidende Gesellschafter haftet weiter, der eintretende Gesellschafter nur für neue Verbindlichkeiten. Die Nachhaftung des ausscheidenden Gesellschafters ist aber analog zu § 39 UGB auf fünf Jahre beschränkt.

In § 1205 des Entwurfs ist eine explizite Regelung für die Fortsetzung der Gesellschafen mit den Erben eines verstorbenen Gesellschafters enthalten. Dieser Norm übernimmt im Wesentlichen § 139 UGB auch für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts.

Der fünfte Abschnitt (§ 1206 und 1207) ist der Umwandlung der GesbR in eine offene Gesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft gewidmet. Derartige Regelungen existierten bislang nicht. Der Gesetzgeber beschränkt sich auf zwei Paragraphen und insgesamt fünf Absätze. Die Regelung ist überraschend denkbar einfach.

Auflösung, Liquidation

Der sechste und siebente Abschnitt schließlich widmen sich der Auflösung und Liquidation einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Auch hier orientiert sich das ABGB wenig überraschend an den Regelungen des UGB. Sowohl die Kündigung einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter oder einen Privatgläubiger eines Gesellschafters ist möglich, als auch die Auflösung nach Ablauf des befristeten Gesellschaftsverhältnisses. Entsprechend § 133 UGB kommt auch der Ausschluss eines Gesellschafters gemäß § 1213 des Entwurfs in Betracht. Dieser muss mittels Klage im streitigen Verfahren geltend gemacht werden. Ein Fortsetzungsbeschluss der verbleibenden Gesellschafter ist auch bei der GesbR möglich, bei Verbleiben nur noch eines Gesellschafters geht wie gemäß § 142 UGB das Gesellschaftsvermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolger auf den verbleibenden Gesellschafter über. Auch die Regelungen über die Liquidation der Gesellschaft (Nachwirkung des Gesellschaftsvertrags, Bestellung sowie Rechte und Pflichten der Liquidatoren) orientieren sich am UGB.

Die neue Rechtslage soll mit 1.1.2015 in Kraft treten. Dies gilt zunächst nur für eine ab diesem Zeitpunkt gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts, für bereits bestehende Gesellschaften bürgerlichen Rechts normiert die Übergangsregelung ein Opting-Out-Modell. Jeder Gesellschafter kann bis zum 30.6.2016 erklären, die Anwendung des bisherigen Rechts beibehalten zu wollen. Dies wiederum wirkt aber nicht unbefristet: Am 1.8.2022 soll einheitlich das neue Recht gelten.

Der Begutachtungsentwurf wurde am 23.4.2014 versendet, bis zum 23.5.2014 können Stellungnahmen eingebracht werden. Aus den bisher eingelangten Stellungnahmen sind insbesondere jene hervorzuheben, die sich für die Rechtsfähigkeit der GesbR aussprechen. Ansonsten lässt sich vor allem aufgrund der engen Anlehnung der Formulierungen des Entwurfs an das UGB nicht allzu viel Substantielles kritisieren. Der Entwurf ist also eine echte österreichische Lösung …

Autor

Mag. Georg Streit ist seit 2000 Rechtsanwalt und seit 2001 Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Immaterialgüterrecht, Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, Rundfunkrecht und Vergaberecht. Weiters ist er Lektor an den Universitäten Wien und Salzburg, Vortragender bei Seminaren und Lehrgängen.

Für WEKA ist er Herausgeber des Newsletters für Gesellschaftsrecht Online sowie für das Werk „Personengesellschaften in Fallbeispielen“.

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