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Maximilian Kralik - Georg Streit | News | 22.10.2018

Rote Karte! Der Ausschluss – Ein Dauerbrenner im Vereins- und Gesellschaftsrecht

Gastautor Mag.Maximilian Kralik beleuchtet in seinem Beitrag anhand aktueller Judikatur, unter welchen Voraussetzungen ein Mitglied aus dem Verein ausgeschlossen werden kann.

Über kaum ein anderes Thema wird im Vereins- und Verbandsverhältnis derartig heftig – in rechtlicher und emotionaler Sicht – gestritten, als über die zwangsweise Beendigung des Mitgliedschaftsverhältnisses durch Ausschluss. Die emotionalen Aspekte an dieser Stelle ausblendend beschäftigt die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Mitglied aus dem Verein ausgeschlossen werden kann, regelmäßig die Gerichte und bis hin zum OGH (so zuletzt wieder in der Entscheidung vom 17.01.2018, 6 Ob 213/17t).

Ein wesentlicher Grund dafür ist mit Sicherheit die Tatsache, dass das Vereinsgesetz keinerlei Bestimmungen zum Vereinsausschluss enthält, sondern die Regelung dieses Themenfeldes den Gründern und den zur späteren Beschlussfassung über Statutenänderungen berufenen Vereinsorganen überlässt. Dementsprechend schreibt § 3 Abs 2 Z 5 VerG bloß vor, dass die Vereinsstatuten „Bestimmungen über den Erwerb und die Beendigung der Mitgliedschaft“ jedenfalls enthalten müssen. Aufgrund dieser vagen Formulierung stellen sich daher regelmäßig die Fragen: wer, wann, warum und wie.

Wer?

Im Rahmen der Kompetenzverteilung innerhalb der Vereinsstatuten steht es dem Verein frei, die Frage, wer den Vereinsausschluss beschließen kann, zu regeln. Das Gesetz lässt dem Verein eine sehr weitgehende Autonomie bei der Ausgestaltung der Statuten (vgl ErläutRV 990 BlgNR 21. GP 23 und 25). In erster Linie kommen hier die Mitgliederversammlung (also das Organ zur gemeinsamen Willensbildung der Vereinsmitglieder) oder das Leitungsorgan (in der Regel als Vorstand bezeichnet) infrage. Weit seltener wird diese Kompetenz einem separaten Gremium, wie einem Disziplinarausschuss o.ä., eingeräumt – möglich ist diese Variante jedoch allemal, ab einer gewissen Größe des Vereins oder Verbands sogar durchaus empfehlenswert.

In einer aktuellen Entscheidung hat sich der OGH (17.01.2018, 6 Ob 213/17t) mit der Frage beschäftigt, welche Wirkung ein durch die (nicht kompetente) Mitgliederversammlung gefasster Ausschlussbeschluss für den laut Statuten eigentlich zum Ausschluss kompetenten Vorstand hat. Der OGH ist zum Ergebnis gelangt, dass durch die Beschlussfassung der Generalversammlung in der Angelegenheit des Vereinsausschlusses diese zum Ausdruck gebracht hat, dass die Mitglieder das Verhalten des Auszuschließenden als Verwirklichung des Ausschließungsgrundes einschätzen und der Vorstand dies bei seinem Beschluss über den Ausschluss zu berücksichtigen hat. „Berücksichtigen“ ist hier das entscheidende Wort, denn, so der OGH weiter, der Vorstand dürfte einen statutenwidrigen Beschluss der Mitgliederversammlung, wonach ein bestimmtes Mitglied auszuschließen sei, obwohl Ausschlussgründe gar nicht vorliegen, nicht umsetzen und einen Ausschluss nicht mit der bloßen Tatsache begründen, dass die Mitgliederversammlung sich für den Ausschluss ausgesprochen habe – auf die Weisheit der Vielen ist somit nicht immer Verlass. Mit anderen Worten: Das zum Ausschluss kompetente Leitungsorgan muss selbst prüfen, ob die Annahme der Mitgliederversammlung, wonach ein Mitglied einen Ausschlussgrund gesetzt habe, auch tatsächlich stimmt. Erst wenn auch das Leitungsorgan zu diesem Ergebnis gelangt, kann es den Ausschluss aussprechen. (Der OGH hat zwar davon gesprochen, den Beschluss der Mitgliederversammlung „umzusetzen“, korrekter Weise wird allerdings das Leitungsorgan den Ausschlussbeschluss erst selbst fassen müssen, da andernfalls der Ausschlussbeschluss durch ein dazu nicht berechtigtes Organ erfolgen würde, was die Nichtigkeit zur Folge hätte.)

Wann?

Ausschlussgründe sind zwar – ähnlich wie die Entlassung im Arbeitsverhältnis – bei sonstiger Verwirkung des Ausschlussrechtes „alsbald“ geltend zu machen, jedoch, und auch das betont der OGH in der aktuellen Entscheidung (17.01.2018, 6 Ob 213/17t) unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung, muss bei der Beurteilung, ob ein längeres Zuwarten berechtigt war, der Organisationsform des Vereins Rechnung getragen und seinen Organen eine Überlegungsfrist zugebilligt werden. Dem Verein ist jedenfalls ausreichend Zeit zuzubilligen, den Sachverhalt zu erheben, in den Vereinsgremien zu diskutieren und rechtlich zu würdigen. Auch ein längeres Zuwarten der Organe kann durch das Bemühen um eine einvernehmliche Lösung gerechtfertigt sein; auch ein Abstand von zweieinhalb Monaten kann aus diesem Grund gerechtfertigt sein.

Warum?

Das ist beim Ausschluss – nicht nur im Verein, sondern im gesamten Gesellschaftsrecht –die Gretchenfrage. Während jedoch die Ausschlussgründe bei anderen Gesellschaftsformen – mehr oder weniger – gesetzlich geregelt sind (dazu am Ende dieses Beitrags), gibt uns auch hier das Vereinsgesetz keine Antwort.

Zwar können in den Statuten die Ausschlussgründe konkret benannt werden, die meisten Statuten – so beispielsweise auch die online abrufbaren Musterstatuten des BMI – begnügen sich mit der auslegungsbedürften Regelung, wonach der Ausschluss „wegen grober Verletzung anderer Mitgliedspflichten [gemeint sind andere, als die Verpflichtung zur Zahlung des Mitgliedsbeitrags] und wegen unehrenhaften Verhaltens verfügt werden“ kann. Das genannte „unehrenhafte Verhalten“ muss sich allerdings in jedem Fall auf die Vereinssphäre beziehen – ein Verhalten, das in keinem Zusammenhang mit dem Verein steht, kann nicht als Begründung für den Ausschluss herangezogen werden.

Ohne an dieser Stelle eine dogmatische Einordnung vorzunehmen (diesen Versuch haben erst kürzlich Weber/Cach unternommen, in Der Gesellschafter, 4/2018, 224), läuft alles auf das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ hinaus. Der Ausschluss soll nur dann möglich sein, wenn dem Verein das Festhalten an der Mitgliedschaft aus objektiven Gründen, die in der Sphäre der anderen Partei liegen, nicht zuzumuten ist. Keine ausreichende Begründung ist jedenfalls „das wiederholte – zeitweise sicher lästige – Bestehen auf der Einhaltung der Statuten und auf wortgetreue Protokollierungen sowie die häufig geäußerte Kritik an der Vereinsführung“ (so der OGH 18.10.2017, 7 Ob 153/17a). Auch mit „Querulanten“ muss ein Verein daher zurechtkommen.

Der geforderte „wichtige Grund“ muss jedoch nicht aus einer einzigen Handlung bestehen, sondern auch eine Reihe von für sich genommen nicht gravierenden Verfehlungen kann zu einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mitgliedschaftsverhältnisses führen. Bei einem Verein, der rechtlich oder faktisch Monopolcharakter hat, ist jedenfalls eine restriktive Auslegung der wichtigen Gründe geboten.

Wie?

Nach ständiger Rechtsprechung (so auch OGH 17.01.2018, 6 Ob 213/17t) muss dem auszuschließenden Mitglied vor der Entscheidung des Vereins Gelegenheit gegeben werden, sich Gehör zu verschaffen. Wenngleich im Vereinsverhältnis an das Äußerungsrecht nicht allzu strenge Maßstäbe anzulegen sind (im Vergleich etwa zu gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren), so ist doch eine zwingende Voraussetzung, dass dem Auszuschließenden die Ausschlussgründe konkret vorgehalten werden, damit er sich verteidigen kann. Eine formelle Aufforderung zur Äußerung ist hier nicht notwendig; der OGH lässt die Kenntnis von den Ausschlussgründen und die faktische Möglichkeit zur Äußerung genügen (so beispielsweise OGH 12.09.2006, 1 Ob 152/06v).

Und wie sieht der Ausschluss bei anderen Gesellschaftsformen aus?

Bei Personengesellschaft ist die Kündigung von Gesellschaftern gesetzlich definiert; § 133 und § 140 UGB regeln in Bezug auf die OG und KG, das vom Gericht aufgrund einer Klage aller übrigen Gesellschafter der Ausschluss eines Gesellschafters aus der Gesellschaft ausgesprochen werden kann, wenn in der Person eines Gesellschafters ein Umstand eintritt, der nach § 133 UGB für jeden der übrigen Gesellschafter das Recht begründet, die Auflösung der Gesellschaft zu verlangen. § 133 Abs 1 UGB nennt als Auflösungsgrund ebenfalls einen „wichtigen Grund“, konkretisiert diesen Begriff jedoch in Abs 2, wonach ein „solcher [wichtiger] Grund insbesondere vorhanden ist, wenn ein anderer Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt oder wenn die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird.“

Mit der Reform der GesbR durch das GesbR-RG (BGBl I 2014/83) wurde diese Regelung aus dem UGB inhaltsgleich auch in § 1210 und § 1213 ABGB für die GesbR übernommen.

Trotz überwiegender Kritik in der Literatur vertritt der OGH in Hinblick auf die GmbH die Ansicht, dass dort ohne entsprechende Kündigungs-/Ausschlussmöglichkeit im Gesellschaftsvertrag der Ausschluss eines Gesellschafters auch nicht aus wichtigem Grund zulässig sein soll. Der OGH rechtfertigt das mit dem Argument, dass § 66 GmbHG nur einen einzigen Ausschlussgrund, nämlich die Säumigkeit bei der Einzahlung der Stammeinlage, kennt und damit die Ausschlussgründe abschließend im Gesetz geregelt sind; für eine Erweiterung der gesetzlichen Regelung – beispielsweise durch Analogie – bestünde daher kein Raum (OGH 14.09.2011, 6 Ob 80/11z; RS0059745).

Autoren

Mag. Maximilian Kralik, LL.M.

Rechtsanwalt und Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte, Wien

Mag. Georg Streit

Mag. Georg Streit ist seit 2000 Rechtsanwalt und seit 2001 Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Immaterialgüterrecht, Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, Rundfunkrecht und Vergaberecht. Weiters ist er Lektor an den Universitäten Wien und Salzburg, Vortragender bei Seminaren und Lehrgängen.

Für WEKA ist er Herausgeber des Newsletters für Gesellschaftsrecht Online sowie für das Werk „Personengesellschaften in Fallbeispielen“.

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