Dokument-ID: 373702

WEKA (atr) | News | 21.03.2012

Verdeckte Ausschüttung an „Noch-Nicht-Gesellschafter“

Eine verdeckte Ausschüttung kann auch vorliegen, wenn die Leistungsvereinbarung zwar vor Begründung des Gesellschaftsverhältnisses getroffen wird, ihre Veranlassung aber im späteren Gesellschaftsverhältnis hat.

Geschäftszahl

VwGH 15.09.2011, 2008/15/0256

Norm

§ 8 Abs 2 KStG

Leitsatz

Quintessenz:

Eine verdeckte Ausschüttung setzt die Vorteilszuwendung einer Körperschaft an eine Person mit Gesellschafterstellung oder gesellschafterähnlicher Stellung (Anteilsinhaber) voraus. Sie ist aber auch dann möglich, wenn die Leistungsvereinbarung zwar vor Begründung des Gesellschaftsverhältnisses getroffen wird, ihre Veranlassung aber im späteren Gesellschaftsverhältnis hat.

VwGH: Unter verdeckten Ausschüttungen iSd § 8 Abs 2 KStG sind nach stRSpr des VwGH alle außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gelegenen Zuwendungen (Vermögensvorteile) einer Körperschaft an einem Anteilsinhaber zu verstehen, die das Einkommen der Körperschaft mindern und ihre Wurzel in der Anteilsinhaberschaft haben (vgl 2005/15/0058).

Grundsätzlich setzt eine verdeckte Ausschüttung voraus, dass die Vorteilszuwendung an eine Person mit Gesellschafterstellung oder gesellschafterähnlicher Position (Anteilsinhaber) erfolgt. Laut VwGH kann eine verdeckte Ausschüttung aber auch dann vorliegen, wenn die Leistungsvereinbarung zwar vor Begründung des Gesellschaftsverhältnisses getroffen wird, ihre Veranlassung aber im späteren Gesellschaftsverhältnis hat. Der VwGH orientiert sich mit dieser Ansicht sowohl an Literatur (Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG 1988, § 8 Tz. 148) als auch an der ständigen Rechtsprechung des deutschen BFH zur verdeckten Zuwendung an „Noch-Nicht-Gesellschafter“.

Im vorliegenden Fall trat eine Schweizer AG die von ihr gehaltenen Geschäftsanteile an der beschwerdeführenden österreichischen GmbH an den Geschäftsführer dieser GmbH ab. Am selben Tag, eine „juristische Sekunde“ vor Abschluss des Abtretungsvertrages, wurden sämtliche Liegenschaften der Beschwerdeführerin zum Restbuchwert laut Bilanz (laut Betriebsprüfung realitätsfern unterhalb des tatsächlichen Werts) an den Geschäftsführer veräußert. Im Abtretungsvertrag wurde vereinbart, dass der übernehmende Geschäftsführer nicht nur den Kaufpreis für die Gesellschaftsanteile zu leisten hatte, sondern auch die beschwerdeführende GmbH mit ausreichenden Mitteln auszustatten hatte, um diese in die Lage zu versetzen, ihren (hohen) Zahlungsverpflichtungen bei der abtretenden Schweizer AG nachzukommen.

Der VwGH bestätigte die Ansicht der Vorinstanzen, dass eine verdeckte Ausschüttung vorlag. Es sei unstrittig, dass die Grundstücksveräußerung an den Geschäftsführer und der Anteilserwerb eine wirtschaftliche Einheit bilden und nicht getrennt voneinander beurteilt werden können. Auch die Einbindung der Schweizer AG als früherer Anteilsinhaberin könne keine Gewähr dafür bieten, dass die Grundstücksveräußerung einem Fremdvergleich standhielte. Zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse bestanden hohe Forderungen der Schweizer AG gegen die Beschwerdeführerin. Ob der die Geschäftsanteile übernehmende Geschäftsführer seinen Verpflichtungen aus dem Abtretungsvertrag nun durch Leistung entsprechender Einlagen nachgekommen wäre oder – wie tatsächlich geschehen – durch Tilgung eines Teiles der Gesellschaftsschulden im Wege des Ankaufs von Anlagevermögen (Betriebsgrundstücke), war für die Schweizer AG unerheblich. Eine Vorteilsgewährung kann nicht ausgeschlossen werden; der Kaufvertrag wurde nicht – wie von der Beschwerdeführerin angeführt – unter „Fremden“ geschlossen.

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