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WEKA (epu) | News | 21.02.2018

Zur Einforderung von Nachschüssen bei gründungsprivilegierten GmbH

Während aufrechter Gründungsprivilegierung ist seitens der GmbH lediglich die Einforderung der gründungsprivilegierten Stammeinlagen nötig, bevor sie auch Nachschüsse einfordern kann.

Geschäftszahl

OGH 21. November 2017, 6 Ob 194/17y

Norm

§§ 10b, 72 Abs 2 GmbHG

Leitsatz

Quintessenz:

Während aufrechter Gründungsprivilegierung ist seitens der GmbH lediglich die Einforderung der gründungsprivilegierten Stammeinlagen nötig, bevor sie auch Nachschüsse einfordern kann. Ist die Nachschusspflicht im Gesellschaftsvertrag mit dem Doppelten der „übernommenen Stammeinlage“ limitiert, so bezieht sich dieser Begriff auf den gesamten Betrag der Stammeinlage, nicht auf den durch die Gründungsprivilegierung reduzierten.

OGH: Wird eine Gründungsprivilegierung nach § 10b GmbHG in Anspruch genommen, so ist gem Abs 2 leg cit im Gesellschaftsvertrag für jeden Gesellschafter die Höhe seiner gründungsprivilegierten Stammeinlage festzusetzen. Diese darf nicht höher als die jeweils übernommene Stammeinlage sein, die Summe der gründungsprivilegierten Stammeinlagen muss insgesamt mindestens EUR 10.000,– erreichen. § 10b Abs 3 GmbHG bestimmt weiters, dass auf die gründungsprivilegierten Stammeinlagen insgesamt mindestens EUR 5.000,– bar eingezahlt werden müssen. Solange die Gründungsprivilegierung aufrecht ist, müssen die Gesellschafter in Abweichung von § 63 Abs 1 GmbHG nur insoweit weitere Einzahlungen auf die von ihnen übernommenen Stammeinlagen entrichten, als die bereits geleisteten Einzahlungen die gründungsprivilegierten Stammeinlagen nicht erreichen. Die GmbH hat somit zwar ein Stammkapital von EUR 35.000,–, es bestehen aber gründungsprivilegierte Stammeinlagen von nur EUR 10.000,–, von denen wiederum lediglich EUR 5.000,– bar eingezahlt sein müssen.

Eine Verpflichtung der Gesellschafter zur Leistung von Nachschüssen iSd § 72 Abs 1 GmbHG – also weitere Einzahlungen der Gesellschafter über den Betrag der Stammeinlagen hinaus – muss im Gesellschaftsvertrag normiert sein, nachträglich ist die Einführung einer solchen Pflicht nur einstimmig möglich. Besteht sie, so erfolgt die Fälligstellung dieser Einzahlungen durch Gesellschafterbeschluss. Durch sie wird die Stammeinlage nicht erhöht.

Im vorliegenden Fall wurde die Einforderung von Nachschüssen aller Gesellschafter einer GmbH in Höhe der jeweils übernommenen Stammeinlage beschlossen und demgemäß von der Beklagten als Gesellschafterin die Zahlung von EUR 9.800,– gefordert. Diese vertrat jedoch die Ansicht, die Einforderung von Nachschüssen vor vollständiger Einzahlung der Stammeinlagen sei unzulässig.

Während aufrechter Gründungsprivilegierung sind die Gesellschafter lediglich zur Einzahlung der gründungsprivilegierten Stammeinlagen verpflichtet – in diesem Zeitraum ist die Differenz zwischen gründungsprivilegierter Stammeinlage und übernommener Stammeinlage nicht fällig und kann nicht fällig gestellt werden. Nur bei solchen Stammeinlagen, die auch tatsächlich eingefordert werden können, müssen vor der Einforderung von Nachschüssen zuerst die offenen Stammeinlagen verlangt werden. Während aufrechter Gründungsprivilegierung betrifft dies jedoch übernommene Stammeinlagen, die die gründungsprivilegierten Stammeinlagen übersteigen, nicht. Zur Durchsetzung der Nachschusspflicht durch die gründungsprivilegierte Gesellschaft ist somit nur die volle Einforderung der gründungsprivilegierten Stammeinlagen nötig. Im konkreten Fall waren die gründungsprivilegierten Stammeinlagen bereits voll eingezahlt.

§ 72 Abs 2 GmbHG bestimmt, dass die Nachschusspflicht „auf einen nach dem Verhältnis der Stammeinlagen bestimmten Betrag“ beschränkt sei. Die Satzung muss dementsprechend eine Limitierung der Nachschusspflicht vorsehen. In casu betrug die Einschränkung der Nachschusspflicht das Doppelte der „übernommenen Stammeinlage“. § 10b GmbHG trifft eine Differenzierung zwischen „übernommener Stammeinlage“ und „gründungsprivilegierter Stammeinlage“. Daraus ist abzulesen, dass als „übernommene Stammeinlage“ der gesamte Betrag und nicht der durch die Gründungsprivilegierung reduzierte gilt. Im konkreten Fall betrug der Gesellschaftsanteil der Beklagten 28 %, das Stammkapital EUR 35.00,–. Die „übernommene Stammeinlage“ ist somit in der Höhe eines Betrages von EUR 9.800,– anzusetzen, wie er auch von der Beklagten gefordert wurde.

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